You Don't Know Jacqui

Es mag dem Jazz-Puristen übel aufstoßen, dass Genre-Acts am ehesten dann ein nennenswertes Publikum finden, wenn sie sich dem Pop öffnen. Auch Naylor setzt eher auf ein gepflegtes Lounge-Ambiente denn vertrackte rhythmische Experimente. Doch ihre große Musikalität und Originalität sprechen für sich und ihre Songs. Naylors gepflegt-gediegenes "How Deep Is Your Love" etwa, nährt den berechtigten Verdacht, dass bei den Bee Gees der 70-er hinter Falsett-Kitsch einige Songwriting-Substanz verborgen liegt. Auch "Losing My Religion" von R.E.M. und "Miss You" von den Stones verkraften den Crossover recht gut.

Bei den Standards, könnte man meinen, ist die Transferleistung überschaubarer. Doch so kunstvoll, wie Naylor Gershwins "Summertime" über ein Riff der Allman Brothers legt, hört man diese fast zu Tode adaptierte Nummer gern ein weiteres Mal. "My Funny Valentine", ein ähnlich gelagerter Fall, geht hier eine Cello-basierte Verbindung mit einem Motiv aus AC/DCs "Back In Black" ein. "Acoustic Smashes" nennt die Künstlerin dieses Verfahren selbst, das viel über ihre Berufsauffassung verrät.

Durchwachsen, aber mit erkennbaren Höhepunkten verhält sich hierzu das eigene Material. "Celebrate Early & Often" klingt fast schon beim ersten Hören nach einem Klassiker. "Shelter" hat das Drama und die Massenverträglichkeit einer Billy Holiday oder Nina Simone. "City Of The Bay" ist eine schöne Heimat-Hommage. Dass es ausgerechnet das etwas eindimensionale "Rise Up" zu Wahlkampfehren auf Barack Obamas Website brachte, dürfte wohl an der Aufbruch vermittelnden Botschaft liegen. Immerhin, der neue Mann im Weißen Haus kennt Jacqui Naylor. Oder besser gesagt, er weiß sie zu schätzen.