Tina Live [CD/DVD]

Wenn ein Kaliber ihrer Größe eine Tournee plant, dann kann man sicher sein, dass sie alle, aber wirklich alle ihre alten und großen Hits aus 50 Jahren Bühnenpräsenz präsentiert. Vor einem erstaunlich jungen Publikum im niederländischen Arnheim, genau gesagt vor unglaublichen 70.000 begeisterten Menschen, spielte und sang sich Turner höchst professionell und doch voller Herzblut und Enthusiasmus die Seele aus dem straffen Körper.

Wobei gesagt werden muss: Vier hüpfende Pos ihrer erkältungsgefährdet gekleideten Tänzerinnen und zwei fantastische Backingsängerinnen nehmen der Diva das Wackeln und Zappeln inzwischen größtenteils ab. Ein echter Profi weiß eben, wie man seine Kräfte einteilt. Turner braucht ihre Kraft nämlich zum Singen, ihre Moves deutet sie nur noch an. Auch wenn so mancher den extremen Druck, mit dem sie ihre Stimme teilweise hochquetschte, nicht wirklich toll fand: Auf dieser DVD wirkt ihr Gesang äußerst professionell: wenig Quietschen, kaum Geknödel, alles hochgradig exakt. So sehr, dass man vermuten könnte, dass da im Studio noch nachgebessert wurde. Tut aber eigentlich auch nichts zur Sache, denn das Ergebnis ist prima.

Und während der Instrumental-Bridges oder der Soli gesellt sich Turner dann doch hin und wieder zwischen ihre hübschen Hupfdohlen und macht auch dort eine erstaunlich gute Figur. Dass das Styling und die Choreografien (Vamp-Moves à la Eartha Kitt, Glanz-Wursthauthosen und viele wedelnde Pludermähnen) hin und wieder einen Tick zu sehr an die 80-er erinnern, werden vermutlich nur Leute bemerken, die diese Zeit als Grauen erregenden Modefehltritt der Geschichte selbst erlebt haben. Und zu sehr regt die Optik dann auch nicht auf. Denn die bestens gelaunte Band (groß: John Miles an der Gitarre und Lisa Fischer, der Tina neidlos das Mikro bei "It's Only Rock 'n' Roll" überlässt) klingt wohltuend geradlinig, wenn auch nicht allzu fantasievoll. Nicht zu viele Bläser, das Hauptohrenmerk liegt eher auf den beiden Gitarren, Piano und Gesang.

Feuerzauber, ein paar Gags wie der Pseudo-Fan und die beiden falschen Securitys (in Wirklichkeit Tänzer und Akrobaten), Flamenco-Einlagen, Bühnenkämpfe und James-Bond-Reminiszenzen ("Golden Eye"), erstaunliche Zeitlupen-Tänze, Stunts, Tinas Geblödel mit den Tänzerinnen und den Musikern, viele rasante Kamerafahrten und aufwändige Licht- und Bildprojektionen wirken bunt, fett und spaßig. Dazu kommen die Kostümwechsel von Madame Anna "Tina" Mae Bullock, verheiratete Turner und viele Nahaufnahmen auf knackig geratene Körperdetails der Tanzmäuse. Das macht alles in allem Spaß und ist ein erstaunliches Dokument, erst recht, wenn man bedenkt, wie diese Grande Dame in vier Monaten 50 Shows mit diesem massiven Aufwand hinbekommen hat. Und als Bonbon gibt es dann auch noch eine Audio-CD im Pack dazu. Quasi für alle, denen hier dann doch zu viele Popos geschwenkt werden ...