Bruce Springsteen

Arbeiter am Amerikanischen Traum


Bruce Springsteen blickt entschlossen in die Zukunft

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Arbeiter am Amerikanischen Traum

Bruce Springsteen blickt entschlossen in die Zukunft

23.01.2009 Womöglich ist ja Ronald Reagan an allem schuld. Über rund zehn Jahre hatte sich Bruce Springsteen zum stürmischen Romantiker und hemdsärmligen Schutzpatron der kleinen Leute Amerikas aufgeschwungen. Doch spätestens, seit der Republikaner Reagan 1984 seinen sarkastischen Abgesang "Born In The USA" als Wahlkampfhymne missbrauchte, hält Springsteen auch politisch mit seinen Überzeugungen nicht mehr hinter dem Berg. "Working On A Dream", sein 16. Studioalbum in 36 Jahren, erscheint nun pünktlich zur Amtseinführung des neuen, von ihm protegierten US-Präsidenten. Und so braucht es keine hellseherischen Fähigkeiten, um zu begreifen, dass es der Obama-Traum ist, den der Boss hier wie derzeit so viele träumt.

Klar, auch dieses Mal hat Springsteen viel mehr zu verkünden, als den Aufbruch in eine hoffnungsvolle politische Ära. "Working On A Dream" ist seine vielleicht gelösteste und zuversichtlichste Arbeit seit dem missratenen Doppelschlag "Human Touch" / "Lucky Town" aus dem Jahr 1992. Nicht einmal eineinhalb Jahre sind seit Erscheinen des Vorgängers "Magic" vergangen, dessen Schwung er nach eigenem Bekunden einfach mitnahm. Kanalisiert hat Springsteen seine Muse in wonnige Außenseiterfabeln ("The Wrestler", "Outlaw Pete") und schwelgerische Liebeslyrik ("Life Itself", "What Love Can Do"). Dazu zitiert er schelmisch seine Lieblingsinterpreten, kratzt in den verträumtesten Momenten fast das Format Popsong und schüttelt nebenbei ein paar Rocknummern klassischer Springsteen-Prägung aus dem Hemdsärmel.

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So vielschichtig und abwechslungsreich "Working On A Dream" geraten ist, als Summa seines Schaffens lässt sich die gefällige und überraschungsreiche Arbeit nur sehr bedingt begreifen. Überbordend romantisch und bedingungslos aufrecht war der Busfahrersohn aus New Jersey schon immer. Doch den Wahnsinn und die ungesteuert ausbrechende Energie seines Beginns ist dem milden Alterswerk eher fremd. 1973 reüssierte Springsteen gleich mit zwei wegweisenden Alben innerhalb eines Jahres: "Greetings From Asbury Park, N. J." und "The Wild, The Innocent & The E Street Shuffle". Auch wenn beide Platten zu ihrer Zeit kaum Anklang fanden und selbst in der Retrospektive bisweilen noch unterschätzt werden, steht Kollege Elvis Costello mit seiner Bewunderung inzwischen nicht mehr allein.

Vor allem "The Wild, The Innocent ..." ist ein Meisterwerk von überbordendem Temperament, so bunt und schillernd wie ein schwüler Mittsommertag in New York City. Springsteen singt von der Amour fou, von einer Wahrsagerin, dem Feuerwerk am Nationalfeiertag und von einem Liebesdrama im Einwandererviertel. Eine wilde Orgel, treibendes Schlagzeug und flirrende Bläser fügen sich zu unerhörten Songexplosionen wie "Kitty's Back", "Rosalita (Come Out Tonight)" und dem überwältigenden Romantizismus "4th Of July, Asbury Park (Sandy)".

Beruht der Reiz des Beginns auf seinem ungefilterten Überschwang, ist "Born To Run" 1975 das klassische Meisterwerk mit Hand und Fuß. Ab jetzt trat der exzentrische Musikkritiker Jon Landau als Koproduzent und Manager in Erscheinung. Überdies hatte Springsteen einige Veränderungen beim Personal vorgenommen. Roy Bittan und Max Weinberg vervollständigten die E Street Band, deren Sound sich zu einer bis dahin ungehörten Wucht verdichtete. Bis an die Bombastgrenze trägt die mit Glockenspiel und Clarence Clemons' Saxofon veredelte Instrumentierung Meilensteine wie "Thunder Road", "Night", "Badlands" und den nur fast überfrachteten Titeltrack.

"Born To Run", für viele der unumstößliche Inbegriff einer Rock-LP, markierte einen Punkt, der nur schwer zu übertreffen war. So war es nur folgerichtig, dass "Darkness On The Edge Of Town" 1978 eine veränderte Richtung einschlug. Das Album ist kantiger, spröder, widerspenstiger, gibt aber dennoch furiose Momente wie "The Promised Land" und "Adam Raised A Cain" frei. Die beschworene Dunkelheit wird überdies programmatisch. Ab jetzt singt Springsteen seltener romantische Heldendramen und widmet sich verstärkt den Verlierern des Amerikanischen Traums.

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Nach der durchwachsenen, weil zu langen Doppel-LP "The River" mündete diese Entwicklung in den ungeheuerlichen Songzyklus "Nebraska" - eine Platte wie ein schwarzes Loch. Auf einem Vier-Spur-Kassettenrekorder nahm Springsteen nur mit Akustikgitarre und vereinzelt Mundharmonika seine bis heute verstörendsten Kompositionen daheim wie Demos auf: Mörderballaden, Kindheitserinnerungen, Road-Movies, Verzweiflungsdramen und Abhandlungen über erschütterten Glauben. Americana in noir.

"Nebraska" geriet grandios und wie zu erwarten zum kommerziellen Desaster. Doch nur zwei Jahre darauf vollzog Springsteen eine erneute Kehrtwende, die ihn endgültig in den Rock-Olymp hieven sollte. Das glockenklar und dicht produzierte "Born In The USA" gab nicht weniger als sieben Top-Ten-Singles preis, darunter das elektrisierende "Dancing In The Dark", das schwül-obszöne "I'm On Fire" und den pathetischen Schwanengesang "My Hometown". Auch wenn die Arbeit nicht makellos ist, wird Springsteen bis heute vor allem mit ihr identifiziert.

1987 folgte das unscheinbare, aber nicht reizlose "Tunnel Of Love", ehe Springsteen 1992 mit "Human Touch" und "Lucky Town" knietief in der kreativen Krise landete. Die kitschig arrangierten Wohlfühlschlager suhlen sich derart im bürgerlichen Glück, dass nicht wenige den Boss bereits abschrieben. Mit der zurückgenommenen Songwriterplatte "The Ghost Of Tom Joad" fand der 1995 aber zurück in die Spur und ließ ein solides bis inspiriertes Spätwerk folgen: die trotzige 9/11-Platte "The Rising" (2002), das resümierende "Devils And Dust" (2005), das runde Pete-Seeger-Tribute "We Shall Overcome" (2006) und zuletzt das beherzte, tatkräftige "Magic" (2007).

"Working On A Dream" knüpft da nahtlos an und zementiert Springsteens Aura als integre Autorität des oft zu Unrecht verschmähten Adult Rock. Unter all den Granden jedenfalls, die anlässlich der bevorstehenden Amtseinführung Barack Obamas in Washington auftraten, war Springsteen zweifellos die souveränste, die gelassenste und die selbstverständlichste Erscheinung. Fast so, als könnte es dem Boss eigentlich egal sein, wer unter ihm Präsident ist. ~ Jens Szameit (teleschau)


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