Kid Rock

"Ich werde jedes Jahr weiser"


Kid Rock gibt sich nicht mehr laut, aber auch nicht unbedingt geläutert

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"Ich werde jedes Jahr weiser"

Kid Rock gibt sich nicht mehr laut, aber auch nicht unbedingt geläutert

19.11.2010 Einen Moment lang ist seine Laune im Keller. Doch dann grinst Kid Rock wieder. Der Interviewtag ist bald vorbei. Er streckt seine - sehr kurzen - Beine aus, dehnt sich: "Freitagabend, wir haben die ganze Woche gearbeitet, Zeit für ein Bier heute, oder?" Alles wieder im grünen Bereich. Kid Rock: Trotz Gold- und Platinalben, trotz seines Mega-Hits "All Summer Long" ist er für viele immer noch vor allem der Ex-Ehemann von Pamela Anderson. Aber vier Jahre nach der Scheidung der fünf Monate dauernden Ehe muss ein Interview mal ohne ihre Erwähnung auskommen. Abgeschlossen hat der Musiker aus Detroit nicht nur damit. Rap-Parts wie früher gibt es auf "Born Free", seinem neuen Album, keine mehr. Stattdessen präsentiert der 39-Jährige US-Rock der fehlerfreien Sorte. Passend dazu wirkt der ewige Cowboy-Hutträger im Gespräch längst nicht so grobschlächtig, wie es manche Aussagen der Vergangenheit vermuten lassen. Aber, ob nun Redneck oder nicht, seine Selbstdefinition ist klar: Kid Rock ist ein stolzer Amerikaner.

Schön, dass Dich die Aussicht auf ein, zwei Bier so aufmuntert. Das ist bescheiden. Wer sorgt dafür, dass Du nicht abhebst beziehungsweise auf den Boden zurückkehrst?

Kid Rock - \"

Kid Rock: Ach, ich weiß nicht mal, ob ich je die Erde verlassen habe. Ich bin noch derselbe, der ich immer war. Ich lebe im selben Ort, in dem ich aufgewachsen bin, habe die gleichen Freunde und meine Familie um mich herum. Okay, an vielen Plätzen dieser Welt bin ich der rosa Elefant. Dieses Leben wollte ich und habe es bekommen. Das ist in Ordnung. Aber zu Hause gehe ich in die Bar und werde mit einem "Hallo" begrüßt wie jeder andere auch. Das ist dann doch bodenständig, oder?

Wo lebst Du genau?

Kid Rock: 30 Meilen nördlich von Detroit. Ich habe mein ganzes Leben in dieser Gegend verbracht. Auch mein Sohn war ein guter Grund, nicht von dort wegzugehen. Es ist wichtig für mich, Teil einer Gemeinschaft zu sein - und zwar ein guter Teil. Dieses Umfeld ist für mich viel wichtiger als die Meinung anderer Leute. Magazine, die über mich schreiben, kann ich nicht kontrollieren. Aber zu Hause sehen mich alle mit meinem Kind, wissen, wer ich bin. Deswegen ist mir wichtig, was sie denken. Ich mag die Leute dort und sie mögen mich! Ich ziehe den kalten Schnee in Detroit dem Sonnenschein in Hollywood vor. Auch Eminem und Aretha Franklin sind in Detroit geblieben, wo sie aufwuchsen.

Auch Dein Sohn ist dort groß geworden, oder?

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Kid Rock: Ja, er sollte keines dieser Promikids werden, sondern lieber mit seinen Großeltern und Tanten aufwachsen, stramme, vernünftige Menschen um sich haben. Mein Sohn wurde geboren, als ich 22 war, trotzdem überlegte ich schon damals, wie ich ihn aufziehen soll.

Und, was hat er vor mit seinem Leben, jetzt da er fast erwachsen ist?

Kid Rock: Er will aufs College gehen und sich ins Musikbusiness reinfuchsen. Er trinkt kaum, geht nicht viel auf Partys, immerhin mag er Mädchen. Manchmal frag ich mich, wer dieses Kind eigentlich ist. Irgendwie scheinen meine Eigenschaften eine Generation zu überspringen. Ich war auf jeden Fall sehr viel wilder. (zieht die Augenbraue hoch)

Er will ins Musikbusiness?

Kid Rock: Wir haben darüber gesprochen, und ich habe ihm dazu geraten. Musik komponieren und mit einem Eimer voll Songs rumzulaufen, das ist ja nur die halbe Miete. Besser läuft es, wenn du dich mit den Hintergründen auseinandersetzt. Dann brauchst du keine zwölf Anwälte, die für dich arbeiten. Du solltest selbst schlau genug sein zu wissen, wie es geht. Er hat das bei mir erlebt, jeder will ein Stück von seinem Vater. Was auch immer er mit dieser Ausbildung tut, es wird mein Künstlerdasein einfacher machen.

Was steckt hinter Deinem Albumtitel "Born Free"?

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Kid Rock: Es ist ein Resümee, und wer einen Moment darüber nachdenkt, wird dessen Tiefe erkennen. Gerade hier: Ob du in Ost- oder Westdeutschland geboren bist, ist ein Akt Gottes, der eine ist frei, der andere nicht. Ich habe viel darüber nachgedacht, als ich in Afghanistan und im Irak unterwegs war. Auch China ist ein Beispiel. Es ist ein globales Thema. Egal wie, ich bin verdammt froh, dass ich in einem freien Land geboren bin. Ich kann machen, was ich will. Wenn ich gestorben bin, soll keiner weinen. Denn ich wurde frei geboren. Das ist eine richtig große Sache, für die viele Opfer gebracht haben. Auch dafür, dass es so bleibt.

Wie bewusst bist Du tatsächlich an diese Albumproduktion herangegangen? Es sollte das nächste große Ding für die USA werden.

Kid Rock: Mein Produzent Rick Rubin hat davon gesprochen, dass es Zeit ist für das nächste klassisch amerikanische Rockalbum. Bluesbasierte, melodieorientierte ehrliche Musik ohne Firlefanz, keine Computer, stattdessen gute Leute, echte Gitarren ...

Musik, die nicht mal einen "Parental Advisory"-Aufkleber wegen anstößiger Texte benötigt ...

Kid Rock: Ja, aber das war mir gar nicht bewusst. Erst vor einigen Wochen wies mich jemand darauf hin. Und ich dachte mir nur: Gut, okay.

Du gibst fast alles auf, wofür Kid Rock mal stand: Rappen, Fluchen, du warst laut und großmäulig ...

Kid Rock: Ich bin, wer ich bin. Aber vor 20 Jahren dachte ich eben noch anders als heute und wer das bestreitet, redet Unsinn. Mit 18 wollte ich Drogen, Sex, Autos, Rock'n'Roll. Manches ist immer noch wichtig, aber mit 39 Jahren gibt es eben ein paar mehr Sachen, für die ich Verantwortung trage. Jeder Schritt hat auf dem vorigen aufgebaut. Ich bin authentisch.

Im Januar wirst Du 40.

Kid Rock: Am 17. Januar, freu mich drauf. Ich weiß nicht, warum Menschen Angst haben, älter zu werden. Vielleicht weil das Sterben näher rückt. Wenn du das Leben nicht hergeben willst, dann nimm es dir, lebe es. Liebe es. Ich werde jedes Jahr weiser, mein Sohn macht mich vielleicht bald zum Opa. Das ist doch prächtig.

Trotzdem: Was glaubst Du, warum hat jemand Erfolg, der laut und unflätig ist?

Kid Rock: Ich war keine gekünstelte Person. Und wenn ich nicht irgendwie ein guter Performer wäre, wäre ich nach jetzt 20 Jahren nicht mehr im Geschäft. Ich glaube, ich war immer echt. Ob man das mochte oder nicht, aber Kid steht für Ehrlichkeit.

Bist Du heute auch noch frei?

Kid Rock: Absolut. Was auch immer mit Ruhm einhergeht, verfolgt mich nicht. Dann gehe ich nach Hause und schließ die Tür zu. Ich werde mich nicht beschweren, wenn ein Haufen Fotografen im Restaurant an meinen Tisch kommt und Fotos machen will, das passiert. Die habe ich mit eingekauft.

Und das stört Dich nicht?

Kid Rock: Manchmal schon, aber nur weil mich das nervt, ist das nichts, weswegen ich ausraste. Es ist eher gefährlich für andere, in meiner Nähe zu sein. Aber die wissen eigentlich, dass ich Gewehre zu Hause habe ... (lacht)

Das meinst Du als Metapher.

Kid Rock: Wenn jemand über meinen Zaun hüpft, dann ist das meine Privatsphäre. Und in die sollte keiner eindringen. Das lass ich mir nicht bieten, dann unternehme ich was, dafür lebe ich in Amerika. Aber die meisten Menschen verhalten sich ja respektvoll.

Hast Du eigentlich viel Freizeit, die Du zu Hause verbringst?

Kid Rock: Freizeit nicht, kreative Zeit schon. Drei Jahre sind seit dem letzten Album vergangen, und ich kreuzte mir oft Tage und Wochen im Kalender an, an denen ich nicht arbeiten möchte, sondern für andere da sein wollte. Ich habe kein Problem, die Beine hochzulegen. Ich muss mich nicht beweisen.

Inwiefern beweisen?

Kid Rock: Wer mich hören und mit mir feiern will, gut. Aber ich bleib auch zu Hause (lacht). Ich muss keinen neuen Markt knacken. Ich hätte nach Australien gehen können, dazu hätte ich in Clubs spielen sollen. Nein. Mach ich nicht. Ich kann jeden Abend in Amerika vor vielen, vielen Leuten spielen, das ganze Jahr lang. Ich habe nichts gegen Australien, aber das mache ich nicht. Ich habe das größte Land der Welt erobert, das reicht. Das macht mich glücklich genug. Ich bin sehr groß in Amerika. Aber die ganzen Spielchen spiele ich nicht mit. Ich lasse mich nicht von der Industrie kontrollieren. Wo ist der Radio-DJ hin, der Leuten was nahe bringt, Musik, auf die sie abfahren? Heute werden Geschmäcker über Recherche festgestellt.

Und über TV-Castingshows fatale Träume geweckt ...

Kid Rock: Mir tut es um die Kids leid, weil sie nicht die Möglichkeit bekommen zu wachsen. Es dauert seine Zeit, bis du gut wirst. Bevor du Musiker bist, brauchst du 10.000 Stunden, wie für alles. Auch wenn du Häuser bauen oder Autos reparieren willst. Süß sein reicht nicht.

Die Frage ist vermutlich überflüssig, aber es gibt nichts, was Du bereust, oder?

Kid Rock: Nein.

Kannst Du Dir vorstellen, dass es auch mal ein Scheitern geben könnte?

Kid Rock: Es ist wichtiger, dass ich das ganze Drama aus meinem Leben rausgebracht habe. In meinem Dasein gibt es neben diesem Album schöne Dinge. Ich habe noch nicht drüber nachgedacht, wie es sein könnte, wenn ich weniger Erfolg hätte. Dann muss ich wieder einen Gang zurückschalten ...

Und doch wieder in Clubs spielen?

Kid Rock: Vielleicht ... Nein, ich glaube, ich würde die Fliege machen.

Viele Musiker bedauern, keine Clubs mehr spielen zu können.

Kid Rock: Das kann ich nicht verstehen. Ich habe von hier bis Timbuktu in jedem Loch gespielt und habe schöne Erinnerungen daran, aber ich möchte nicht mehr zurück. Ich will so viele Menschen wie möglich auf einmal erreichen.

Noch eine private Frage: Wer sieht Dich mal ohne Hut?

Kid Rock: (nimmt ihn ab) Ich habe mich heute früh nicht gekämmt. Und meine Haare werden auch nicht gerade mehr. Wenn ich Kid Rock bin, dann setze ich einen auf. Für Superman nehm ich das Cape. ~ Claudia Nitsche (teleschau)


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