The Wedding Present

Kuriositäten aus dem Herz der Popkultur


David Gedge über Hollywood, The Wedding Present und die Sache mit Mike Tyson

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Kuriositäten aus dem Herz der Popkultur

David Gedge über Hollywood, The Wedding Present und die Sache mit Mike Tyson

01.08.2008 Über 40 Jahre hat David Gedge in der Industriemetropole Leeds zugebracht. Von diesem traditionsreichen, aber wenig glamourösen Ort aus hat er in der 80-ern mit seiner Band The Wedding Present den Indie-Rock mit aus der Taufe gehoben, um einige Jahre später unter dem Label Cinerama eklektische Easy-Listening-Platten zu veröffentlichen. Doch die Trennung von Langzeitfreundin Sally Murell ließ die treue Seele in die Ferne schweifen. Die großartige, zynische Trennungsplatte "Take Fountain" - zugleich die Wiederbelebung der eingemotteten The Wedding Present - wurde 2005 in Seattle eingespielt. Der neuen Freundin wegen. Und die Luftveränderung tat ihm offenbar gut. "Mir dämmerte, dass ich überall in der Welt zurechtkomme, wenn ich meine Gitarre, ein Stück Papier und einen Stift dabei habe", witzelt Gedge gewohnt launig und selbstironisch. Das Fernweh hielt an. Inzwischen wohnt der große Feingeist des Indie-Rock in West-Hollywood, einem Ort, der unpassender und doch inspirierender kaum sein könnte.

Von den originellen Blüten, die der Umzug in die Filmmetropole trieb, zeugt das jüngste Wedding-Present-Album "El Rey", dessen Songs Gedge eben dort schrieb. Erstmals seit dem gewaltigen "Seamonsters" von 1991 wurde Steve Albini wieder mit der Produktion ein ganzen Gedge-Albums betraut. Den Independent- und Hardcore-Guru rühmt Gedge ausdrücklich für sein großartiges Studioequipment sowie sein technisches Know-how und Geschick. Bemerkt aber auch: "Wir wollten nicht 'Seamonsters: Part 2' aufnehmen. Das hatten wir ja schon. Aber letztlich klingt 'El Rey' überhaupt nicht nach 'Seamonsters', sondern vollkommen anders. Es ist poppiger geworden."

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Womit er recht hat. Das Besondere an "El Rey" ist somit auch gar nicht die Wiederbeschäftigung der Produzentenlegende, sondern eher schon der wiedergefundene Humor. Songtitel wie "Don't Take Me Home Until I'm Drunk" und "The Thing I Like Best About Him Is Girlfriend" weisen bereits in eine unmissverständliche Richtung. Gedge stimmt dem zu: "Die letzte Platte ist eher traurig und sehr persönlich geworden - fast wie ein Tagebuch. Diesmal hatte ich wieder mehr Raum, meine Fantasie auszubreiten."

Und der Input könnte für den bekennenden Film- und Comic-Fan kaum größer sein als im neuen Wahldomizil. "Dieser Ort ist wirklich seltsam, vergleichbar mit einem riesigen Cartoon. Als ich gerade angekommen war, mochte ich ihn nicht besonders. Hier spült es Schauspieler, Models und Menschen aus der Rock-Industrie her: Das ist eine ziemlich Ich-bezogene Gesellschaft." Dennoch habe Los Angeles auch seine schönen Seiten. "Ich finde es sehr spannend, im Herz der Popkultur zu leben. Es ist sehr surreal." Wo sonst läuft man schon im Café Mike Tyson über den Weg? Die Anekdote über den berüchtigten Boxrüpel gibt Gedge mit ansteckendem Amüsement zum Besten: "Ich habe einer überaus attraktiven Frau mit einem sehr kurzen Rock auf die Beine geguckt. Erst dann habe ich wahrgenommen, dass die Person neben ihr Mike Tyson war. Unter allen Menschen auf der Welt ist die Freundin von Mike Tyson vermutlich diejenige, die man gerade nicht anstarren sollte."

Die unfreiwillig parodistische Diskrepanz zwischen erstem und zweitem Blick, zwischen Schein und Sein, wie sie in Hollywood so fruchtbar gedeiht, findet sich auf "El Rey" zu einer wahren Obsession ausgearbeitet. "Oberflächlich betrachtet ist L.A. ein fröhlicher, sonniger Ort", bemerkt Gedge. "Aber wenn man unter die Oberfläche schielt, bekommt man den Eindruck, dass das nicht ganz richtig ist. Bei meinen Songs geht es auch darum, in die verborgenen, zynischen Seiten von Beziehungen einzutauchen, um die Dinge, die Leute meinen, wenn sie etwas anderes sagen. So etwas passiert hier dauernd. L.A. ist ein ziemlich unaufrichtiger Ort."

David Gedge gibt sich so gelöst, charmant und aufgeräumt, wie es eine lebende, fidele Legende auch sein kann. Die Wiederbelebung von The Wedding Present brachte dem viel Verehrten nochmal einen Popularitätsschub in der jungen Indie-Generation. Zum alten Bandnamen zurückzukehren, erklärt er, sei eine rein künstlerische Entscheidung gewesen, weil seine Songs irgendwann wieder beim alten, schrofferen Gitarren-Rock angekommen seien. "Es war ein komischer, glücklicher Zufall, dass zur gleichen Zeit in Großbritannien viele Gitarren-Bands rauskamen, die sich am Sound der 80er-Jahre orientierten. Dass dann plötzlich The Wedding Present wieder da waren, hat verblüffenderweise gut in die Stimmung der Zeit gepasst."

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Seine historischen Leistungen und die Verehrung junger Musiker möchte der bescheidene Engländer allerdings nicht groß kommentieren und verweist stattdessen abermals auf die komischen Verwicklungen von Anschein und Wirklichkeit: "Manchmal höre ich eine junge Band und denke: 'Oh, die klingen wie The Wedding Present!' Und dann lese ich ein Interview, und es stellt sich heraus, dass sie nie von uns gehört haben."

Schwer vorstellbar, zumal David Gedge im vergangenen Jahr, unmittelbar vor den Aufnahmen zu "El Rey", Denkmalpflege in eigener Sache betrieb. Zum 20. Jubiläum des wegweisenden Wedding-Present-Debüts "George Best" präsentierte die aktuelle Band das komplette Album im Rahmen einer kleinen Tournee. Wie fühlte sich das an, die alten Stücke wiederzubeleben, wie eine Zeitreise? "Das trifft es tatsächlich ziemlich genau", bemerkt Gedge. "Es war ziemlich seltsam. 'George Best' war unsere erste LP und wir haben uns seither stetig verbessert. Wir wissen jetzt, wie man Songs besser schreibt, wie man besser textet, Stücke arrangiert, praktisch alles. Wir mussten versuchen, das alles zu vergessen, um den früheren, naiven Stil zu adaptieren."

Der Namensgeber der Platte, das skandalumwitterte Fußball-Idol von Manchester United, verstarb 2005 infolge jahrzehntelanger Trinksucht. Doch wenigstens einmal sind sich der ManU-Fan aus Leeds und der Ausnahmekicker begegnet - anlässlich eines Promotionfotos zur Debüt-LP: "Das war wirklich schräg. George Best ist eine Ikone, und er war auch sehr nett. Aber sicher dachte er, 'Was sind denn das für vier komische Vögel aus Leeds?'" Ist überliefert, ob er das Album mochte? "Nein, aber ich bin sicher, er mochte es nicht. Fußballer hören ja lieber Simply Red, oder so was." Noch so eine ironische Fußnote - wie geschaffen für ein weiteres feinsinniges Kleinod des kultivierten Mr. Gedge. ~ Jens Szameit (teleschau)


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