Gerade in Anbetracht eines Sympathieträgers wie David Gedge möchte man wirklich niemandem das Elend an den Hals wünschen. Doch an der reinigenden Wirkung des Leidens scheint in der Tat etwas dran zu sein. Die schmerzliche Trennung von Langzeitfreundin Sally Murell führte erst zur Auflösung des Cinerama-Projekts, dann zur Wiederbelebung von The Wedding Present und schließlich zur Großtat "Take Fountain" von 2005. Nach Vollendung des düsteren Trennungsalbums in Seattle ist David Gedge weiter nach Los Angeles gezogen. Und in der grotesken Scheinwelt von Hollywood ist der lakonische Witz des süffisanten Briten offenbar aufgeblüht wie nie. "El Rey" sprüht buchstäblich vor Scharfsicht und Humor - und vor großartigen Liedern von einem der beständigsten Songwriter Großbritanniens. ~ Jens Szameit (teleschau) aufklappen »
Erstmals seit dem scheppernden "Seamonsters" von 1991 hat Indie-Guru Steve Albini wieder ein komplettes Wedding-Present-Album produziert. Das sorgt für den Albini-typischen schroffen, unbehauenen Schrammelsound. Doch anders als bei "Seamonsters" lugen hinter den Gitarrenwänden von "El Rey" verführerische Pop-Melodien hervor, wie sie Gedge während der Cinerama-Zeit zur allgemeinen Verwunderung gleich kübelweise aus dem Ärmel geschüttelt hat.
Der Film- und Comic-Fan Gedge hat die Eindrücke der Glitzerwelt in Hollywood begierig aufgesogen, um genüsslich über die verschwommenen Grenzen zwischen Schein und Sein zu reflektieren: "I thought I saw a superhero, but it was just Spider-Man on Hollywood / I thought I saw a supermodel, but she had hair where I don't think she should / Yes, things can be a parody of what they first appear to be." Wie wahr!
In "Model, Actress, Whatever" starrt der alte Lüstling unverfroren eine laszive Schönheit an, stellt jedoch sogleich klar "OK, it's just a jpeg (I have a few)." "I Lost The Monkey" und "Palisades" sind die Gedge-typischen lakonischen Beziehungsdramen. "Don't Take Me Home Until I'm Drunk" und "The Thing I Like Best About Him Is His Girlfriend" versprühen ihren feinsinnigen Witz schon im Titel.
Am Ende, im wunderhübschen "Swingers", überlässt der große Romantiker und Ironiker des Indie-Rock galant seiner Bassistin Terry de Castro den Vortritt und ermöglicht so eine zärtliche Miniatur im Geiste von The Velvet Underground oder Yo La Tengo. "El Rey", auch eine Anspielung auf Elvis - den King -, zeigt den vielleicht rundesten, ausgewogensten und trefflichsten David Gedge aller Zeiten. Heute ein König.