Stefan Gwildis

"Das hatte richtig Eier"


Stefan Gwildis liebt Soulmusik - und klare, ehrliche Worte

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"Das hatte richtig Eier"

Stefan Gwildis liebt Soulmusik - und klare, ehrliche Worte

07.11.2008 "Ich bin Soulfan", singt Stefan Gwildis ganz programmatisch auf seinem neuen Album "Wünscht du wärst hier". Als ob spätestens seit dem Erfolg seines letzten Longplayers und seiner Teilnahme am Grand-Prix-Vorentscheid nicht inzwischen ganz Deutschland wüsste, wo die musikalischen Präferenzen des Sängers aus Hamburg liegen. Bekannt wurde er vor allem durch die deutsche Übersetzung und Interpretation von Soul-Klassikern, bei der etwa Marvin Gayes "I Heard It Through The Grapevine" zu "Das kann doch nicht dein Ernst sein" wird. Dieser Umgang mit eigentlich unantastbaren Songs mag etwas flapsig, gar respektlos wirken, aber Gwildis nimmt seine Sache ernst. Auf seinem neuen Album und im Interview spricht er über den Tod seines Vaters, Wendepunkte im Leben und das Älterwerden.

Du bist vor kurzem 50 geworden. Eigentlich ein Anlass, Bilanz zu ziehen ...

Stefan Gwildis - \"

Stefan Gwildis: Ja, in der Tat ist das so. Wobei mich in letzten Tagen auch meine Frau oft nach dem Gefühl gefragt hat: Wie ist das denn jetzt so? Mit 50? Und ich muss ganz ehrlich sagen, ich hab nie so ein Verhältnis dazu gehabt. Bin ich jetzt 50? Oder bin ich jetzt 20? Ich hab mich immer so gefühlt, wie ich mir ein bestimmtes Alter vorstellen würde. Als ich Mitte 30 war, fühlte ich mich wie 80, weil ich zeit meines Lebens stark geraucht hab.

Inzwischen lebst Du aber gesünder. Was hat Dich umdenken lassen?

Gwildis: Nach dem Tod meines Vaters hab ich mich gefragt: Na, was machst du jetzt? Die Rotweinkeule wie eh und je? Aber da hab ich mich anstecken lassen, von meinem alten Kollegen Michy Reincke, der ja auch viele Texte schreibt und mit dem ich seit vielen Jahren sehr eng zusammenarbeite. Er hat nämlich begeistert davon erzählt, dass er über mehrere Wochen gefastet hatte. Und das hab ich dann auch mal gemacht. Das hat mir sehr sehr gut getan, so eine Klarheit zu bekommen.

Der Titelsong Deines neuen Albums erzählt vom Abschiednehmen von Deinem Vater. Wie schwierig ist es, in einem Song so persönlich zu werden?

Stefan Gwildis - F

Gwildis: Ich finde es überhaupt nicht schwierig. Es ist ja nicht nur die Tragik zu begreifen, dass es meinen Vater nicht mehr gibt. Mein Vater ist 82 geworden, er hat ein tolles Leben gehabt. Und zum Schluss war es so, dass er sich kaum noch bewegen konnte, das war alles blöd. Er hat zu mir gesagt: Mensch, mein Haltbarkeitsdatum ist abgelaufen. Er war geistig noch total da, aber er hat auch erkannt, dass sein Leben vorbei ist. Die Schwierigkeiten haben eher die, die überbleiben. Den Tod zu akzeptieren und diesen Moment auch auszuhalten, dass man derjenige ist, der am Bahnhof steht und winkt und nicht der zu sein, der wirklich geht.

Der zweite, sehr persönliche Song auf dem Album beschreibt die Geburt Deines Sohnes ...

Gwildis: Das ist natürlich ein Erlebnis für einen Mann, bei so einem Akt der Schöpfung dabei zu sein, wo man wirklich in die Knie geht. Wann immer ich gefragt werde, was für mich eines der tollsten Erlebnisse war, die ich erleben durfte, dann ist es auf jeden Fall die Geburt meines Sohnes. So was hab ich vorher noch nicht gesehen. Das war wirklich ganz berauschend und großartig. Und darüber hinaus ist es auch - und das findet ja auch in diesem Song Erwähnung - also es ist ja auch die Tatsache, dass wir Teil dieser großen Schöpfung sind, die ja immer stattfindet, dass wir Teil eines großen Ganzen sind, und darin auch aufgehen.

Zu diesen beiden und anderen Eigenkompositionen gesellen sich auch dieses Mal wieder einige Covers. Wie wägst Du da ab?

Gwildis: Ach, das ergibt sich. Das war nie Kalkül. Das hat auch viel damit zu tun, ob es die Freigaben der Originalinterpreten gibt. Für dieses Album hatten wir einen Pool von 20 Songs, davon gab's ein paar, von denen ich dachte, da ist der Nagel nicht so auf den Kopf getroffen worden. Waren also noch 15 über, da gab's dann drei, bei denen die Freigaben nicht stattgefunden haben. Unter anderem beim Song "Light My Fire", Jim Morrison, da wurde uns von den Anwälten der anderen Seite gesagt: Who needs the Mona Lisa with a moustache? (lacht) Wer braucht die Mona Lisa auch noch mit einem Bart? Das ist immer Klasse, selbst die Ablehnungen unserer Arbeiten haben dann ein Format, das schon wieder lustig ist.

Aber das ist natürlich genau die Frage, die sich immer wieder stellt: Wer braucht deutsche Versionen von Soul-Klassikern?

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Gwildis: Na ja, das frage ich mich natürlich erst mal selber. Was hab ich denn selbst für ein Bild von diesem Song? Und da beginnt es ja, das Ganze. Die Interpretation beginnt in dem Moment, in dem ich das Original höre und mir so mein eigenes Bild mache. Zum Großteil hört man einen Song, übersetzt das ja nicht sofort und hat - so geht es mir zumindest - eine eigene Bilderwelt. Und das ist eigentlich das, was mich dazu bewogen hat, überhaupt an diese Songs ranzugehen. Entsteht bei mir, aus meinem Umfeld heraus, für mich als Mensch aus Deutschland, entsteht bei mir selbst eine Bilderwelt? Das ist für mich der allererste Impuls.

Wie bist Du denn überhaupt zur Soulmusik gekommen?

Ich sag mal so, meine Eltern - speziell mein Vater - hat das Radio lauter gedreht, wenn jemand wie Ella Fitzgerald sang. Oder Sammy Davis. Oder Billy Paul. Und meine Mutter hat dazu gepfiffen. Und ich fand: Das hatte richtig Eier. Das ging mir näher, als alles andere, was aus anderen musikalischen Bereichen kam. Wobei ich sagen kann, was ich mit Soul verbinde, da ziehe ich den Kreis noch ein bisschen weiter. Es ist eigentlich mehr die Musik, bei der ich das Gefühl habe, das kommt wirklich beseelt daher. Insofern zähle ich auch anderes, aus Popbereichen, aus Jazzbereichen mit dazu. Das ist auch der Grund, warum wir uns Stücken von Joni Mitchell oder Lucio Dalla auf diesem Album widmen. Weil es Stücke sind, die mir sehr viel bedeuten und bei denen ich diese tiefe Beseeltheit auch empfinde.

Du bist ja vor allem auch ein Live-Performer. Wie lange kann und sollte man das machen? Auf der Bühne in Würde altern ist in der Pop- und Rockmusik ja nicht so leicht ...

Stefan Gwildis - M

Gwildis: Naja, die Schwierigkeit beim Rock'n'Roll ist ja, dass das mal eine Jugendkultur war und viele Stars inzwischen eben reifere Herren geworden sind, mittlerweile ja selbst oft Großväter. Da finde ich die Jugendattitüde manchmal schon ein bisschen komisch. Obwohl ich auch finde: Warum soll kein 80-Jähriger da stehen und ein Mörderbrett von einer Stratocaster in die Menge pfeffern? Warum sollte das nicht sein? Denn die Musik bleibt immer spannend. Weniger spannend ist es, ständig einen auf jung zu machen.

Als Soulkünstler hat man es da wahrscheinlich ein wenig leichter zu altern ...

Gwildis: In Würde gelingt das bei meiner Art von Musik wahrscheinlich besser. Da gebe ich Dir recht. Denn man kann auch in anderer Form mit den Dingen umgehen. Ich erinnere an Ella Fitzgerald, von der ich Alben kenne als junge Sängerin, bei denen sie wirklich alles abgrast, was da ist, keinen Ton auslässt. Und ich höre sie als alte Frau - wunderschön, gelassen. Sie muss nicht mehr jeden Ton treffen. Sie muss auch nicht mehr überall hin, nicht mehr an der Scala singen. Das finde ich sehr würdevoll, und das kann ich mir auch vorstellen. ~ Stefan Weber (teleschau)


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