Wo soll das noch hinführen? Was zum Teufel machen die denn jetzt nur? Und was bitte schön geht eigentlich in Johnny Borrell vor? Klar, man kann sich Razorlights "Slipway Fires" erneut mit einem großen Fragezeichen nähern. Sich daran erinnern (lassen), dass ihr Frontmann aus dem Umfeld der beim Britrock genreprägenden The Libertines kam. Dass das Debüt des englisch-schwedischen Quartetts 2004 bestens in den Indie- und New-Wave-Zeitgeist passte. Man könnte immer noch über die in jeder Hinsicht großen Schritte und Gesten, die Razorlight danach machten, verwundert sein. Oder versuchen, sich ihrem dritten Album unvoreingenommen zu nähern. ~ Stefan Weber (teleschau) aufklappen »
In Großbritannien verkauften sich Razorlight bereits millionenfach. Sänger Johnny Borrell gab sich fast schon mehr als Popidol denn als Rockstar. Er gilt dort wahrscheinlich auch wegen seines stets flamboyanten Auftretens - kein Live-Konzert kommt ohne seinen nackten Oberkörper aus, auf dem Cover von "Slipway Fires" zeigt er sich mit Perlenhalskette - nicht unbedingt als Kritikerliebling. Dass er dennoch ein guter Songwriter sein kann, wird gerne mal vergessen, die Band wird heruntergeschrieben.
Das ist auch mit dem dritten Album der Band geschehen, das in Großbritannien bereits Anfang November erschien. Zugebenermaßen ist "Slipway Fires" teilweise eine gewöhnungsbedürftige, manchmal auch etwas dürftige Angelegenheit. In erstere Kategorie fällt sicherlich der Piano- und Glamrock von Songs wie "Monster Boots" oder "Tabloid Lover", bei denen die pathetischen Gesten von Elton John, Queen oder gar Meat Loaf zitiert werden. Die allerdings nur einmal richtig hohl wirken: im völlig überzogenen "The House", in dem Borrell sich aufschwingt, um über die eigene Sterblichkeit zu philosophieren. So sehr, wie er sich nicht nur hier in lyrische Floskeln stürzt, mag man ihm das nicht abnehmen. Genauso wenig wie den dürftigen Versuch, mit "North London Trash" Oasis in rebellischer Haltung und mittelmäßigem Tempo nachzuahmen.
Aber das ist eben nur die halbe Wahrheit. Razorlight können auch anders. Sie können bessere, tolle Songs schreiben. Wie die Vorabsingle "Wire To Wire", die wunderbar gospelige Piano-Ballade. Oder das bodenständige rockende "You And The Rest", das an Bruce Springsteens Gänsehaut-Gassenhauer "I'm On Fire" gemahnt, und das düster-bluesige "Stinger". Und so ist "Slipway Fires" insgesamt - allen Zweifeln und Zweiflern zum Trotz - ein gelungenes Rockalbum. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.