Prinz Pi

"Die Uneindeutigkeit ist Prinzip"


Der Berliner Rapper Prinz Pi versucht sich vom Proll-Prinzip des deutschen HipHops abzugrenzen

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"Die Uneindeutigkeit ist Prinzip"

Der Berliner Rapper Prinz Pi versucht sich vom Proll-Prinzip des deutschen HipHops abzugrenzen

31.10.2008 2008 war ein gutes Jahr für den internationalen HipHop. Kidz In The Hall verbanden rätselhafte Raps mit fröhlichen, zerhackten Beats. Spank Rock zollten sowohl dem Oldschool-HipHop Respekt, entwarfen aber gleichzeitig einen nie gehörten, funky Sound. Und die Cool Kids sahen sich mit ihrer Haltung zwischen Indierock-Slackertum und Rap-Coolness als Vorreiter des Hipster-Rap. Diese Aufbruchstimmung scheint nun auch hierzulande auf fruchtbaren Boden zu fallen. Schließlich sah es in Deutschland so aus, als würde HipHop nur noch zwischen prolliger Provokation und Verbotsdiskussionen im Feuilleton stattfinden. Insofern kommt Prinz Pis Album "Neopunk" gerade recht, um zu zeigen, dass es textlich, konzeptionell sowie musikalisch noch eine Alternative im deutschen HipHop gibt.

Seine Vision geht aber - darauf legt Prinz Pi wert - in eine andere Richtung als die des Hipster-Raps in Amerika: "Da geht es doch trotzdem nur um Konsum, um geile Schuhe, die richtige Marke, auch wenn das dann Nike und nicht Louis Vuitton ist. Mir das einfach zu konsumfixiert." Was den 29-jährigen Berliner, der bürgerlich Friedrich Kautz heißt, trotzdem mit solchen Rappern verbindet, ist der Blick über den HipHop-Tellerrand. Und das fällt bekanntlich dort besonders schwer: Keine Musikkultur lebt so sehr von allgemeinen Verhaltenskodexen, die von Kleidung über Sprache bis hin zu Bewegungsabläufen detailreich reglementiert sind. Dort wo sich die Hipster-Rapper stylishe Geeks, die scheinbar gerade in Mode sind, zum Vorbild nehmen, möchte Prinz Pi aber viel lieber ein kluger Entertainer sein. Damit das funktioniert, hat er sich aus den üblichen Szenen in der Hauptstadt zurückgezogen und sein Erscheinungsbild selbst in die Hand genommen.

Prinz Pi - E

Prinz Pi, der früher für verschickte Demos unter dem Namen Prinz Porno Absagen kassierte, weil die Labels seine Ironie nicht verstanden, präsentiert sich auf Pressefotos in klassischer Prollrappermanier, im Gespräch dagegen als höflicher Ex-Student. Nach dem Ende seines ehemaligen Labels "Royal Bunker" und seiner alten "Beat Fabrik"-Crew, hat er sich für einen neuen Karriereweg entscheiden: "Ich heiße zwar Prinz Pi, aber eigentlich sind das viel mehr Leute. Wir sind alle Freunde und kennen uns schon lange. Bis auf einen wohnen wir alle in Schöneberg." Und zwar in dem Teil des Berliner Bezirks, dem man am wenigsten ansieht, dass dort in den 80ern eine wilde Szene tobte. "Wir haben mit der Berliner HipHop-Szene eigentlich gar nichts mehr zu tun, " erzählt Prinz Pi, "Wir gehen nie in Clubs, treffen uns lieber in den Wohnungen unserer Freunde oder in den drei, vier Lieblingsrestaurants und Feinkostläden hier um die Ecke."

Im Prinz-Pi-Freundeskreis wird die Optik gemeinsam erarbeitet. Alle sind an der Signaturästhetik beteiligt, die ihren plakativsten Ausdruck im neuen Artwork findet: dem neongrünen Stern im modernisierten Agitprop-Look. Und um zu zeigen, dass Musik nicht die einzige Ausdrucksform ist, fand im Oktober in einer Galerie in Berlin-Mitte eine Ausstellung von Prinz Pi statt. "Ich interessiere mich für sehr vieles: für das, was in der Zeitung steht, was um mich herum passiert", sagt er. "Vieles finde ich nicht gut, anderes betrachte ich kritisch oder mag ich, und dann verwende ich das früher oder später auch."

So spiegeln die Texte Eindrücke aus dem Leben eines Ende 20-Jährigen aus Westberlin wider: Medienkritik, "Neun Live"-Call-In-Shows im Fernsehen, i-Pods und linke Demonstrationen. Die Raps sind präzise, und dass ihnen Leichtigkeit fehlt, wird zum entscheidenden Vorteil: Die Schwere verleiht Ernsthaftigkeit und Nachdruck. Die Intentionen sollen dem Hörer nicht auf einem Silbertablett präsentiert werden: "Es geht mir darum, einen Sinn hinter dem Sinn zu verstecken. Manches soll sehr deutlich sein, aber mir ist es auch wichtig, dass die Texte Gehalt haben, man später immer noch etwas entdecken kann. Die Uneindeutigkeit ist Prinzip." Die dicke Hose wird auf "Neopunk" nicht abgeleitet aus Geld, Brüsten und Autos sondern aus vermeintlich mehr Durch- und Überblick.

Um genau diesen zu beweisen und sich deutlich vom deutschen HipHop abzugrenzen, erklärt Prinz Pi denn auch Berliner Prolls wie Bushido und Fler zu Feindbildern. Und präsentiert sich lieber - auch dank seiner deutlich zur Schau getragenen Manieren - als eine neue Generation des liberalen, deutschen Bürgertums, nur eben durch den Style und die zusätzlichen Widersprüche der HipHop-Kultur geprägt. So ist es nur logisch, dass er bestimmte Aspekte der deutschen Kultur zu wenig gewürdigt sieht: "Es wird zu leicht übersehen, wie liebevoll manche Kulturprodukte in Deutschland gestaltet sind, zum Beispiel wird jede Serie und jeder Film synchronisiert. Ich finde das ist etwas sehr Besonderes und Schönes." Nicht zuletzt gibt er das künstlerische Arbeitstier, für das Deutschland im Ausland bekannt ist: "Zur Zeit bin ich manchmal 14 Stunden am Tag mit unserem Projekt beschäftigt."

Prinz Pi - P

Es ist Prinz Pi und seiner Crew anzurechnen, dass sie sich eine eigene Nische kreieren und die Spielarten des Raps erweitern wollen. Trotzdem ist "Neopunk" nicht das innovative, vielschichtige Werk geworden, das er selbst darin sieht: Die Fäkalsprache ist deutlich reduziert, die Angriffe sind gekonnter, die Plattitüden bleiben leider Plattitüden, auch wenn sie die eines Studenten und nicht eines Prolls sind. Von den Neuerungen im HipHop, wie sie derzeit in Amerika stattfinden, ist man in Deutschland leider immer noch weit entfernt, nicht zuletzt weil dort alte Grabenkämpfe, die Prinz Pi noch ausficht, endlich unwichtig geworden sind. ~ Nina Scholz (teleschau)


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