Wenn Prinz Pi im sehr großartigen "Gib dem Affen Zucker" Jay Z auffordert, die Bühne für ihn zu räumen, dann ist das bei aller Überhöhung gar nicht so weit weg von der Realität. Der Berliner hält sich von allen Szene-Kabbeleien fern - weil er über den Dingen steht, so scheint es. "Neopunk" ist eine Platte, die diesen Anspruch durchaus erfüllt. Der frühere Royal-Bunker-Rapper bleibt zwar dem auf "Donnerwetter" initiierten Gestus des verspult-klugen Outlaws treu, setzt sich aber durch ein extrem geschlossenes Klangbild und großartige Reime noch einmal von der Konkurrenz ab. ~ Jochen Overbeck (teleschau) aufklappen »
Dass Prinz Pi die Dinge ein bisschen anders meint, dass seine Liebe zur Verschwörungstheorie jeder Art eine ist, die man gebrochen sehen sollte, mag man schon daran erkennen, dass er eine politische Laufbahn in der Titanic-Politorganisation "Die Partei" einschlagen wollte. Seine Kandidatur für den Berliner Senat scheiterte zwar an fehlenden Unterschriften, ein nettes Statement ist's allemal. Dass er jenseits der Konventionen stattfindet, ist indes auch der Verdienst von Biztram: Pis Hausproduzent baut knacktrockene Technobeats, die nur selten analog aufgebrochen werden und Pi auch in anderen als der HipHop-Szene etablieren dürften.
"Meine Freunde sind wie Wasserwerke. Die klären das.", heißt es, später jedoch auch: "Wir haben keine Nachricht, was die Nachricht ist." Pi dekonstruiert Botschaften, arbeitet sich auf "Neopunk" durch ein Labyrinth aus Egotripping, Sozialkritik und diffuser Angst. Am schönsten sind aber die Ausflüge Richtung Storytelling: In "2030" wird Pi zum Rolling Stone, referiert seinen Kindern die Vergangenheit und baut so ein nicht nur beruhigendes Bild der Zukunft auf, in der der Schwarzwald nicht mehr existiert und Bilder sich prinzipiell zu bewegen haben. Dass da dann noch ein bisschen Familienblues eingebaut wird, gibt einen zusätzlichen emotionalen Anker.
Derlei Conscious-Töne werden aber an anderer Stelle eindrucksvoll niedergepoltert: "Wir bleiben immer anti" kommt mit durchaus handfesten Drohungen gegen die Gesellschaft, baut aber eben auch eine Botschaft auf. Das ist dann auch das, was von "Neopunk" am Ende bleibt: Pi beherrscht die Gratwanderung zwischen Provokation und sprachlicher Brillanz wie wohl kein anderer deutscher Rapper. Dass das musikalisch so großartig umgesetzt wurde, ist ein riesengroßer Glücksfall.