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"Heutzutage ist alles laut, das nervt!"


Soundtüftler Moby gibt sich auf "Wait For Me" entspannt und persönlich

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"Heutzutage ist alles laut, das nervt!"

Soundtüftler Moby gibt sich auf "Wait For Me" entspannt und persönlich

03.07.2009 Der Mann ist ein Allroundtalent. Ein Wanderer zwischen den musikalischen Welten. Ein Soundtüftler. Kunstexperte. Literaturliebhaber. Zudem ein engagierter Tierschützer und strenger Veganer. Die Floskel vom Mann mit den vielen Gesichtern - auf den 43-jährigen Richard Melville Hall alias Moby trifft sie tatsächlich zu. Denn er ist immer auch für eine musikalische Überraschung gut. So kehrt er nach seinem letzten Dance-Album mit "Wait For Me" wieder zum melancholisch-instrumentalen Pop zurück, der seine größten Hits auszeichnete. Und zeigt sich von seiner ganz persönlichen Seite, wie er im Interview verrät.

Bist Du eigentlich ein pünktlicher Mensch?

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Moby: Bin ich. Warum?

Naja, Dein Album heißt "Wait For Me".

Moby: Nun, ich habe Freunde, die kommen grundsätzlich zu spät, tun so als hätten sie den Termin vergessen. Sie sagen ständig Termine ab und legen sie um, oder sind einfach ein paar Tage verschwunden. Ich bin dafür einfach zu pflichtbewusst. Ich wünschte, ich wäre mehr wie sie. Wenn mich jemand auf seine Party einlädt, die um 10 Uhr beginnt, dann bin ich ein Typ der glaubt, es sei cool fünf nach zehn hinzugehen. Ich hasse es, das zuzugeben, aber ich bin auf jeder Party immer der Erste.

Wie peinlich.

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Moby: (lacht) Trotzdem traue ich mir zu, lernfähig zu sein. Aber ich bin nun mal so.

Auch typisch für Dich: Du schreibst wunderbare Musik, gibst einem Song dann aber den niederschmetternden Titel "Shot In The Back Of The Head". Warum der schroffe Kontrast?

Moby: Wenn ich an Instrumentals arbeite, weiß ich nie, wie ich sie nennen soll. Eines Abends saß ich mit Freunden zusammen, und wir unterhielten uns darüber, wie wir am liebsten sterben würden. Die meisten wollten friedlich einschlafen oder im Kreise ihrer Familie sanft dahinscheiden. Meine Freundin Alex jedoch sagte, sie wolle auf offener Straße sterben, durch einen Fremden, der ihr eine Kugel durch den Kopf jagt. Die Idee fand ich skurril, die hat mich irgendwie beschäftigt.

Auslöser zu "Wait For Me" war eine Rede des Regisseurs David Lynch der propagierte, Kreativität sei hervorragend, wenn sie frei von Kommerz sei. Aber steht man als Künstler nicht stetig in diesem Konflikt?

Moby: Ich bin in der glücklichen Lage, künstlerische Freiheit zu besitzen und trotzdem meine Rechnungen bezahlen zu können. Diesmal wollte ich nur meiner kreativen Seite vertrauen und mir um die kommerzielle Seite keine Gedanken machen. Wenn sich diese Platte verkauft - prima. Wenn nicht, auch nicht so schlimm.

Wie idealistisch. Du behauptest dieses Album sei deshalb viel persönlicher. Woran merkt der Hörer das?

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Moby: Die Texte sind persönlicher, sehr ehrlich, direkt und individuell. Das letzte Album war eine Spaßplatte, ein Dance-Album - eben nicht sehr persönlich. Doch diesmal geht es um mich, um Verletzlichkeit und persönliche Dinge.

Du hast neulich Deinen Laptop in Heathrow am Flughafen liegen gelassen - aber letztlich zurück bekommen. Wäre der Verlust eine Katastrophe für Dich?

Moby: Sicher. Es ginge mir dabei gar nicht um die etwa 3.000 unveröffentlichten Stücke, die da drauf sind, sondern vielmehr um mein Tagebuch. Scheiß auf die Songs! Aber in mein Tagebuch schreibe ich die allerprivatesten Dinge. Alles, was ich denke und fühle. Wenn das irgendwo draußen durch die Medien gehen würde, das würde mich ankotzen.

Würden dann auch dunkle Seiten von Moby bekannt werden?

Moby: Naja, wie bei allen Menschen gibt es Dinge, für die ich mich schämen würde. Oder die mir peinlich wären, selbst wenn sie vermutlich ganz normal sind. Und doch würde ich es nicht wollen, dass jemand diese Sachen liest, meine Gedanken über Angst oder Verletzlichkeit. Ich lebe in einer Stadt, in der jeder cool und erfolgreich ist, furchtbar tough, erfolgreich und zielorientiert. Das ist natürlich nicht wahr und nur eine Fassade, weil sich jeder so präsentiert. Nur, ich denke, ich sei der einzige Mensch in New York, der all das nicht ist, der Ängste hat, der sich nicht wohl fühlt. Aber selbst der coolste Gangsta-Rapper hat irgendwelche Ängste und ist vermutlich ein ganz lieber Kerl, der samstags seinen Rasen mäht. Am Ende sind wir emotional gesehen doch alle gleich.

Aber wie sieht es denn in Dir aus? Man kennt Deine Musik, weiß aber kaum was über Dich. Was für ein Typ ist Moby?

Moby: (lacht) Ich weiß es nicht. Wie jeder in New York war auch ich in Therapie. Ich habe die ersten sechs Monate nichts anderes gemacht als mein Leben zu beschreiben. Dann sagte mein Psychiater: "Und was ist mit Ihren Emotionen, Gefühlen?" Da fiel mir auf: Ich schreibe Blogs, poste immerzu irgendwas und gebe laufend Interviews. Aber gebe ich damit zwangsläufig etwas von mir preis? Ich bin eine Niete darin, meine Gefühle in Worte zu fassen. Dafür ganz gut darin, meine Gefühle über Musik auszudrücken.

Du hast das Album allein aufgenommen, also im Do-It-Yourself-Gedanken, der aus der Punk-Zeit stammt?

Moby: Genau. Alle meine Lieblingsplatten dokumentieren diese Art der Performance. Wenn ich Blind Willie Johnson höre: Nur Gitarre und Gesang - klasse. Oder Billie Holiday. Und natürlich die Sex Pistols. Es geht nicht um Perfektion. Das Studio ist ein Werkzeug, mehr nicht. Ich hasse Perfektion. Ich will Fehler, Durcheinander, Nebengeräusche.

Die Beats stehen diesmal im Hintergrund, einige Songs kommen fast ohne Drums aus. Ist ein Album ohne Rhythmus nicht unsexy?

Moby: Jedenfalls nicht sehr modern! (lacht) Ich wollte das, damit es nicht wie ein Album aus dem Jahr 2009 klingt. Es gibt heute keine Dynamik mehr, keine Subtilität, keine Feinheiten. Alles dröhnt nur im Radio. Hör dir dagegen mal alte Beatles-Platten an: Es gibt ruhige und laute Passagen in ihren Songs. Diese Musik lebt, sie hat Raum, besitzt Lebendigkeit. Wenn ich heute MTV schaue oder das Radio einschalte, werde ich von der Produktion erschlagen. Heutzutage ist alles laut. Das nervt!

Es gibt Leute die meinen, Dein Album habe den Effekt einer Schlaftablette.

Moby: Klar wünsche ich mir, dass mir ein Album gelungen ist, dem die Leute zuhören. Und natürlich auch, dass sich die Leute das Album von Anfang bis Ende auf einmal anhören. Aber ich weiß auch, dass viele Menschen Schwierigkeiten mit dem Einschlafen haben. Wenn ich diesen Menschen helfen kann - sehr gerne. ~ Stefan Woldach (teleschau)


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