Of All the Things

Und diese oft mühevolle Reise in die Vergangenheit, die stetige Bereitschaft Samples aus Latin, Soul, HipHop, Jazz und Rare Groove zu heben und mit abstrakten und geraden, elektronisch erzeugten Beats für eben jenen Clubkontext urbar zu machen, ist nun an einem vorläufig glücklichen Ende. Denn auf "Of All The Things" erfinden Jazzanova nicht mehr nur, sondern finden in ihrer Musik, im Nachhall der von ihnen geschätzten Genres vor allem eines: Seele. Oder anders ausgedrückt: einen organischen Sound, der seine Herkunft nicht mehr erklären muss.

Geschuldet ist dies sicherlich zum Großteil einer veränderten Herangehensweise. So spielen Samples auf "Off All The Things" nur eine untergeordnete Rolle, einige Beats kommen noch aus dem Rechner. Fast alles andere ist live eingespielt, das Album wurde explizit mit dem Ziel komponiert, später auch auf der Bühne mit echten Instrumenten umgesetzt zu werden.

Die seidigen Philly-Soul-Streicher im schmissigen "Let Me Show Ya", die dunkelblauen Klavierakkorde in "Little Bird", die Latin-Jazz-Bläser in "Lucky Girl" kommen mit Echtheitsgarantie daher. Und mit seelenreicher Tiefe. Was auch für die ansehnliche Schar von Gast-Vokalisten gilt. Die einzige Ausnahme bildet US-Rapper Phonte, mit dem Jazzanova auf "So Far From Home" ihren HipHop-Wurzeln nachspüren. Aber auch dessen MC-Skills stehen dem Album gut zu Gesicht. Denn einerseits erkundet das Kollektiv abwechslungs- und überkreuzungsreich einzelne Genres, schafft es aber auch durch einen durchgängig-weichen, alles vereinenden Soul-Flow, dass "Of All The Things" immer wieder an Marvin Gayes Album "What's Going On" erinnert.

Sicher ist Jazzanovas zweites Album nicht annähernd so bewusstseins- und konzeptionell aufgeladen wie Gayes Meisterwerk. Aber das Konzept, das sich die sechs Berliner ausgedacht haben, geht voll auf, löst ihre Musik aus jeglichem Clubkontext. Und so ist "Of All The Things" streng genommen die erste Jazzanova-Veröffentlichung, die man sich auch in den heimischen Plattenschrank stellen will. Und auf gesamter Albumlänge von 52 Minuten hören will.