Iggy Pop

Ein Boxer nach der 15. Runde


Punklegende Iggy Pop macht auf "Préliminaires" Jazz und Pop

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Ein Boxer nach der 15. Runde

Punklegende Iggy Pop macht auf "Préliminaires" Jazz und Pop

15.05.2009 Viele seiner Art gibt es nicht. Die exzentrische Punklegende Iggy Pop, auch Frontmann der wiedervereinigten Stooges, darf tun und lassen was er will, musikalisch wie auch im Interview. Beim Gespräch hat er scheinbar einen besonders vergnügten Tag, zumindest lacht er sehr viel. Dabei macht Pop jetzt jazzigen Düster-Pop, lässt sich vom eloquenten Skandalautor Michel Houellebecq inspirieren und singt - beziehungsweise spricht - auf seinem Album "Préliminaires" (zu deutsch: Vorspiel) französisch. Auch sonst ist Iggy Pop eigentlich melancholisch, behauptet er. Alleine schon deshalb, weil es so eine verdammte Plagerei ist, den eigenen, mittlerweile 62-jährigen Körper in Schuss zu halten.

Iggy Pop: Worüber möchtest Du sprechen?

Iggy Pop - E

Gerne darüber, warum auf dem Cover eine Frau und der Tod ein Glas Wein teilen.

Pop: Ja, das ist so. Das Bild stammt von Marjani Satrapi, der "Persepolis"-Autorin. Ich habe mich ja mit ihr getroffen, als sie an einer englischen Version Ihres Films arbeitete ... Diesen Sommer mache ich in Berlin noch einmal etwas für sie, ich werde einen Todesengel spielen, eine wiederkehrende Aufgabe für mich (lacht).

Ein anderes Buch, Michel Houellebecqs Roman "Die Möglichkeit einer Insel", hat Sie zu Ihrem Album inspiriert.

Pop: Ja, ich sollte nur eine kleine Sache für eine Dokumentation über ihn machen. Doch seine Zukunftsvisionen haben mich nicht losgelassen. Der Roman ist so schön geschrieben, in einem sehr frischen Stil, der einen direkt anspricht.

Iggy Pop - J

Empfinden Sie Houellebecq als Provokateur?

Pop: Das ist er für viele, nicht für mich. Ich werde immer wieder gefragt, ob ich mit ihm übereinstimme. Er sagt sehr oft die Wahrheit, eine Wahrheit, die viele nicht hören wollen. Außerdem ist er ein sehr guter Entertainer, weiß seine Bücher gut zu verkaufen. Ich kenne allerdings nur dieses eine, das ich sehr romantisch und seelenvoll finde. Es stellt gute Fragen. Zum Beispiel die, wer es denn verdient hätte, ewig zu leben.

Fällt Ihnen jemand ein?

Pop: Nein (lacht und lacht), nein, vielleicht mein Hund. Der sympathischste Charakter im Buch ist auch der Hund, auf ihm liegt der Fokus. Und es passiert ja sehr oft, dass ein Tier eine Beziehung zusammenhält. Das ist dann so, ein Paar hat einen Hund. Er mag sie nicht, aber den Hund. Sie mag ihn nicht, aber den Hund. Der Hund mag sie beide. Und so bleiben sie zusammen, verstehst Du? Kennst Du solche Beziehungen?

Zumindest habe ich bemerkt, dass die enge Beziehung zwischen Hund und Mensch in Ihrem Song "A Machine For Loving" thematisiert wird.

Pop: Im übertragenen Sinn ist ein Hund nichts anderes als eine Liebesmaschine, du stellst ihm einen Menschen vor - und ganz egal wie hässlich (Pause), pervers, entstellt oder dumm der Mensch ist, der Hund erfüllt seine Mission ihn zu lieben. Er liebt dich. Immer wenn ich diese Textzeilen lese, würgt es mich ein wenig. Das ist eine so wahre Erkenntnis. Auch mein Hund hat keinen Grund mich zu lieben.

Iggy Pop - \"

Was ist der größte Vorteil daran, ein Hund zu sein?

Pop: Ein schmales Ego. Mit einem kleinen Ego kommt man auf der Welt besser klar.

Neben der Liebe geht es im Buch und auf Ihrem Album um das Altern und den Tod. Setzen Sie sich mit diesen Themen ohne Probleme auseinander?

Pop: Was den Roman betrifft: Sie können klonen, aber keine Persönlichkeiten kreieren. Liebe gibt es nur nach Vorschlägen aus dem Computer, es hat auch keiner mehr Sex. Es ist wie tot zu sein, aber dennoch zu existieren. Also ein wenig anders als das Konzept, das ich vertrete, ich habe wenigstens eine Geschichte, wenn ich sterbe.

Iggy Pop - I

Wie sehr lieben Sie noch das Leben?

Pop: Also an manchen Tagen haut es mich nicht aus den Latschen (lacht). Das sind dann diese (imitiert eine Computer-Fehlermeldung) "Akzeptiere es oder lass' es eben"-Momente. Deswegen bin ich wohl in Miami gelandet. Ich habe so viel Dunkelheit in mir - da hilft es, an einem Swimming Pool zu sitzen, der mir gehört. Und eine Palme zu sehen und einen fluffigen weißen Hund um sich herumspringen zu haben (lacht). Das ist nicht viel, aber genug, um sich besser zu fühlen.

Sind Sie so melancholisch, wie die Songs klingen oder so witzig, wie Sie heute scheinen?

Pop: Ich bin ein sehr melancholischer Mensch, aber es gibt einen Ort für jedes Ding. Ich möchte nicht in diesem Gespräch meine Melancholie über Dich stülpen. Das gehört nicht unbedingt hierher.

Hören Sie mittlerweile auf andere Leute, was geschäftliche oder musikalische Entscheidungen angeht?

Pop: Zuhören tue ich, aber ich fälle meine eigenen Entscheidungen. Ich werde ja auch von niemandem gemanagt. Doch, ich höre zu, denn es gibt eine Menge Leute um mich herum, die schlauer sind als ich.

Gab es jemanden, der empfahl, dieses Album zu veröffentlichen?

Pop: Ich hätte es bei diesem kleinen Projekt für die Dokumentation belassen können, einen Song schnell auf der akustischen Gitarre einspielen, das Geld einstecken (lacht). Aber ich hatte ein Verlangen, das größer zu machen. Allerdings nicht für die amerikanische Plattenindustrie. Ich habe das hinter dem Rücken der Amerikaner den Franzosen angeboten, die mich adoptiert haben für dieses Projekt (lacht). Was "Préliminaires" betrifft, bin ich kein amerikanischer Künstler, sondern Franzose.

Sprechen Sie denn wenigstens französisch?

Pop: Wir können leider nicht übers Wetter reden, aber ich kann mir Frühstück bestellen.

Nicht nur aufgrund der Sprache wirkt das Album sehr seriös. Empfinden Sie das auch so?

Pop: Der Ton des Albums ist ein ernsterer, was nicht heißt, dass es mit mehr Umsicht geschrieben wurde als etwas, das ich vor zehn Jahren verfasste. Besonders, was die Texte angeht, war ich immer ehrgeizig - und in 20 Prozent der Fälle erfolgreich. "Lust For Life" oder "Passenger" etwa gehören sicher zu den besseren der rund 300 Songs, die ich aufgenommen habe in meinem Leben. Was jetzt passiert, ist ein Schritt in eine neue Richtung, aber noch ein wenig zu dünn für eine neue Ära. Deswegen bin ich mit dem Titel "Vorspiel" so zufrieden. Einige Songs sind sehr ernst, und auch anspruchsvoller für die Stimme.

Haben Sie Ihre Stimme trainiert dafür?

Pop: Ich mache ja schon 20 Jahre so was wie Tai Chi, das auf einer tiefen Atmung basiert, ich atme in meine Eier. Wenn du in die Hüfte atmest, gibt das einen stärkeren Klang. Nebenbei rauche ich auch nicht mehr, kein Gras, kein Hasch, keine Zigaretten. Dein Körper braucht zwar sieben Jahre, um sich zu erholen, aber ich höre meiner Stimme an, dass sie seither kräftiger wurde. Ich habe mehr Energie, klinge besser als mit 50.

Komisch, immer wenn ich damit aufhöre, geht es mir so schlecht, dass ich wieder anfange.

Pop: Ja, du bist einfach zu jung, Baby.

Sie hatten ja letzte Woche Geburtstag. Alles Gute nachträglich zum 62. - Haben Sie schön gefeiert?

Pop: Yeah!! Ich war einen ganzen Tag lang am Strand mit einer wunderschönen Frau ... mit meiner.

Sagen Sie, war das Revival der Stooges neben der guten Partys nicht auch anstrengend - gerade in Ihrem Alter?

Pop: Die letzten fünf Jahre waren beides, aber ich habe sowohl persönlich als auch auf meine Karriere bezogen ganz viel gewonnen. Es war ein Erfolg, hat Kohle gebracht, aber manchmal fühle ich mich auch wie ein Boxer nach der 15. Runde.

Was ist das Schlimmste daran, über 60 zu sein?

Pop: Du siehst andere, die 35 oder 40 sind, einen totalen Mist machen, und denkst dir: Mann, du bist zu jung, um es zu begreifen (lacht), aber noch schlimmer ist, Menschen, die so alt sind wie ich zu erklären, wer ich bin, was mich ausmacht. Das ist noch wesentlich aussichtsloser, weil ich nicht in die Vorstellungen anderer passe. Und schließlich: Es ist ein Scheißaufwand, den Körper fit zu halten! Ich muss mir gegen Parodontose Zahnseide zwischen die Zähne schieben. Mann, sag mir, wer will sich Iggy Pop mit Fäden zwischen den Zähnen vorstellen? ~ Claudia Nitsche (teleschau)


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