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Akuma exklusiv: Helloween im Interview


"...da fließt auch mal eine kleine Träne."

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Akuma exklusiv: Helloween im Interview

"...da fließt auch mal eine kleine Träne."

19.02.2010 Seit über 25 Jahren ist die Rock-Metal-Band aus Hamburg eine feste Größe im Musikzirkus. Mit dem Album "Unarmed" wagten Helloween nun auch den Sprung in klassische Gefilde.

Mit Akuma sprachen Sascha Gerstner und Michael Weikath über das neue Album, Abzocke, musikalischen Diebstahl und alte Rock-Klischees.

Akuma: Anlässlich Eures 25. jährigen Jubiläums erschien am 29. Januar Euer Album "Unarmed - Best Of 25th Anniversary". Warum der Titel "Unarmed"?

Michael Weikath: Das hatte Andi Deres (Sänger Helloween) aufgebracht. Wir wussten erst nicht, ob wir das nun unplugged oder verlost nennen. Dann schlug Deris "Unarmed" vor und das fanden wir alle ganz cool.

Akuma: Ich habe gelesen, dass das Album als ein Geschenk an Eure Fans zu verstehen ist?

Michael Weikath: Klar. Wir wollten uns aber auch selbst einen Gefallen tun.

Akuma: Was heisst das?

Michael Weikath: Naja, wir wollten uns eigentlich eine Pause gönnen. Dann kam der Manager auf die Idee wir müssten oder könnten jetzt - zum 25-jährigen Jubiläum - nochmal etwas machen. Dann haben wir angefragt, ob man nicht ein Re-Recording machen könnte. Und dann waren dort Produzenten und Arrangeure involviert und wir haben was gespielt. Aber der Aufwand war ein anderer...

Sascha Gerstner: Naja... (lächelt) Im Grunde war es schon fast ein größerer Aufwand als ein normales Studioalbum.

Akuma: Welchen Extra-Aufwand musstet Ihr betreiben?

Sascha Gerstner: Zum einen war das nicht unsere gewohnte Studio-Arbeitsweise. Wir mussten uns überlegen welche Titel wir machen, wie wir sie machen usw. Dann sind wir viel gereist (u.a. in die Tschechoslowakei) und es waren eine Menge Arrangeure beteiligt.

Akuma: Wie hat es sich denn als Rock-Metal Band angefühlt mit einem 70 Mann starken Orchester zu arbeiten?

Sascha Gerstner: Das war auf jeden Fall etwas total Außergewöhnliches. Wir haben natürlich einen Produzenten der sich darum kümmert, dass alles zusammenbleibt und funktioniert. Für uns als Band war das eher etwas sehr Denkwürdiges. Erstmal dieser riesen Konzertsaal und dann spielt das Orchester natürlich Titel die Du kennst und da fließt auch mal eine kleine Träne (lächelt). Da kommt einfach eine ganz andere Energie rüber.

Akuma: Wie geht Ihr denn generell mit Euren Fans um? Gibt es Fans die Euch, nach all den Jahren, schon gut bekannt sind und die Ihr auf Anhieb erkennt?

Sascha Gerstner: Da kommt immer darauf an, wie sie mit einem selbst umgehen. Also ich persönlich halte das so wie ich das mit jedem Menschen mache. Wenn mir einer dumm kommt, dann mag ich mich mit dem nicht abgeben. Manchmal kommt sowas auch vor. Aber die meisten sind ja sehr nett und dann freut man sich natürlich und ist genauso freundlich. Es wäre ja doof, wenn man als Band bekannt ist und kein Schwein erkennt Dich.

Michael Weikath: (lacht)

Sascha Gerstner: Also wenn Fans nett und lieb sind und einen nicht andauernd antatschen, dann ist das okay. Im normalen Leben fasst Dich ja auch keiner einfach so an. (lächelt)

Akuma: Wie ist das bei Dir Michael?

Michael Weikath: Das ist recht ulkig, weil man überall immer mal wieder Fans trifft. Egal wo Du bist. Ich wundere mich dann immer wie die mich erkennen, weil ich nun nicht so herausstechend aussehe. Aber man wird immer mal wieder irgendwo erkannt und mich freut es auch, wenn alle nett und umgänglich sind, dann kann man auch mal ein entspanntes Pläuschchen halten. Der Effekt ist im Grunde immer der, dass man oft irgendwo hinkommt, wo man nie war und trotzdem nie allein ist. Fast so als wäre man überall Zuhause. (lächelt)

Sascha Gerstner: Es kommt aber immer drauf an, wo man gerade ist. Das ist von Land zu Land verschieden.

Akuma: Wie ist denn der Unterschied zwischen Euren Deutschen Fans und Fans aus Lateinamerika?

Sascha Gerstner: Naja, also die deutschen Fans erkennen Dich aber sagen nichts (lacht). In südlicheren Gefilden oder auch im Osten sind die Menschen einfach etwas offener.

Akuma: Habt Ihr eigentlich noch immer das Gefühl gegen Heavy-Metal Klischees ankämpfen zu müssen?

Sascha Gerstner: Ja, muß man.

Michael Weikath: Also ich versteh' das Thema sowieso nicht, weil ich fand wir waren immer eine Rockband. Ja und den Ausdruck "Heavy Metal" haben wir dann auch genutzt. Wenn man es mal nüchtern betrachtet ist es so, dass wenn Du verzerrte Gitarren hast, dann bist Du schon eine Rockband. Ach - diese ganzen Kategorien immer...(lächelt) Heutzutage heisst für mich Heavy Metal auch etwas völlig anderes als das was wir machen. Ich würde sogar sagen, dass wir eine Rock-Pop-Metal Band sind.

Sascha Gerstner: Die Grenzen verschwimmen immer mehr. Ich würde mir allerdings auch von den Heavy Metal Fans teilweise etwas mehr Offenheit wünschen und dass sie ihre Scheuklappen ablegen. Metal, Rock Musik, alles cool. Dann hätte man vielleicht auch als internationaler Act die Chance woanders hinzurutschen, weil es dieses extreme Schubladendenken nicht mehr gebe.

Akuma: Seit Bestehen von Helloween gab es eine enorme Fluktuation innerhalb der Bandbesetzung. In diesem Line-Up spielt Ihr bereits seit sechs Jahren zusammen. Würdet Ihr sagen, dass Ihr Euch in dieser Besetzung final gefunden habt?

Michael Weikath: Ja, das wollen wir hoffen. Also weisst Du das ist ein solcher Stress Leute rauszuschmeißen. Man hatte ja immer Gründe, wenn man den Mann nun unbedingt in der Band haben wollte und es gab aber auch immer Gründe, warum man sich dann getrennt hat. Und mit den Charakteren die jetzt zu Helloween gehören, passt es einfach sehr gut.

Akuma: Sascha, Du bist mit 25 Jahren zu Helloween gekommen. Wie war das damals für Dich als Jungspund zur Band zu stoßen?

Sascha Gerstner: Genau, ich kam mit 25 zu Helloween und saß bis dorthin noch nicht einmal im Flugzeug (lächelt). Und dann ist da plötzlich die große weite Welt und alles geht von 0 auf 100, Du stehst in Südamerika und spielst vor großem Publikum. Da habe ich erst realisiert, dass man sowohl ein großes Ego braucht als auch fähig sein musst die ganzen Eindrücke zu verarbeiten. Wenn man zum Beispiel ein eher kleines Selbstbewusstsein hat, dann ist es die Gefahr in der Musik sicher größer, dass man wie andere versucht sowas mit Drogen oder Alkohol zu verarbeiten. Wichtig ist aber immer, wie gut man miteinander kommuniziert. Dann kann man auch mal anderer Meinung innerhalb der Band sein. Außerdem steht Helloween auch für Humor (lächelt).

Akuma: Wie fühlt es sich heute für Euch an, wenn Ihr auf die Geschichte der Band und Eure Erfolge zurückblickt: Mehr als 5 Mio. verkaufte Alben, 14 Gold und 6 Platin-Auszeichnungen, Welttourneen durch aller Herren Länder, auch mit Iron Maiden und anderen namhaften Metal-Größen?

Michael Weikath: Also ich muß sagen, dass das alles an mir vorbeigeht, weil wir von den Erfolgen von damals nichts hatten. Außer dass es uns die Existenzgrundlage für das weitere Bestehen der Band geblieben ist. Ich sag's einfach mal wie es ist: unsere Verträge waren so k*cke, dass jeder von uns - also zum Zeitpunkt als wir am berühmtesten waren - monatlich 2.500 DM verdient. Also reine Abzocke was da passierte. Tja und andere Leute mit guten Verträgen kaufen sich dann Villen mit Swimmingpool, einen schicken Rolls Roys und so weiter...

Akuma: War das alles Eurem alten Label "Noise" geschuldet, mit dem Ihr Ende der Neunziger Jahre immense Probleme hattet?

Michael Weikath: Also Noise hat uns damals so ausgenommen, dass wir im Vergleich wirklich gar nichts vom Erfolg hatten. Ich meine 46 Millionen DM Umsatz werden sie mit uns gemacht haben. Wir hatten im Vergleich dazu vielleicht 2 Millionen DM erhalten. Die dann natürlich aufgefressen wurden von Tourkosten usw. Das war die totale Abzocke.

Akuma: Inwieweit hat Euch das als Band verändert - was habt Ihr aus diesen Rückschlägen gelernt und seid nun auch besser im Bilde über vertragliche Angelegenheiten?

Michael Weikath: Im Grunde genommen ist es so dass Du jeder Zeit trotzdem wieder irgendwo reinrasseln. Es kann immer sein, dass Du in Situationen kommst, die Du nicht überschauen kannst und dann passiert sowas. Ich muß aber dazu sagen, dass wir damals schon die Möglichkeit hatten zu bestimmen was um uns herum passiert. Aber wir waren einfach auch so drauf, einfach diesen Vertrag zu nehmen oder es zu lassen. Später gab es dann einen Punkt als ich einen bestimmten Vertrag nicht unterzeichnen wollte, wurde aber quasi dazu genötigt.

Akuma: Von wem denn?

Michael Weikath: Naja schon von der damaligen Bandbesetzung, die mich allerdings für arrogant hielten (lächelt). Ich war der Meinung wir hätten schon etwas mehr verdient für das was wir tun. Ihnen war aber nur wichtig, überhaupt den Vertrag in der Tasche zu haben und dann hat es sich eben so ergeben, dass ich unterschrieb. Was will man da auch machen?

Akuma: Was bringt Euch im Zusammenhang mit der Musikindutrie auf die Barrikaden?

Sascha Gerstner: Diebstahl. Also Filesharing aber auch Piraterie mit falsch gepressten CD's aus sonstwo. Das ist aber das, was viele nicht verstehen. Wenn man einen Mercedes Benz haben will, sich den aber nicht leisten kann, dann spart man eben drauf hin.

Akuma: Also sollen User auch auf Musik und Alben hinsparen, statt sie illegal herunterzuladen? Glaubst Du dass das funktionieren kann, wenn Alben und Musik im Vergleich zu Autos schnell an Aktualität verlieren?

Sascha Gerstner: Naja, Du gehst doch auch nicht in den Laden und sagst 'also ihr habt ja nun die Tür aufgelassen, also her mit dem Benz', oder? Das Bewußtsein des Einzelnen muß einfach wieder generiert werden.

Akuma: Also ist Dir der Zugang zur Musik durch das Internet zu leicht und dadurch die Wertigkeit vermindert?

Sascha Gerstner: Ja so ist es. Einerseits ist es toll, dass man in alle Ecken der Welt Menschen und Fans mit seiner Musik erreichen kann aber andererseits sorgt diese "offene Tür" dann oft genug dafür, dass Menschen Musik stehlen. Es ist ja so einfach. Was diese Menschen allerdings nicht verstehen, und da würde ich mir wünschen sie würden es mal begreifen ist, dass das tatsächlich Diebstahl ist. Immerhin konsumieren sie ja auch etwas. Alles andere was sie konsumieren müssen sie ja auch bezahlen. Und das was konsumiert wird, muß ja auch produziert werden. Wir sind ja nicht nur eine Rockband sondern auch ein Produkt. Wir müssen "leben", damit wir Songs schreiben können, wir haben ein Management, das wir bezahlen müssen, einen Tourbus der Geld kostet und all das kostet soooviel sche*ß Geld, das kannst Du Dir nicht vorstellen.

Akuma: Hast Du denn einen Lösungsvorschlag?

Sascha Gerstner: Ich denke, dass man in der Hauptsache wirklich das Bewusstsein der Menschen wieder schärfen muß. Jedem muß klar sein, dass er sich damit strafbar macht und er ggf. einen auf den Deckel kriegt. Prinzipiell müsste der Gesetzgeber aber härter vorgehen, damit sich das Bewusstsein dafür wieder entwickeln kann. Diebstahl bleibt Diebstahl, egal ob es der Mercedes Benz oder die Musik ist.

Michael Weikath: Oma's die Handtaschen klauen macht ja auch nicht jeder nur weil man es theoretisch könnte.

Akuma: Hoffentlich nicht...

Michael Weikath: Da sagt dann plötzlich jeder 'Ohh - die arme Oma' aber 'Ohh - der arme Musiker' hab ich noch nie gehört.

Sascha Gerstner: Klar hat man als Kind und Jugendlicher früher auch immer gedacht, dass Musiker und Bands, sobald sie eine Platte veröffentlicht haben, gleich Millionäre sind. (lächelt) Ist natürlich völliger Quatsch aber das Denken ist geblieben und das Konsumverhalten hat sich entgegengesetzt verändert.

Akuma: Gibt es eigentlich, im Zeichen der Zensur, noch künstlerische Freiheit?

Sascha Gerstner: Nein, die gibt es nicht. Das ist zumindest immer mehr mein Eindruck. Nur das was funktioniert, profitorientiert und kommerziell genug ist, das ist mehr oder weniger "freier".

Michael Weikath: Da gibt es dann Gremien, die Dinge völlig aus dem Zusammenhang beurteilen und Dich dann totschweigen oder radikal zensieren. Ich bin ja auch für Zensur aber nicht so wie sie teilweise stattfindet. Vielleicht gefällt den ein oder anderen einfach auch nicht, dass wir so aufmüpfig sind. (lächelt) Ist doch aber komisch, dass das Lied "F*ck You" von diesem Mädel (Lily Allen) wieder völlig in Ordnung ist. Kooomisch, oder? Also ich finde den Song auch ganz gut, warum auch nicht verdammt nochmal. Ist doch nicht schlimm... (lächelt)

Akuma: Das Video zu "Dr. Stein" zeigt Euch optisch von einer völlig anderen Seite. Im Anzug, mit Slips und Kragen, Hüten usw. Warum dieses Outfit - wessen Idee war das?

Sascha Gerstner: Das hat natürlich super zum Song gepasst, mit dem man Big Band und Jazz verbindet und natürlich auch den Style dazu. Es ist außerdem ein schöner Kontrast zu dem, wie wir sonst so sind.

Michael Weikath: Ja, das war ganz ulkig. Ich hatte zu unserem Manager gesagt, ob wir da nicht einen auf "Blues Brothers" machen wollen aber das hätte ich gar nicht zu sagen brauchen. Das war eh klar. Sogar der Script-Schreiber hatte das schon so im Kopf.

Akuma: Habt Ihr Euch nicht verkleidet gefühlt? Bzw. widerspricht das nicht dem Metal-Dasein?

Michael Weikath: Ach was. Ich hab auch diverse Anzüge im Schrank und trage auch gern mal solche Sachen. Wenn Du mit einem Anzug irgendwo hingehst, dann kann es natürlich trotzdem mal sein, dass Du overdressed bist.

Akuma: Was ist denn unangenehmer "over - oder underdressed" zu sein?

Michael Weikath: Beides ist nicht so toll aber mit underdressed kann ich eher leben.

Sascha Gerstner: Ich mag underdressed nicht, finde aber dass man das in seiner Freiheit darstellen dürfen sollte, was man möchte. Außerdem finde ich schon, dass man sich vor allem in der Schnelllebigkeit dieser Welt ruhig ein bischen majestätische Königlichkeit bewahren. Das alles kostet ja auch Zeit und geb mir ja auch Mühe mit meinem Glätteisen. (lächelt)

Akuma: Was plant Ihr für das Jahr 2010? Steht eine Tour an und gibt es schon offizielle Termine?

Sascha Gerstner: Also wir gerade in der Demo-Phase mit Songs die wir für unser nächstes Album planen, dass Ende des Jahres erscheinen soll. Schätzungsweise Oktober/November 2010 werden wir dann natürlich auch wieder auf Tour gehen.

Akuma: Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg für das nächste Vierteljahrhundert. ~ Katina Kampardina (akuma)


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