Heute auf dem Stundenplan: Aggro Berlin erklärt HipHop. "Die harten Texte sind nicht immer wörtlich zu nehmen, sondern dienen auch der Unterhaltung", steht im Booklet zu Flers drittem, selbstbetiteltem und damit natürlich schon irgendwie bedeutend erscheinendem Album. Mag sein, dass das so ein Rechte-Ding ist, vielleicht haben die Protagonisten des wichtigsten Hauptstadt-Labels auch keine Lust, immer wieder zu erklären, dass sie weder Frauenfeinde noch Hooligans noch homophob sind. Aber irgendwie wirkt's trotzdem lächerlich. Ein bisschen so, als ob Bud Spencer oder Terence Hill in einem ihrer Haudrauf-Filme plötzlich aus dem Fernseher treten und "Hey, wir prügeln uns in echt gar nicht so oft. Ist nur 'n Film" sagen würden. ~ Jochen Overbeck (teleschau) aufklappen »
Dass man das Verbalgepolter der Häuser Aggro Berlin, Ersguterjunge et cetera nicht unbedingt wörtlich nehmen muss, dürfte klar sein - dass Fler sich auf Album Nummer drei nicht vom Deutschen Bad Boy zum Conscious-Rapper wandeln würde, ebenfalls. So bleibt er nah bei seinen Kernkompetenzen. "Mach Dein Ding, represent!" heißt es in "Macht und Ruhm", einem Duett mit Sido. Dieser Tipp aus dem besten Track des Albums wird über die gesamte Spielzeit beherzigt. "Wir rappen, bis die Muschis explodieren", heißt es in "USW", wer da am Mic ist ("Südberlin Maskulin!"), wird wirklich oft genug erwähnt. Auf "Check mich aus" zeigt sich das auf die Art und Weise, die frühere Fler-Hits so prägnant machte, andere Stücke bleiben blass: So ist's auch im Jahr sechs nach Sidos "Mein Block" nur mäßig originell, mit "Meine Straße" und "Mein Haus" gleich zwei Mal Referenzen zu setzen, wobei die Madness-Bezüge in letzterem natürlich durchaus amüsant sind.
"Meine Gage verdopple ich bei Sportwetten" heißt es in "'Gangsta' Rapper". Eine der wenigen weiteren witzigen Stellen der Platte, aber eine der besten - weil sie klug aufgebaut ist und Fler hinreichend Unterstützung aus dem eigenen Stall bekommt. Musikalisch kann man diesem Album ohnehin nichts vorwerfen - die gewohnt tighte Produktion durch Aggro-Vertraute wie Beatzarre und Djorkaeff klotzt mit dicken Elektro-Beats und satt dramaturgischem Breitklang, an anderer Stelle ("Ich sing nicht mehr für dich") gelingt der Versuch, harten HipHop mit R'n'B zu kreuzen. Inhaltlich scheint der Aggro-Zug indes langsam auf dem Abstellgleis zu landen. Sieht man vom großartigen letzten Sido-Album ab, ist das einfach nur History Repeating. Die Zielgruppe wird sich daran freilich kaum stören. Die Eltern auch nicht, im Booklet wird ihnen ja erklärt, dass es alles nicht so gemeint ist.