Dennis Lisk

"Der deutsche HipHop ist in der Krise"


Denyo von den Beginnern wagt unter seinem bürgerlichen Namen Dennis Lisk den Neuanfang

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"Der deutsche HipHop ist in der Krise"

Denyo von den Beginnern wagt unter seinem bürgerlichen Namen Dennis Lisk den Neuanfang

10.07.2009 Dennis wer? Selbst eingefleischte HipHop-Fans dürften hilfesuchend in die Runde blicken, wenn man sie mit dem Namen Dennis Lisk konfrontiert. Zwei Silben reichen, um das Rätsel zu lösen: Denyo. Der Rapper von den Beginnern, klar. Doch so klar ist die Sache gar nicht mehr. Denn Denyo will nicht mehr Denyo sein und auch nicht mehr rappen. Er will singen. Und Gitarre spielen. Und überhaupt alles anders machen. Mit seiner Single "Lass los" bereitete der 32-Jährige seine Fangemeinde schon vorsichtig auf sein neues Ich vor, das er nun auf dem Album "Suchen & Finden" vorstellt.

Fällt es Dir schwer, loszulassen?

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Dennis Lisk: Selbstverständlich. Ich glaube, das geht jedem so. Würde es nicht schwerfallen, hätte es keine Bedeutung.

Was gilt es dabei zu beachten?

Lisk: Wenn man loslässt, sollte man konsequent sein. Nur dann kann man Neues entdecken. Doch allzu oft sollte man es auch nicht tun - ich will die Leute nicht dazu animieren, täglich irgendetwas aufzugeben. Es geht darum, sich von Vertrautem zu lösen. Von Beziehungen oder Gewohnheiten zum Beispiel. Von Dingen, die einem wichtig sind, aber leider destruktiv wirken.

So wie in Deinem Fall HipHop?

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Lisk: (lacht) Richtig. Solche Situationen meine ich.

Wann hast Du bemerkt, dass Du Dich von Deinem bisherigen Genre verabschieden musst?

Lisk: Vor etwa drei Jahren steckte ich in einer Sackgasse. Es war einfach frustrierend: Ich liebe HipHop. Ich habe mich zehn Jahre davon ernährt und mich ihm komplett hingegeben. Ich wusste auch, dass ich noch zehn Jahre genauso weitermachen könnte wie bisher, eben weil ich es immer tat und gut darin bin. Doch über kurz oder lang würde ich damit nicht glücklich werden - und die Leute damit auch nicht mehr glücklich machen.

Die Wendung "ehemaliger Rapper" im Pressetext zu Deinem Album hat also seine Berechtigung?

Lisk: Jein. Der Rapper steckt nach wie vor in mir, aber zum Album reichte es eben nicht. Ich brauchte einen neuen Zugang zur Musik, und ich musste mir den hart erarbeiten. Darum will ich nicht, dass "Suchen & Finden" als flüchtiges Projekt angesehen wird. Es ist eine Leidenschaft. Aber ich will nicht ausschließen, dass ich irgendwann wieder Lust bekomme, eine Rap-Strophe zu schreiben.

Beginner-Fans dürfen also aufatmen?

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Lisk: Jan, Mad und ich haben uns darauf verständigt, dass wir definitiv mal wieder ein Beginner-Album aufnehmen wollen, aber das ist momentan kein Thema. Wir sind schließlich alle gerade solo unterwegs.

Wird Deine Neuausrichtung künftig auch bei den Beginnern spürbar sein?

Lisk: In irgendeiner Form schon. Aber das wird sich spontan im Studio entscheiden. Vielleicht sehne ich mich genau dann wieder nach HipHop. Oder ich versuche, die Jungs zu etwas Ruhigerem zu überreden, mit Live-Instrumenten und allem. Wir werden sehen.

Wie lang spielst Du eigentlich schon Gitarre?

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Lisk: Ich fing mit 14 an, also theoretisch 18 Jahre - aber das wäre gelogen, denn sie lag mindestens 14 Jahre in der Ecke.

... bis Du über sie gestolpert bist?

Lisk: In etwa. Als ich meine Schreibblockade hatte, schaute ich im Studio, was da so alles rumliegt. Rechts waren paar alte Rasseln und Kongas, auf die hatte ich keinen Bock, und links eine verstaubte Gitarre, die mich irgendwie magisch anzog. Ich spielte wieder ein paar Akkorde, probierte ein wenig rum und die Rohversion eines Songs entstand. Da wusste ich, dass ich in diese Richtung weitergehen sollte.

Ist es schwierig, vom Rapper zum Songwriter zu werden?

Lisk: Es kam mir auf jeden Fall zugute, dass ich mich bereits intensiv mit Sprache auseinandergesetzt habe - gerade in Bezug auf Reime und Metaphern. Zudem weiß ich durchs Rappen, wie man ein trauriges Lied schreibt, ohne in Kitsch abzudriften. Aber einfach ist es dennoch nicht, das würde dem Prozess des Liedermachens nicht gerecht werden. Von der ersten Spielerei bis zum fertigen Song vergehen mindestens tausend Schritte.

Hast Du schon vorgefühlt, was Denyo-Fans zu Dennis Lisk sagen?

Lisk: Es gibt alte Rap-Fans, die wie ich ein offenes Ohr und Bock auf etwas anderes haben. Die feiern die neuen Lieder. Aber es gibt eben auch die, die HipHop von mir erwarten. Deswegen nenne ich mich jetzt auch Dennis Lisk und nicht mehr Denyo, um die Grenzen klar zu ziehen.

Wie reagierten Deine Kollegen?

Lisk: Jan und Mad waren vorgewarnt, sie wuchsen also in die Lieder hinein und fanden die Sachen, die ich ihnen vorspielte, so geil wie ich selbst. Aber die, die den Entstehungsprozess nicht bekamen, wie Dynamite Deluxe und die anderen Rapper aus dem Hamburger Umfeld, waren natürlich erst einmal baff. Es ist schließlich ein komplett neuer Sound.

Apropos Hamburger Umfeld, wie fielen eigentlich die Reaktionen auf Deinen Umzug nach Berlin aus?

Lisk: (lacht) Die waren relativ bescheiden, was mich sehr freute. Ich bin diesen ganzen Lokalpatriotismus in der Rapszene leid. Ich liebe Hamburg, das ist meine Stadt, dort bin ich geboren. Aber ich bin grundsätzlich ein universeller Typ. Patriotismus in jeglicher Form ist nicht mein Ding. Mich fragten tatsächlich viele Leute, was nun abgeht, warum Berlin, was mit "Hamburg represent" sei und so weiter. Ich fand Berlin einfach schon immer geil und nachdem ich 30 Jahre in Hamburg lebte, war es Zeit für einen Tapetenwechsel.

Was hat Berlin, was Hamburg nicht hat?

Lisk: Ich bin kein großer Freund von Pro-und-Kontra-Vergleichen. Hamburg hat einen wunderschönen Hafen, den es in Berlin nicht gibt. Berlin besitzt dafür historische Momente, die ich einfach krass finde. Die fehlen zwar auch Hamburg nicht, aber in Berlin waren sie intensiver. Was ich an Berlin momentan sehr genieße, ist, dass ich in diesem Pool von Menschen immer Leute finde, die sich für das interessieren, was mich selbst interessiert. Die Stadt besitzt eine unglaubliche Energie. Und: Die Mieten sind billiger.

Neuer Wohnort, neues Plattenlabel, neuer Stil - das klingt ein bisschen nach Lebenskrise ...

Lisk: Echt?

Zumindest ist es ein heftiger Einschnitt.

Lisk: Ja, das war es auf jeden Fall. Aber die Lebenskrise, die ich tatsächlich hatte, war zu diesem Zeitpunkt bereits vorbei. Doch das sind alte Geschichten, die nicht mehr aufgewärmt werden müssen.

Machst Du Dir Gedanken darüber, wie Dein neues musikalisches Ich bei der breiten Masse ankommen wird?

Lisk: Als ich mit der Sache anfing, schon. Aber ich entschied mich, die Sache durchzuziehen. Ich hatte in den letzten drei Jahren genug Zeit, mich auf die Reaktionen vorzubereiten und kann sie wohl mittlerweile ganz gut einschätzen. Ich weiß nicht, wie erfolgreich das sein wird, aber es ist ein sehr gutes Album, hinter dem ich hundertprozentig stehe.

Du bist nicht der Erste, der vom HipHop abkommt und zur Gitarre greift - Clueso hat den Wandel ebenfalls hinter sich. Ist es doch mehr eine Sinnkrise im HipHop als eine reine Privatangelegenheit?

Lisk: Ich frag mich momentan oft, wohin HipHop gehen wird. Wohin Musik im Allgemeinen gehen wird. Ich höre nur noch selten Songs, die mich kicken. Mir fehlt die Weiterentwicklung. Es ist mir mittlerweile fast peinlich, wenn ich durch die Stadt fahre und dabei laut Deutschrap höre.

Wieso?

Lisk: Der steht inzwischen fast nur noch für destruktive, dumme, ignorante Menschen. Doch der ganze Aggro-Berlin-Kram scheint mittlerweile nicht mehr so begehrt zu sein, nicht mehr der heiße Scheiß. Die Leute sind auch davon gelangweilt. Aber wenn alte HipHop-Hasen neue Platten rausbringen, hält sich die Euphorie auch in Grenzen.

Liegt das Problem bei den Fans oder bei den Machern?

Lisk: Das lässt sich schwer eingrenzen. Die Deutschrap-Fangemeinde ist noch immer da, aber die kauft keine CDs mehr, die youtubed nur. Und es gibt immer noch gute MCs und hochwertigen Output. Aber nichts desto trotz befindet sich der deutsche HipHop in der Krise. Und ich sehe momentan keinen Weg, diese abzuwenden. ~ Annekatrin Liebisch (teleschau)


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