White Lies for Dark Times

Auch auf seinem neuen Album zeigt Harper wieder seine zwei Gesichter, das fröhliche, aufbrausende, verführerische und das melancholische, nachdenkliche, manchmal grüblerische. Harper ist ein Freund der Schwarz-Weiß-Malerei, doch die betreibt er äußerst facettenreich.

Auf "White Lies For Dark Times" bereichert er sein Repertoire um eine weitere Facette. Zwar gibt es alte Bekannte wie Wurlitzer-Piano, Slide-Gitarre, Tamburin, auch Funk und Soul schauen wieder vorbei, doch schlüpfen sie hier in ein auffälliges Kostüm aus purem Rock'n'Roll. Eigentlich ist es kein Kostüm, denn das neue Gewand sitzt perfekt wie eine zweite Haut. Weniger Blues, schon noch Funk, dazu aber reiner 100-prozentiger Rock'n'Roll - kein Pop-, Indie-, Alternative-, Punk- oder sonst wie Rock, sondern einfach nur Rock'n'Roll, wie er in den 70-ern klang. Die Texte sind wie immer Kleinode der Poesie, doch untermalt werden sie diesmal von motzenden, heulenden und ausgedehnten Gitarrensoli.

Es ist ein lautes und starkes Gebräu, das Ben Harper And Relentless7 da einschenken. Manch einem, der so verliebt war in Harpers bluesige Balladen von der einen Seite von "Both Sides Of The Gun" oder in den sanfteren Sound von "Lifeline", dem dürfte es zu Beginn ein wenig in der Kehle kratzen. Doch nach dem zweiten Schluck geht es runter wie Öl. Es dauert nicht lange, bis man den alten Harper durch die Rocknummern durchhört. Und für die nicht so "Trinkfesten" bietet auch dieses Album genügend Lagerfeuerromantik, etwa in der wunderschönen Ballade "Skin Thin" oder dem textlich tollen "The Word Suicide". Zum Abschied kann man in "Faithfully Remain" noch einmal mit dem guten alten Harper anstoßen. So begießt man die Feuertaufe von Ben Harper And Relentless7 gerne.