Unheilig

Mensch, glaub an Dich


Interview mit keinem Vampir: Der Graf, Mastermind der Elektro-Combo Unheilig, tut nichts Böses

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Mensch, glaub an Dich

Interview mit keinem Vampir: Der Graf, Mastermind der Elektro-Combo Unheilig, tut nichts Böses

25.02.2010 Unheilig heißt die Band, der Mann dahinter, nennt sich "Der Graf". Aber alles halb so finster! Das muss man Unkundigen wohl erst mal versichern. Der eingängige, deutschsprachige Elektropop seiner Lordschaft sorgt in der "schwarzen Szene" schon seit rund einem Jahrzehnt für Furore, Unheilig-Konzerte sind legendär, ebenso der hohe Sympathiefaktor und die Songschreiber-Qualitäten des kahl geschorenen Masterminds aus Aachen. Aber so viel Unkundige kann es ohnehin nicht mehr geben. Schließlich stieg die Single "Geboren um zu leben" eben auf Platz drei der Charts ein. Jetzt folgen das neue Album "Große Freiheit" und im April die Tournee des umtriebigen, sozial engagierten Grafen. Wir passten ihn schon mal während der noch laufenden Autogrammtour zum Gespräch ab ...

Der Graf auf großer Autogrammtour. Wie läuft's?

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Der Graf: Super. Es kommen drei- bis viermal so viele Leute wie im vergangenen Jahr.

Wie darf man sich so was vorstellen? Stressig?

Der Graf: Ach nein. Ich sitze vier bis fünf Stunden da und gebe Autogramme für 300, 400 Fans. Was mich beeindruckt: Die Leute stellen sich zwei Stunden für ein Autogramm an und sind alle ganz entspannt ...

So ein Podium im Elektromarkt ist mal eine ganz andere Perspektive als die Konzertbühne!

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Der Graf: Auch das hat seinen Reiz. Während du bei einer Tournee oben stehst und vor 1.000 Menschen spielst, geht es hier um den direkten Kontakt, um das Menschliche. Ich kann jeden mal in den Arm nehmen ...

Kommen nur Leute aus der schwarzen Szene?

Der Grauf: Ne, gar nicht. Auch bei den Konzerten ist das längst nicht mehr so. Da ist mittlerweile die ganze Familie da - Schwiegersohn, Tochter, Mama, Papa, alle. Und Schwarz und Nichtschwarz hält sich fast die Waage. Klar, Ältere kramen halt ihr schwarzes Band-Shirt von 1985 aus dem Schrank, weil sie meinen, sie müssten so etwas anziehen. Da steht dann "Bon Jovi auf Tour" oder so drauf. Auch "Depeche Mode" ist gerne genommen. Es ist nicht so, dass sich die Leute keine Gedanken machen würden, was sie anziehen sollen (lacht).

Wie fühlt es sich an, dass Unheilig heute die breite Masse anspricht?

Der Graf: Ich hatte das eigentlich nicht im Plan, es hat sich so ergeben. Ich begann in der schwarzen Szene, definitiv, da liegen meine Wurzeln, da komme ich her. Natürlich ist es toll, dass sich das alles vergrößert hat. Andererseits merke ich, dass nun auch einige zu den Konzerten kommen, die mit der Musik nichts am Hut haben und Vorurteile mitbringen.

Wie meinst Du das?

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Der Graf: Man merkt halt manchmal regelrecht, wie sich die Leute wundern: "Mensch, der beißt ja gar nicht - alles gar nicht so böse, wie ich gedacht habe."

Gerade bei den Autogrammstunden dürfte so etwas häufiger passieren ...

Der Graf: Klar. Der normale Elektromarktbesucher, die Laufkundschaft, steht da und fragt sich: "Wer bitte ist das?" Sie sehen einen Typen im schwarzen Anzug mit Glatze, meine CD läuft im Hintergrund ...

Und dann?

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Der Graf: Viele stellen sich einfach mit in die Schlange, lassen sich ein Autogramm geben und fragen mich dann: "Und was heißt das jetzt?" (lacht).

Erst die Autogrammreise, danach die "Große Freiheit Tournee 2010". Bist Du gerne auf Reisen? - Der Titel des Albums könnte darauf schließen lassen ...

Der Graf: Gar nicht! Für mich wäre es vollkommen okay, die ganzen Konzerte in einer Stadt zu spielen. Von den Städten, vom Reisen, kriegt man auf Tour gar nicht so viel mit. Ich bin sehr gerne auf Tour, ich liebe und brauche das - aber nicht um des Reisens willen.

Um der Freiheit willen? Ist ja doch was anderes als ein Nine-to-five-Job ...

Der Graf: Ehrlich, so groß ist der Unterschied gar nicht. Liegt ja immer bei einem selber. Als ich beschloss, professionell Musik zu machen, legte ich mir meine eigene Disziplin auf: Morgens ins Studio, mittags Pause, abends nach Hause - wie im normalen Beruf. Tatsächlich hat es sich anders entwickelt: Ich gehe morgens ins Studio, mache keine Mittagspause und bleibe bis spät in der Nacht (lacht). Nee, eine größere Freiheit sehe ich da eigentlich nicht. Aber ich bin auch sehr extrem, weil ich einen hohen Anspruch habe.

Also ist man als Rockmusiker gar nicht freier als als Angestellter?

Der Graf: Nein. Ich glaube, ein Angestellter, der um 18 Uhr nach Hause geht und seinen Urlaub im Voraus planen kann, hat größere Freiheiten im Privatleben als ich. Du musst schon ein bisschen bekloppt sein für so eine Künstlerkarriere ...

Naja ...

Der Graf: Natürlich, vom Gefühl, vom Gedanken her, ist es etwas anderes: Ich kann in meinem Beruf meine Fantasien ausleben, kann niederschreiben, was mich bewegt. Ein Traum.

Und Du bist unabhängig!

Der Graf: Genau. Die Unabhängigkeit steht ganz groß auf der einen Seite - aber die Unsicherheit auf der anderen. Denn eines darf man nicht vergessen: Du kriegst nur Geld, wenn du wirklich erfolgreich bist. Wer also wegen des Geldes anfängt, Musik zu machen, hat schon verloren. Bei mir vergingen acht Jahre, bis was rüberkam.

Gab es Momente des Zweifels?

Der Graf: Und ob - gerade am Anfang, als ich lange Zeit keine Plattenfirma fand. Ich bin sowieso grundsätzlich ein großer Zweifler. Ich zweifle bei allem, was ich tue, bei jedem Lied neu. Aber in den letzten Jahren wurde es viel besser. Denn wenn man mit voller Überzeugung bei der Sache ist, und wenn man die richtigen Leute gefunden hat, haben Zweifel keine große Chance mehr. Ich bin heute zu 80, 90 Prozent meiner Zeit mit wehenden Fahnen als Künstler unterwegs. Höchstens mal nach einer langen Tournee, wenn ich erschöpft, vielleicht noch total erkältet zu Hause rumliege, wünsche ich mir, endlich Urlaub oder einen normalen Job zu haben. Aber das sind ganz seltene Momente.

Wie wichtig ist Dir die Freiheit im Beziehungsleben?

Der Graf: Ich rede ja nie über mein Privatleben, aber ich kann sagen, dass ich ein absoluter Familienmensch bin. Jedenfalls bin ich nicht so ein Halodri, der auf verschiedenen Hochzeiten tanzt. Ich bin auch einer, der nie etwas vergisst: Wenn mir jemand etwas Gutes getan hat, dann bin ich ihm sehr loyal verbunden. Ich merke mir auch genau, wer mir mal in den Hintern trat.

Das klingt sehr wertebewusst.

Der Graf: Absolut. Ich habe meine alten Werte. Dazu gehört so etwas wie Ehre genauso wie Respekt vor anderen - das kann man ruhig "alte Schule" nennen. Ich halte einer Frau immer Tür auf (lacht).

Was wäre aus Dir geworden, wenn Du nicht als Graf mit Unheilig Karriere gemacht hättest?

Der Graf: Arzt! Auf jeden Fall etwas Medizinisches, etwas mit Menschen. Ansonsten zeichne ich schon immer - meine zweite Passion neben der Musik.

Dass Dir die Mitmenschen am Herzen liegen, zeigst Du mit einem eigenen Hilfsprojekt ...

Der Graf: Ja, die Frage, wie ich anderen helfen kann, spielte von Anfang eine Rolle. Natürlich interessieren caritative Vorhaben erst mal keine Sau, wenn du anfängst und vor 100 Leuten auftrittst. Aber jetzt, mit einer großen Plattenfirma, Chartplatzierungen, Medienberichten oder so was wie der RTL II-Trailer-Kampagne im Rücken, ist das anders. Da kannst du Dinge bewegen.

Unter dem Namen "Die Grafschaft" unterstützt Unheilig "Herzenswünsche e.V.", ein Projekt für schwer kranke Kinder und Jugendliche ...

Der Graf: Ja, das ist mir wichtig, ein zusätzlicher Antrieb für mich. Ich dachte jahrelang, dass noch irgendwas fehlt, war auf der Suche ...

Was meinst Du?

Der Graf: Ich hatte regelrecht ein schlechtes Gewissen: Irgendwie wollte ich helfen, unbedingt etwas tun - nur fand ich lange nicht den Weg, wie. Jetzt ist es mir endlich geglückt, etwas in die Wege zu leiten. Etwas, das ich als Berufung bezeichnen würde.

"Geboren um zu leben" dient als Hintergrundmusik zur Ankündigung der RTL II-Reihe "Außergewöhnliche Menschen" ...

Der Graf: Wir stehen mit dem Lied Pate, und das passt auch super zusammen, finde ich. Denn inhaltlich (es geht um Menschen, die ein besonders schweres Schicksal meistern müssen, d. Red.) handeln viele meiner Lieder im Grunde von dem, was auch in diesen Reportagen zu sehen ist. Und daran, dass das Lied als Song der Kampagnen von RTL II und der Deutschen Aids-Hilfe für mehr Toleranz gegenüber HIV-Kranken und AIDS-Aufklärung hergenommen wird, kann ich auch nichts Schlechtes finden. Schließlich bekomme ich seit jeher viel Post von Betroffenen.

"Jeder hat ein Recht zu leben. Jeder hat ein Recht glücklich zu sein", sagst Du im Trailer ... So etwas wie die Botschaft von Unheilig?

Der Graf: Kann man sagen. Ich wollte mit meinen Liedern immer etwas Positives vermitteln - auch als Kontrast zu dem nicht gerade positiv belegten Bandnamen. Ich vergleiche das immer mit den alten "Rocky"-Filmen ...

Wie bitte?

Der Graf: Damals kam man aus dem Kino und wollte unbedingt sofort mit dem Training loslegen. Es geht um das besondere Gefühl: "Mensch, glaub an Dich, mach' was draus!" Das versuche ich mit meinen Liedern zu vermitteln.

Wie fühlt es sich für Dich an, das eigene Gesicht im Fernsehen zu erblicken?

Der Graf: Total komisch. Das geht mir schon bei Fotos so, aber da höre ich wenigstens mein Gefasel nicht. Ich bin wirklich super-selbstkritisch!

Unheilig auf Deutschlandtournee

19.03., Bochum, Ruhrcongress Hallen

20.03., Erfurt, Thüringenhalle

27.03., Gießen, Hessenhallen

01.04., München, Zenith

03.04., Berlin, Columbiahalle

04.04., Dresden, Alter Schlachthof

05.04., Dresden, Alter Schlachthof

09.04., Magdeburg, Stadthalle

10.04., Hamburg, Docks

11.04., Hamburg, Docks

12.04., Hamburg, Docks

16.04., Leipzig, Agra Halle

17.04., Köln, Palladium

01.05., Pratteln, Z7

02.05., Bostalsee, Hexentanz-Festival

07.05., Bielefeld, Ringlokschuppen

08.05., Würzburg, Posthalle

09.05., Berlin, Columbiahalle

22.05., Stuttgart, Liederhalle ~ Frank Rauscher (teleschau)


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