Hazards of Love

Na klar, nicht ein schnöder Opener, ein "Prelude" eröffnet den 17 Tracks starken Reigen standesgemäß, der schon bald Fragen prinzipieller Art aufwirft. Yes im Gewand einer Indie-Band auferstehen lassen, geht das? Heavy Metal und britischen 60er-Jahre-Folk kreuzen, macht das Sinn? Meloy findet ja, eine "wage", indes "natürliche Verbindung" belegt er an den exemplarischen Größen Sandy Denny und Led Zeppelin. Immerhin, so wird der Künstler im Begleitschreiben zitiert, hätten die ja schon mal gemeinsam musiziert. Doch auch das vom Sänger angeführte "The Battle Of Evermore" hat nicht die Opulenz und den konzeptuellen Größenwahn von "The Hazards Of Love".

Alleine der Titelsong ist ein solches Ungetüm, dass er sich in nicht weniger als vier Segmenten über das Album verteilt. Teil eins, "The Prettiest Whistles Won't Wrestle The Thistles Undone", ist ein mäanderndes Folkgestrüpp, so hochtrabend und episch wie der groteske Untertitel - indes noch aus vertrautem musikalischem Stoff gewoben. Doch schon das folgende "A Bower Scene" schüttelt plötzlich und ohne erkennbare Not tonnenschwere Progrock-Riffs aus.

Gewiss: Auch "The Hazards Of Love" kennt die Brillanz, den Melodienreichtum und die gebändigte Theatralität, die "Picaresque" 2005 so groß machten. Akkordeon und Slide-Gitarre bezaubern in "Isn't It A Lovely Night". Das in Pathos, Streichern und Pedal Steel zerfließende Schlussstück ist nicht weniger betörend. Und "The Wanting Comes In Waves" macht für einen flüchtigen, grandiosen Moment die Nähe der Decemberists zu Arcade Fire kenntlich. Doch die Wellen des Verlangens spülen auch hier schon bald ein handfestes 70er-Hardrock-Riff an, einfach so. Um die Mitte des Albums gibt es gibt mal ein "Interlude", quasi zum Durchschnaufen, doch hätte es den Break nicht eigens gebraucht. Denn Colin Meloy zelebriert hier ungeniert die Kunst der Zerstückelung, ein fortwährendes Jonglieren mit Versatzstücken - frei nach dem Motto: Was nicht passt, wird passend gedacht. So muss man "The Hazards Of Love" wohl in erster Linie als eins verstehen: eine gewaltige Herausforderung an die Fantasie.