Ray Davies

"Ich bin ein mürrischer alter Kerl"


Ray Davies interpretiert seine größten Hits neu - mit Freunden

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"Ich bin ein mürrischer alter Kerl"

Ray Davies interpretiert seine größten Hits neu - mit Freunden

17.11.2010 Eine beeindruckende Gästeliste: Für "See My Friends" holte sich Kinks-Legende Ray Davies unter anderem Metallica, Bon Jovi, Jackson Browne, aber auch junge Künstler wie Mumford & Sons und Amy Macdonald ins Studio. Die spielten gemeinsam mit ihm Hits wie "Lola" oder "You Really Got Me" ein. Was nach einer der üblichen "Greatest Hits im neuen Gewand"-Sammlungen für das Weihnachtsgeschäft klingt, hat dabei durchaus einen ernsten Hintergrund: Im Januar 2004 wurde er in New Orleans von einem Straßenräuber angeschossen. Die zunächst leicht erscheinende Verletzung war komplizierter als angenommen, Davies blieb in New Orleans, um sich zu erholen.

Herr Davies, Sie sagen, New Orleans sei der Startpunkt dieser Platte gewesen. Inwiefern?

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Ray Davies: Nun, dort war der Sänger Alex Chilton (The Box Tops, Big Star, die Red.) mein Nachbar. Irgendwann beschlossen wir, einmal etwas zusammen aufzunehmen. Bis ich mit ihm im Studio war, wurde es allerdings 2009. Im Januar 2010 legte ich dann richtig los. So traf ich Bon Jovi in New York und besuchte Bruce Springsteen in New Jersey, wo er auf seiner Ranch dieses wirklich schöne Studio hat. Bald kamen dann andere Acts dazu. Metallica, Billy Corgan - irgendwann hatte ich ein Album voll!

Chiltons Band The Boxtops hatte in den 60er-Jahren einen großen Hit mit "The Letter". Begegneten Sie sich schon einmal in der Vergangenheit?

Davies: Nein, eigenartigerweise nicht. Ich muss auch gestehen, dass ich kaum etwas über Chilton wusste. Ich kannte natürlich "The Letter", hatte sicher einmal eine Big-Star-Platte gehört - sonst aber nichts. Dabei hat er sehr viel aufgenommen. Ich muss auch gestehen, dass er mir schon einmal vorgestellt werden sollte, und ich ablehnte. Damals dachte ich mir: Warum? Ich bin ein mürrischer alter Kerl. Warum sollte ich einen kennenlernen wollen, der angeblich noch mürrischer ist als ich. Ich wusste, dass er diesen Ruf besitzt. Aber als wir uns kennenlernten, erschien er mir sehr freundlich. Sehr zurückgezogen. Man darf auch nicht vergessen, dass er sein Leben lang mit vielen Dämonen kämpfen musste, etwa mit Alkohol. Er starb im Frühjahr, sehr traurig.

Welche der beteiligten Interpreten kannten Sie?

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Davies: Etwa die Hälfte. Bruce hatte ich schon einige Male getroffen, mit Bon Jovi spielte ich schon mal zusammen. Andere kannte ich noch nicht. Ich bin, wie bereits angedeutet, keiner, der viel ausgeht, um andere Musiker kennenzulernen. Das war nie eine meiner Lieblingsbeschäftigungen.

Mal ehrlich: Kann man Klassikern wie "Lola" oder "Tired Of Waiting For You" denn überhaupt noch etwas hinzufügen?

Davies: Bei "Lola" spricht das Ergebnis für sich, denke ich. "Tired Of Waiting For You" sah ich zuerst aber auch nicht unbedingt. Ich mag die Kinks-Version einfach sehr gerne. Wir entschieden uns dann, in der Mitte des Songs die Tonart zu wechseln und an ein paar Gesangsharmonien zu arbeiten. Und plötzlich passte es! Insgesamt war es für mich spannend zu sehen, was andere Künstler meinem Material hinzufügen.

Was haben Sie während des Aufnahmeprozesses gelernt?

Davies: Man vergisst als Profi-Musiker oft, wie viel Kraft in einem einzigen Moment liegen kann. Wenn ein Part nicht passt oder unsauber gearbeitet wurde, bügelt man ihn eben mit einer Software glatt oder schiebt ihn an die richtige Stelle. Bei der Zusammenarbeit mit Mumford & Sons fiel mir auf, dass genau dieser Moment, dieser Geist, die Kraft von Musik ausmacht. Auch Amy Macdonald ließ ich am Ende von "Dead End Street" einfach machen. Die Spontanität, die von ihr ausging, war wunderbar.

Auffallend viele der beteiligten Künstler sind Amerikaner. Die Songs der Kinks gelten als britisches Nationalheiligtum. Wie passt das zusammen?

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Davies: Das ist tatsächlich eines der Themen, über die ich mich an einem Abend sehr lange mit Bruce Springsteen unterhielt. Er sagt, dass seiner Ansicht nach vor allem mein Akzent dafür sorgte, dass ich immer als so britisch wahrgenommen werde. Nicht die Sachen oder Leute, über die ich singe, sondern der Akzent. Viele andere Bands, die in den 60er-Jahren in den USA erfolgreich waren oder das versuchten, kopierten den US-Slang. Ich denke, das ist heute immer noch so, was aber Unsinn ist: Die Gruppen, an die man denkt, wenn man an britischen Pop denkt, also Oasis oder Blur, die haben wie wir stets mit sehr britischem Dialekt gesungen.

Hat jemals eine Plattenfirma versucht, Sie zu zwingen, einen Song in amerikanischen Englisch einzusingen?

Davies: Oh, einmal passierte das. Clive Davis von Arista Records (Entdecker von Janis Joplin und Whitney Houston, Anm. d. Red.) wollte, dass ich bei "Come Dancing" etwas internationaler klinge und bat mich also, dieses sehr britische "Dancing" als "Däncing" zu singen. Wir stritten wirklich eine Weile, bis wir einen Kompromiss eingingen. Ich sang den Song dann in einem nordenglischen Dialekt, weil der etwas amerikanischer klingt. Einigermaßen bizarr. Aber Clive hatte Recht, die Nummer wurde in den USA ein Riesenerfolg!

Hat sich das Rock'n'Roll-Business geändert? Müssen sich junge Bands den gleichen Herausforderungen stellen wie seinerzeit Sie?

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Davies: Es ist immer noch ein Balance-Act zwischen einem normalen, einem privaten Leben und einer großen Party. Nach wie vor sind gerade bei den Künstlern, die viel touren, viele Verlockungen da. Alkohol, Drogen, die ganze Geschichte. Aber vielleicht sind junge Bands heute klüger und halten sich eher fern davon. Ich hoffe es für sie.

"See My Friends" ist nach "The Kinks Choral Collection" das zweite Album mit alten Songs im neuen Gewand. Haben Sie keine Lust mehr, neue Stücke zu schreiben? Vielleicht sogar mit den Kinks?

Davies: Nun, es ist bekannt, dass es einer meiner Wünsche wäre, noch eine Platte mit den Jungs aufzunehmen. Ob das noch einmal passiert - ich weiß es nicht.

(Anm. der Red.: Ray Davies Bruder Dave schloss eine Kollaboration inzwischen kategorisch aus. "Es wäre eine Schande. Niemand möchte alte Männer in Rollstühlen 'You Really Got Me' singen hören", sagte er in einem Interview - und fügte an, dass sein Bruder ein Vampir sei, einer, der alle guten Ideen aus ihm heraussauge.) ~ Jochen Overbeck (teleschau)


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