Rainhard Fendrich

Der einsame Rufer in der Wüste


Rainhard Fendrich zeigt sich auf "Meine Zeit" als kritischer und nachdenklichen Liedermacher

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Der einsame Rufer in der Wüste

Rainhard Fendrich zeigt sich auf "Meine Zeit" als kritischer und nachdenklichen Liedermacher

24.09.2010 Bevor das Interview beginnt, erbittet sich Rainhard Fendrich (55) fünf Minuten Zeit. Er wolle kurz mit seiner Freundin telefonieren. Verständlich, schließlich hatte der österreichische Liedermacher, Moderator und Schauspieler erst einige Tage zuvor bekanntgegeben, dass seine Lebensgefährtin Ina Nadine Wagler (35) ein Kind erwartet. Nachdem sein turbulentes Privatleben in den letzten zehn Jahren (Rosenkrieg mit Ex-Frau Andrea, das Geständnis, 15 Jahre Kokain genommen zu haben) seine musikalische Karriere überschattete, scheint Fendrich nun nicht nur sein privates Glück gefunden zu haben. Auf seinem neuen Album "Meine Zeit" zeigt er sich mehr denn je als nachdenklicher, gesellschaftskritischer und angriffslustiger Liedermacher. Der sich - trotz Charme und gelassenem Wiener Schmäh - schnell in Rage reden kann, wenn es um die Probleme der heutigen Zeit geht.

Zunächst einmal: Herzlichen Glückwunsch! Sie werden zum dritten Mal Vater! Wie fühlen Sie sich?

Rainhard Fendrich - M

Rainhard Fendrich: Gut, sehr gut. Wir freuen uns wahnsinnig.

Sind Sie auch ein bisschen nervös?

Fendrich: Naja, ich hatte das ja schon öfter ... (grinst) Und nein, das ist einfach ein unheimliches Geschenk.

Sie haben bereits zwei Söhne, Lucas (19) und Florian (25). Glauben Sie, dass es heute schwieriger ist, Vater zu sein?

Rainhard Fendrich - H

Fendrich: Kann ich ihnen noch nicht sagen, ich bin es ja noch nicht.

Der Eindruck, dass Erziehung heute schwieriger ist, könnte entstehen, wenn man Ihr neues Album hört. "Wen wundert's" etwa dreht sich um die Vorbildfunktion von Eltern. Welche Werte wollen sie Ihrem Nachwuchs vermitteln?

Fendrich: Es geht nicht darum, was ich meinen Kindern vermitteln will. Es geht mehr um die globale Frage: Es gibt Leute, die sagen man sollte eigentlich in diese Welt keine Kinder mehr setzen. Das sind diejenigen, die die Menschheit zum Aussterben bringen. Aber die anderen, denen dieses Glück widerfährt, müssen lernen, dass ein Kind ein Geschenk ist. Ein Geschenk, das man nie besitzt. Und Werte ... In dem Lied steckt das ja drin, dass es wichtig ist, dass man Kindern einen Halt gibt und mehr Verantwortung gegenüber der Jugend beweist. Aber das ist nicht nur ein Problem der Erziehung. Ich meine, Komasaufen, Videospiele ... Es sind Erwachsene, die diese Videospiele machen. In Mallorca läuft momentan ein Hit, gesungen von einem 16-jährigen Mädchen, der heißt "Wenn ich nach deinem Körper schiele, denk ich nur an Doktorspiele". Bei solchen Liedern muss man sich nicht wundern, wenn Minderjährige misshandelt werden. Das hat aber auch ein Erwachsener produziert.

Sie sehen da also auch eine Verantwortung der Gesellschaft?

Fendrich: Natürlich! Ich mach' die Spiele nicht, ich schenke keinen Alkohol aus! Aber ich versuche mich eben mit den Erwachsenen auseinanderzusetzen.

Glauben Sie, dass Sie Ihren Söhnen ein gutes Vorbild waren?

Rainhard Fendrich - S

Fendrich: Das kann ich nicht sagen. Ich hoffe es.

Im Song "Der Mensch ist wie er ist" behaupten Sie, dass der Mensch, gerade im Umgang mit der Natur, sich selbst der größte Feind ist. Bei was bekommen Sie selbst ein schlechtes Gewissen?

Fendrich: Nun ... Das Problem des Menschen ist ja: Es gibt sehr viele Verblödungstheorien, die besagen, dass der Mensch immer blöder wird. Ich glaube das nicht. Ich glaube, dass vergangene Generationen nicht intelligenter oder blöder waren als wir. Der Mensch hat auf der einen Seite ein ganz schlechtes Geschichtsgedächtnis, er vergisst leicht. Aber auf der anderen Seite hat er auch immer so einen unwiderstehlichen Fortschrittsdrang. Doch im Endeffekt ist er resistent gegen Erfahrungen. Es hat immer schon Kriege, immer schon Umweltkatastrophen gegeben. Aber der Mensch war nicht bereit, daraus etwas zu lernen. Stichwort Wirtschaftskrise: Jetzt geht's wieder aufwärts, schon ist wieder alles vergessen. Der erste Golfkrieg war ein Welt-Aufreger. Der zweite Golfkrieg war schon kein Quoten-Hit mehr. Wir haben entlang der tschechischen Grenze vier Atomkraftwerke stehen, die genau so alt sind wie Tschernobyl. Ich will gar nicht wissen, wie die Anlagen dort aussehen. Man verdrängt. Und das Gefährlichste daran ist, dass der Mensch nicht bereit ist, etwas dazuzulernen.

Warum ist das Ihrer Meinung nach so?

Rainhard Fendrich - R

Fendrich: Nun, wir werden - leider Gottes - von einer unheimlichen Habsucht regiert werden. Das ist das Hauptproblem. Geld ist das Hauptproblem des 21. Jahrhunderts! Ich wusste vorher nicht, was ein Hedgefonds-Manager ist.

Das wussten wohl die wenigsten ...

Fendrich: Ja, ich stelle mir immer die Frage: Die Amerikaner haben Schuld, wir haben Schuld, die Japaner ... Bei wem liegt denn die Schuld? Das weiß kein Mensch. Es ist undurchsichtig.

Liegt das nicht auch daran, dass wir die ganzen Meldungen kaum noch verarbeiten können?

Fendrich: Natürlich, ich sag nur Reizüberflutung!

Um alle Probleme der Welt, um die wir uns sorgen müssten, können wir uns gar nicht sorgen ...

Fendrich: Ja, es ist eine Sisyphusarbeit, das alles gedanklich zu bewältigen. Aber es beginnt auch keiner damit, etwas zu tun. Oder es ist so, wie im Lied "Mehr" auf dem neuen Album: Es gibt Leute, ich nenne sie die "Imprägnierten", die absolut beratungsresistent sind. Die meinen: Wir trennen ja eh den Müll. Wir tun ja genug. Wir fahren Autos mit Bio-Sprit. Aber sie überlegen sich nicht, dass in Sumatra ganze Wälder abgeholzt werden, in der Größe von Bayern, um die Palmen anzupflanzen, die dieses Öl liefern! Und dann gibt es dort unzählige Elefanten, die deswegen sterben, weil sie keine Nahrung mehr haben. Es sind "nur" Elefanten, ja, aber im Endeffekt sind wir die Letzten in dieser Kette.

Und schließlich selbst vom Aussterben bedroht ...

Fendrich: Genau! Das Allerschlimmste ist, dass sich die Menschen immer Sorgen um die sterbende Umwelt machen. Man sollte sich um sich selbst Sorgen machen. Wir sind in den letzten fünf Minuten der Weltgeschichte hier hergekommen, wir werden nicht überleben, wenn wir so weiter machen. Alles wird überleben, nur der Mensch nicht! Aber die Menschen erkennen die Zusammenhänge nicht. Natürlich kann man sagen: Was kümmert es mich, ob der Eisvogel ausstirbt? Oder: Es interessiert mich doch nicht, dass diese diese Ölquelle den Golf von Mexiko verschmutzt! Das Problem ist, dass niemand den Menschen erklärt, dass durch das Öl das Plankton stirbt, das die Basis für die Nahrungskette ist. Man könnte jahrelang darüber reden ...

Gibt es denn etwas, das Ihnen Hoffnung macht?

Fendrich: Es macht mir Hoffnung, Kinder zu haben. Jetzt nicht in meinem speziellen Fall - aber ich habe Hoffnung in eine Generation, die etwas ändert.

Ihr Debütalbum ist vor genau 30 Jahren erschienen, wenn man so will, genau eine Generation. Die Zerstörung der Umwelt, die Verrohung der Jugend thematisierten sie schon damals. Frustriert es Sie nicht, dass sich nichts bewegt hat?

Fendrich: Naja, man fühlt sich manchmal schon ein bisschen wie der einsame Rufer in der Wüste. Aber Frust ist nicht die richtige Einstellung, um immer wieder sensibel zu bleiben für Themen, die nicht in Ordnung sind. Aber der Mensch ist eben leider beratungsresistent. Dass die Erde zugrunde geht, das wussten wir schon damals. Nur man nahm man die Wissenschaftler in den 70er-Jahren eben alle nicht ernst.

Und wie steht es um Ihre eigene Lernfähigkeit? Auf Ihrem Debüt wollten Sie "keiner von denen sein, die sich mit jedem arrangieren". Haben Sie sich denn von anderen verleiten lassen?

Fendrich: Natürlich! Erfolg macht ja auch verbiegbar. Ich fing als Liedermacher an, meine großen Gurus waren Wecker, Wader und Biermann. Aber ich hatte leider auch den Hang zum kabarettistischen, humorvollen Lied - und füllte dann plötzlich, ohne es zu wissen, eine Lücke.

Zwischen dem ernsthaften Anliegen und der seichten Unterhaltung?

Fendrich: Ja, ich fand eine Klientel, die diese Betroffenheitsliedermacherei der 70er-Jahre richtig, aber vielleicht übertrieben fand. Denn das war ja eine goldene Zeit, Wirtschaftswunder und so weiter. Plötzlich kam ich und hatte mit "Strada del sole" einen Hit. Und ganz klar: Ich war jung und verbiegbar und dachte: Na, dann machen wir eben noch einen Hit. Und noch einen. Und noch einen. Mit dem Erwachsenwerden kam aber dann ein klareres Sehen. Ich distanziere mich nicht von diesen Liedern. Aber ich könnte so etwas im wahrsten Sinne nicht mehr schreiben. Es interessiert mich nicht mehr, wie etwa bei "Macho Macho", wie schön ein Mann ist. Das ist nicht mein Problem. Ich habe andere Probleme. Und über die singe ich.

Ein weiterer Song auf dem neuen Album ist "Ich hab es nie bereut". Trotzdem gefragt: Gibt es Dinge, die Sie bereuen?

Fendrich: Ja, es gibt einige Dinge, die ich bereue. Aber über die möchte ich nicht reden (lacht).

Nun gut, dann anders gefragt: Sind Sie auf etwas stolz?

Fendrich: Naja, dass ich meinen Kopf immer durchgesetzt habe. Auch wenn ich manchmal auf Widerstand stieß. Denn wer immer nur geliebt werden will, wird zum Schluss gehasst. Everybody's Darling is Everybody's Depp!

Bedeutet das auch, dass Sie mit dem Massenmedium Fernsehen abgeschlossen haben? Als "Herzblatt"-Moderator waren Sie ja auch sehr beliebt ...

Fendrich: Gut, zu "Herzblatt" kam ich ja eh wie die Jungfrau zum Kind. Rudi Carrell schlug mich vor, und ich dachte zuerst, dass das ein Streich der "Versteckten Kamera" war. Ich hab's gern gemacht, aber die Zeit war dann auch vorbei. Ich werde nie wieder moderieren. Und ich bewundere Jörg Pilawa und Thomas Gottschalk, die einfach rausgehen und anfangen zu reden. Ich muss mich immer vorbereiten. Ich kann das nicht. Das ist ein Beruf, vor dem ich den größten Respekt habe. Aber ich bin jemand, der seine eigenen Sachen machen möchte und nicht unbedingt ein Erfüllungsgehilfe irgendeines Fernsehkonzepts sein will.

In einem Interview behaupteten Sie mal, dass Sie "die Bühne" gar nicht unbedingt bräuchten ...

Fendrich: Solche Interviews gibt man nach einer langen Tournee! (lacht) Das hat nichts mit kürzertreten zu tun ... Auf der Bühne zu stehen, ist sehr anstrengend. Man hat immer Angst davor, aber da ist halt auch immer der gewisse Reiz. Und ich sage nach jeder Tournee, und ich werde es auch im Mai wieder sagen: Ich gehe nie wieder auf die Bühne! Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, ich will meine Ruhe und wieder in meinem eigenen Bett schlafen! Das dauert genau so lange, bis ich wieder ein neues Album habe.

Also doch Tourneen bis zur Rente?

Fendrich: Es verliert eben niemals seinen Reiz, auf der Bühne zu stehen. Erstens weil wir als knorrige, nicht in Formate passende Künstler immer noch auf unsere Live-Arbeit zurückgreifen können. Das ist einfach das Salz in der Suppe! Zweitens bleibt es spannend - die Angst, das was man als Lampenfieber definiert, wird nicht weniger. Im Gegenteil. Denn ich weiß nach 30 Jahren, was alles passieren kann. Genauso wie jemand, der in Neuguinea aufgewachsen ist, problemlos durch den Dschungel gehen kann und der Tourist hundertprozentig von einer Schlange gebissen wird. Genauso ist es auf der Bühne. Ich weiß, was passieren kann: Vom Blitzschlag über Aggregatsausfall, volle Bierdosen, die auf die Bühne geworfen werden, ein Scheinwerfer, der einen Meter neben dir runterfällt ... Alles! Trotzdem: die Faszination, die bleibt!

Rainhard Fendrich auf Deutschland-Tournee

24.10., Garmisch-Partenkirchen, Kongresshaus Festsaal

02.11., Coburg, Congress Halle

03.11., Bayreuth, Stadthalle

05.11., Gersthofen, Stadthalle

06.11., Lindau, Stadttheater

07.11., Füssen, Festspielhaus

09.11., Offenbach, Capitol

10.11., Kaiserslautern, Kammgarn

16.11., Ulm, Roxy

17.11., Mannheim, Capitol

18.11., Fulda, Orangerie

22.11., Stuttgart, Theaterhaus

23.11., Karlsruhe, Tollhaus

29.11., München, Philharmonie

30.11., Traunreuth, K1

19.05.2011, Berlin, Wühlmäuse

20.05.2011, Vellmar, Festival im Park

21.05.2011, Düsseldorf, Savoy ~ Stefan Weber (teleschau)


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