Oomph!

Das Monster hat viele Namen


Oomph! provozieren wieder, setzen Duftmarken und legen Finger in offene Wunden

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Das Monster hat viele Namen

Oomph! provozieren wieder, setzen Duftmarken und legen Finger in offene Wunden

15.08.2008 Spätestens seit Oomph! im Februar des vergangenen Jahres im Berliner Tempodrom gemeinsam mit Die-Happy-Sängerin Marta Jandová zu den Siegern des Bundesvision Song Contests 2007 erklärt wurden, gibt es wohl kaum jemanden, der noch nichts von dem provokanten Trio aus Nordrhein-Westfalen gehört hat. Der Durchbruch gelang Dero, Crap und Flux allerdings bereits im Jahr 2004, als sie ihr Album "Wahrheit oder Pflicht" veröffentlichten, auf dem der Nummer-Eins-Hit "Augen auf!" zu finden war. Im kommenden Jahr gibt es erneut Grund zum Feiern, denn dann heißt es 20 Jahre Oomph! Doch bevor es so weit ist, erforscht die Band einmal mehr die Abgründe der menschlichen Seele und veröffentlicht ein "Monster" von einem Album.

Wie seid Ihr an "Monster" herangegangen? Man könnte schließlich denken, dass es zeitlich besser gepasst hätte, direkt nach Eurem Sieg bei Stefan Raabs "Bundesvision Song Contest" im vergangenen Jahr ein neues Album zu veröffentlichen ...

Oomph! - M

Dero: Klar, aber das wäre irgendwie übers Knie gebrochen gewesen. Ich finde, man braucht einen gewissen Abstand zwischen zwei Alben, um sich überhaupt weiterentwickeln zu können. Das ist uns immer sehr wichtig, sonst läuft man Gefahr, dass man noch zu sehr in der Materie drin steckt und sich das Album zum Großteil nach dem Album davor anhört, und das wollten wir auf gar keinen Fall. Wir wollten uns Zeit nehmen, denn wir sind Menschen, die ständig an sich arbeiten. Diese Entwicklung wollen wir auch auf unsere Musik abstrahlen lassen.

Für den Album-Opener "Beim ersten Mal tut's immer weh" habt Ihr eine gewagte Thematik gewählt, die Umkehrung der Opfer-Täter-Rolle à la "Hard Candy". Welche Aussage steckt für Dich hinter dem Song?

Dero: Zuerst hat man eine Klischeevorstellung im Kopf, ein Mittdreißiger lernt im Internet ein junges Mädchen kennen, das wird für sie nicht gut enden. Doch das Blatt wendet sich innerhalb des Songs und des Videos, und man merkt, dass es zwar tatsächlich nicht gut enden wird, allerdings für den Mann. Bei dem Video zum Song war es uns besonders wichtig, dass es eindeutig in eine Kerbe haut, die heftig ist. Wir wollten das Ganze so hart wie möglich machen, denn wir wussten, dass wir mit der Idee des Songs und der Umsetzung des Videos gar nicht erst bei MTV und VIVA anklopfen müssen, da es einfach zu krass werden wird. Aber die Internetplattformen für Videos gewinnen immer mehr an Relevanz, von daher wollten wir abchecken, inwiefern man hier vorarbeiten kann, wenn man videotechnisch etwas heftiger agiert. Es ist alles sehr blutrünstig, und so mussten wir das Ganze schlussendlich für MyVideo und YouTube pixeln, doch im "Labyrinth"-Game auf www.oomph.de gibt es die unzensierte Version zu sehen.

Was verbindest Du in dieser Hinsicht mit dem Albumtitel? Welche "Monster" haben sich diesmal ganz konkret bei Oomph! eingenistet?

Oomph! - O

Dero: Erst mal ist es ein Monsteralbum, um gleich mal vorwegzunehmen, dass dieser Titel nicht nur negativ besetzt sein muss. Und natürlich reflektiere ich mit den Texten durchaus die Monster in mir selbst, meine eigenen Leichen im Keller, meine eigenen seelischen Abgründe. Wir zeigen aber auch, dass es viele Monster innerhalb der Gesellschaft gibt. Ich denke, unser Umgang mit der Natur ist auch relativ monströs, und weltweit zeigen die Finanzmärkte, dass sie ohne Zweifel ebenfalls Monster sein können ...

Du hast es bereits angesprochen, das Oomph-Game auf www.oomph.de/labyrinth. Damit habt Ihr Euch für die Fans etwas ganz Besonderes ausgedacht.

Dero: Das Spiel zeigt einen Einblick in die dunklen Abgründe der Band. Es findet sehr großen Anklang, aber ich habe schon von vielen gehört, dass sie nicht weiterspielen konnten, da das Spiel recht psychotisch ist und sie fertig gemacht hat. Es ist von Angst durchzogen und spielt mit subtilem Horror. Man ist gefangen in diesem Labyrinth und muss immer wieder neue Aufgaben lösen. Es ist zwar auch hier viel Blut im Spiel, aber es ist eher so, dass der eigene Horror im Kopf angesprochen wird.

Im Gegensatz dazu ist Euer neues Video eher farbenfroh geworden, fast wie eine Art Trip.

Dero: Das Video ist eine Reminiszenz an "Alice im Wunderland", ein wunderbares Buch. Es ist surrealistisch, aber von demselben subtilen Horror durchzogen. Der Protagonistin widerfährt ein Albtraum, sie ist gefangen in dem sprichwörtlichen Labyrinth, in den unzähligen Möglichkeiten und den vielen Türen. Das finde ich das Schöne an dem Text, dass er metaphorisch so vielseitig auslegbar ist. Es ist im Leben wichtig, dass man seine eigenen Wege geht und seine eigenen Türen öffnet, auch wenn dahinter nicht der Ausweg zu finden zu ist, den man sich erhofft hat.

Für den Clip hattet Ihr im Vorfeld eine Nebenrolle über einen Video-Contest verlost, und für das Cover zu "Monster" habt Ihr ebenfalls die Unterstützung eurer Fans angefordert. Wie fiel die Resonanz auf diese Aktionen aus?

Oomph! - L

Dero: Wir sind überwältigt, wie viel Resonanz da kam, besonders auf die Covergeschichte. Wir erhielten knapp 800 Entwürfe, da waren richtig tolle Sachen dabei, unglaublich kreative Arbeiten. Uns war allerdings sehr wichtig, dass der Titel "Monster" durch das Cover eine neue Dimension erlangt. Es sollte kein typisches Monster zu sehen sein, sondern ein doppelter Boden eingebaut werden. Deswegen haben wir uns auch hier für den subtilen Horror mit dem Jungen, der auf eine Schaufel gelehnt in der Wüste steht, entschieden. Man weiß nicht genau, ob er jetzt das Monster ist oder ob er gerade eines vergraben hat. Das Cover wirft sehr viele Fragen auf, und genau deshalb haben wir uns für diesen Entwurf entschieden. Die Video-Contest-Aktion zu dem neuen Video "Labyrinth" hat ebenfalls große Resonanz nach sich gezogen. Es war die Aufgabe, die Lieblingsszene aus einem Oomph!-Video nachzustellen, mit einer Handy- oder Digicam. Das sollte qualitativ überhaupt nicht brillant sein. Wir wollten sehen, wie kreativ unsere Fans sind, und wie viel schauspielerisches Talent sie haben. Die Entscheidung war auch hier nicht leicht, aber die Gewinnerin hat ihren Job bei dem Dreh letztendlich verdammt gut gemacht.

Oft vermutet man hinter Euren Texten nicht mehr als reine Provokation. Was denkst Du, wie wird die Umwelt auf "Monster" reagieren? Denken wir nur mal zurück an Euren Song "Gott ist ein Popstar", der für jede Menge Furore sorgte und Euch erst die Einladung zum Echo und kurz darauf die Ausladung von selbiger Veranstaltung einbrachte ...

Dero: Uns ist bewusst, dass wir nach wie vor eine Band sind, die polarisiert. Entweder man liebt uns, oder man hasst uns, dazwischen gibt es, glaube ich, nicht viel. Damit kann ich gut leben. Ich möchte keine Musik machen, die jedem gefällt. Ich finde es wichtig, dass wir Duftmarken setzen, Finger in offene Wunden legen und Ecken und Kanten haben. Das ist der Anspruch an uns selbst. Wir legen den Fokus auch mal dorthin, wo es weh tut. Wir haben kein Problem damit, missverstanden zu werden. Ich denke, wir sind tendenziell eher eine unterschätzte Band, was ich allerdings sehr komfortabel finde. Ich fände es wesentlich unbequemer, eine überschätzte Band zu sein.

In den Texten des Albums geht es unter anderem um den Schönheitswahn, den Umgang mit der Angst um Aids und, wie bereits erwähnt, um die Abgründe der menschlichen Seele. Zu wieviel Prozent sind diese Texte autobiografisch?

Oomph! - V

Dero: Meine Texte sind stets autobiografisch, allerdings verschlüssele ich sie. Ich behalte mir vor, das Ganze, was ich erlebt habe, metaphorisch zu verwandeln. Ich bewahre mir immer genug Intimsphäre. Das finde ich auch das Wichtige und das Interessante an Kunst. Am Ende muss sich jeder sein eigenes Bild malen und seine eigenen Erlebnisse in den lyrischen Kontext bringen können. Dann haben wir viel erreicht. ~ Juliane Lüthy (teleschau)


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