Mando Diao

"Heute sind mehr Leute hinter der Bühne als früher davor"


Mando Diao sprechen über den Nachwuchs und Verantwortung

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"Heute sind mehr Leute hinter der Bühne als früher davor"

Mando Diao sprechen über den Nachwuchs und Verantwortung

14.02.2009 Mando Diao stehen an einem Wendepunkt. Als Indie- und Retrorocker haben sie sich eigentlich längst etabliert. Nun veröffentlichen die fünf Schweden im zehnten Bandjahr mit "Give Me Fire" ein Album, das überraschend poppig ausgefallen ist. Aber nicht nur musikalisch spucken Mando Diao bislang unbekannte Töne, Björn Dixgard (Gesang und Gitarre neben Gustaf Norén) und Schlagzeuger Samuel Giers reden beim Interview nicht nur über ihre Heimatstadt Borlänge und den Stolz, es geschafft zu haben, diesem trostlosen Ort zu entkommen. Nein, auch über Kinder, das Eheleben und neue entstandene Verantwortlichkeiten reden die beiden offenherzig und wirken dabei stets aufgeräumt - fast schon wie ein Kinderzimmer vor dem Besuch der Großmama. Und sehen dabei gewohnt gut aus: sowohl der vermeintlich wichtigere Dixgard, der Glanz in die triste Hütte bringt, in der das Gespräch stattfindet, als auch der ein wenig zappelige und aufgeregte Giers, der blonde Trommler mit dem Silberblick.

So schlimm der Winter im Moment auch ist, in Schweden ist es noch kälter. Gibt es etwas, das diese Jahreszeit bei Euch zu Hause erträglich macht?

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Björn Dixgard (grinst): Die richtige Kleidung. Ich bekam letztes Jahr von einem Winterklamottenausstatter eine Jacke geschenkt, mit der lässt es sich aushalten. In Schweden wird es noch zwei Stunden früher dunkel als hier. Das ist wirklich deprimierend für Leute, die da empfindlich sind. Im Norden passieren unglaublich viele Selbstmorde, in Stockholm hingegen gibt es gar keinen richtigen Winter mehr, da merkt man die Klimaveränderung.

Eure Heimatstadt Borlänge ist zweieinhalb Stunden weg von Stockholm und soll ein hartes Pflaster gewesen sein.

Samuel Giers: Ja, das stimmt. In den Neunzigern war Borlänge ein wirklicher Knotenpunkt für den Drogenhandel, das liegt wohl daran, dass dort so viele Schienenstrecken zusammenlaufen. Aber es ist inzwischen besser geworden.

Dixgard: Dabei würdest du im Leben nicht annehmen, dass dort ein Mord geschehen könnte, es sieht so dermaßen normal und freundlich aus, umgeben von hübscher Natur.

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Samuel ist mit 21 als Erster von Euch nach Stockholm gezogen, Du hast in Borlänge Deine Jugend verbracht. War Dir bewusst, dass das ein spezieller Ort ist?

Dixgard: Ja, spätestens als ich auf einer Party von einem Stein am Kopf getroffen wurde. Da war ich 16 und das war so ein Wendepunkt, danach gingen wir in Falun aus, dem Ort, in dem Simon zur Schule ging. Da war man als langhaariger Typ mit Gitarre und Bock auf Rockmusik eher akzeptiert. In Börlange gab es schnell mal Reibereien.

Giers: Mittlerweile veranstaltet Borlänge jährlich das "Peace and Love"-Festival gegen Gewalt - und außerdem haben sie uns. Wir mussten die Stadt mühevoll erobern, aber jetzt mögen die Leute uns.

Das war nicht immer so?

Dixgard: Es ist gut, dass wir kämpfen mussten. Hätten wir alles serviert bekommen, hätte es uns nur verdorben. Trotzdem regt mich eine Sache an Borlänge auf, sie haben damals einen Scheiß gemacht, der Jugendclub, in dem etliche Bands probten, wurde nie renoviert. Das wird erst gemacht, wenn einer Erfolg hat. Dann geht das plötzlich.

Giers: Ich weiß noch, wie ich in den Sommerferien vier Wochen gearbeitet habe, um mir eine Gitarre zu kaufen. Heute ertappe ich mich manchmal dabei, wie ich denke: Die Kids haben nur Mist im Kopf - aber ich war mit 14 genauso.

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Jetzt seid Ihr 27 und habt schon fünf Alben veröffentlicht. Trotzdem behauptet Ihr, der Erfolg und der Stress fressen Euch nicht auf.

Giers: Wir haben die kleine Angst im Hinterkopf, dass es morgen vorbei sein könnte, das hält uns im Spiel.

Dixgard: Was, wenn ich aufwache und nicht mehr sprechen kann ...

Sprechen wir von den kleineren Veränderungen. Gustaf, Euer zweiter Sänger, hat jetzt ein Baby ...

Giers: Und ich bekomme bald eines. Meine Freundin ist schwanger. Deswegen werden wir uns in Zukunft besser organisieren. Wir müssen die Balance finden, so wie das viele andere auch tun. Ich habe mir ein Regal bestellt, das mir helfen wird, mein Leben zu ordnen, so zu arbeiten, dass Zeit übrig bleibt für die Familie. In deiner Jugend bekämpfst du alles, was mit Regeln zusammenhängt, willst heute leben, dann wirst du älter und denkst: Hm, vielleicht sollte ich mir doch mal einen Terminkalender anschaffen ...

Dixgard: ... und die Rechnungen vielleicht nicht erst zwei Wochen nach dem Termin bezahlen.

Björn, Du hast geheiratet, bekommst Du da auch Druck von Deiner Frau?

Dixgard: Nein, sie ist da verdammt rücksichtsvoll. Ich würde nicht wegen ihr mit der Musik aufhören, das wäre wie einen Arm amputieren. Die beste Arbeit liefere ich, wenn die Balance aus Privatleben und Band funktioniert. Wir fahren bald zusammen in die Karibik, wahrscheinlich werde ich in dieser Zeit ein komplettes neues Album schreiben.

Du kannst offensichtlich nie die Beine hochlegen. Zwischen den beiden Alben hast Du noch eine Solotour gemacht und Akustikgigs gespielt.

Dixgard: Ja, das sollte nichts Großes werden und hat sich dann verselbstständigt.

Giers: Ich glaube Björn wollte ausprobieren, wie es ist, allein im Scheinwerferlicht zu stehen.

War es so, wolltest Du den Ruhm endlich allein für dich?

Dixgard: Nein, ich habe Gustaf vermisst, und auch die anderen. Das ist so wichtig, Leute zu haben, mit denen du deine Erlebnisse teilen kannst.

Giers: Ich kann verstehen, dass Leute wie Elvis depressiv wurden; erfolgreich aber alleine, das ist so scheiße.

Dixgard: Heute ist das eine Britney Spears. Sie kann vielleicht mit Freunden reden, aber sie hat niemanden, der in der gleichen Lage ist wie sie, der die guten und schlechten Zeiten mitmacht.

Wie sehen denn die schlechten Zeiten aus?

Giers: Wenn wir arbeiten, streiten wir selten. Musik ist der Klebstoff, der uns zusammenhält. Am Anfang waren wir ununterbrochen zusammen, immer, auch in der Freizeit, unglaublich. Jetzt ist die Band mehr ein Job, das ist gut und schlecht, du vermisst die alten Zeiten, aber du kannst die Uhr nicht zurückdrehen. Ich trage nicht mehr unser Drumkit durch die Gegend.

Dixgard: Wir haben unser transportables Graceland dabei, Mando Diao ist ein Unternehmen, eine Menge Leute verdienen ihren Lebensunterhalt durch uns. Wir haben Verantwortung. Heute sind mehr Leute hinter der Bühne als früher davor. Ich habe mir vorgenommen, immer zu allen "Hallo" zu sagen. Jedes Mal vergesse oder übersehe ich jemanden.

Giers: Aber ich will auch nicht zurück in den Bus, mit dem wir von Auftritt zu Auftritt fuhren. Das war ermüdend und sehr anstrengend.

Ihr habt jetzt auch ein eigenes Studio in Stockholm.

Dixgard: Es gab schon einmal eines über unseren alten Keyboarder, den wir 2003 aus der Band geworfen haben. Unser Studio in Stockholm war zwar bei der Einweihung überhaupt nicht fertig. Trotzdem haben wir ab April darin gearbeitet.

Giers: Außer Autohändlern und einer Pizzeria gibt es dort nicht viel. Es sieht so trist aus, dass es sich ein bisschen anfühlt wie in Borlänge. Als hätten wir nun unser eigenes Jugendzentrum. Wilkommen daheim! ~ Claudia Nitsche (teleschau)


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