Linkin Park

Gegen die Häppchen-Kost


Linkin Park wollen mit "A Thousand Suns" auf ganzer Albumlänge überzeugen

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Gegen die Häppchen-Kost

Linkin Park wollen mit "A Thousand Suns" auf ganzer Albumlänge überzeugen

21.09.2010 Vielleicht sind es 50 Millionen Tonträger. Oder die Auszeichnung des US-Musikmagazins "Billboard", die Linkin Park zur meistverkauften Band des letzten Jahrzehnts kürte. Gitarrist, Rapper und Songwriter Mike Shinoda und Bassist David "Phoenix" Farrell sind auf jeden Fall ziemlich entspannt an diesem verregneten Morgen im Kölner Luxushotel mit Blick auf den Rhein und den Kölner Dom. Das vierte Linkin-Park-Album "A Thousand Suns" ist fertig, es klingt deutlich anders als die Vorgänger und wird möglicherweise einige Fans vor den Kopf stoßen. Die Band scheint mit dem Ergebnis jedoch sehr zufrieden zu sein.

"A Thousand Suns" soll als ganzheitliches Album und nicht als Sammlung von Song-Portionen verstanden werden. Könnt Ihr das erklären?

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Mike Shinoda: Viele Leute konsumieren Musik in Byte-Größen, als kleine Häppchen. Als wir mit der Arbeit an diesem Album begannen, wurden wir angetrieben von der Idee, dagegenzusteuern und etwas zu machen, was zwar in Einzelteilen funktioniert, aber bei dem jeder Track Teil einer Reise ist, die du als Ganzes genießen solltest. So hast du einfach mehr davon. Die Platte transportiert dich woanders hin, wenn du sie dir ganz anhörst.

Sind jüngere Zuhörer einfach nicht mehr fähig, die Aufmerksamkeit für eine ganze Platte aufzubringen?

Shinoda: Dazu hat jeder wohl seine eigene Theorie. Meine Auffassung ist die, dass viele der jüngeren Zuhörer einfach noch nie diese Album-Erfahrung gemacht haben. Sie sind daran gewöhnt, Musik als einzelne Songs runterzuladen und wissen gar nicht, wie sie ein Album verstehen sollen. In vielen Fällen haben sie bestimmt auch noch nie "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" oder "Dark Side Of The Moon" oder "Tommy" gehört. Und selbst wenn - sie würden dabei eine andere Erfahrung machen als wir. Ich hoffe aber, dass neue Musik es trotzdem schaffen kann, sie länger zu fesseln, ohne den Vergleich mit den eben genannten, großartigen Alben antreten zu müssen. Es hat etwas mit der Aufmerksamkeitsspanne von heute zu tun. Man kann eben nicht mehr so viel Zeit damit verbringen, geistig umherzustreifen, um Sachen zu entdecken, so wie das in den 70er-Jahren noch ging (lacht).

Ist das der Grund, warum das Album verschiedene Phasen und Stimmungen hat, ist es womöglich ein Konzept-Album?

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David Farrell: Die Idee eines Konzeptes kam in der Tat ziemlich früh auf, aber es ist sicherlich kein Konzeptalbum wie "Tommy" oder "The Wall". Es gibt aber ein Konzept hinter der Idee, dass du eine zusätzliche Tiefe erfährst, wenn du dir alle Songs nacheinander anhörst. Es ist mehr so ein 3D-Gefühl dessen, was dort passiert, wenn du vom Anfang bis zum Ende dabei bist. Die Songs unterstützen sich gegenseitig, füllen Punkte aus und stehen für komplette Ideen. Textliche und musikalische Motive werden an verschiedenen Stellen der Platte wieder aufgegriffen. Je mehr Leute das hören, je mehr Hörer sich darin vertiefen, desto lohnender sind diese kleinen Brocken am Ende für uns.

Einer dieser Brocken ist ein Ausschnitt einer Rede von Robert Oppenheimer, der als "Vater der Atombombe" gilt ...

Shinoda: Ja, die Rede von Oppenheimer ist sehr kraftvoll, und wir wollten sie unbedingt auf dem Album haben, mehr als Frage denn als Botschaft gemeint. Sie soll Ideen erwecken, Fragen auftun, aber sie ist nicht da, um dir konkret etwas zu sagen. Er sagt natürlich Sachen, die im historischen Kontext relevant sind. Aber auch auf der emotionalen und persönlichen Seite ist die Rede ausdrucksstark, bedenkt man, was er durchgemacht hat, als Vater der Atombombe. Darauf spielt der Ausschnitt in "The Radiance" an. Ich war übrigens lange Zeit ziemlich nervös wegen der Sache, weil wir die Zustimmung seines Sohnes brauchten, um den Ausschnitt verwenden zu können. Eine Woche lang habe ich mir auf die Finger gebissen, gehofft, dass er seine Zustimmung gibt. Und die Rede bereichert die Platte, wie auch die anderen Audioclips und Stimmen, die enthalten sind. Sie sind da, damit du als Zuhörer entscheidest, was dich dabei nachdenklich macht, auch bei Martin Luther King und Mario Savio.

Mario Savio?

Shinoda: Er war einer der studentischen Anführer des Free Speech Movement an der Universität Berkley, Anfang der 60er-Jahre. Ich fand seine Rede per Zufall im Internet und war begeistert, auch so eine kraft- und eindrucksvolle Rede.

Farrell: Man hört ihn im Track "Wretches And Kings".

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Ihr seid inzwischen einer der größten Bands der Welt. Könnt Ihr überhaupt noch ohne Hut, Sonnenbrille und Bodyguards in den Supermarkt gehen?

Farrell: Ich erzähle allen Leuten immer halb im Scherz, dass es nichts Besseres gibt, als Bassist in einer Band zu sein. Man kriegt alle Vorteile des Band-Dings, aber gleichzeitig wirst du auf der Straße nie von jemandem erkannt. Eine Erfahrung, die Mike wohl so nicht teilen kann. Für mich ist das großartig, ich mag es ganz gerne, unterhalb des Radars zu fliegen. Wenn ich mal nicht der "Typ aus der Band" sein möchte, dann muss ich das auch nicht.

Es gibt ein Video von Chester Bennington bei "MTV Cribs" im Internet ...

Shinoda: Oh mein Gott, ja (lacht). Aber das ist uralt, von 2000 oder so!

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Farrell: Aber es war lustig, wir wollten zu der Zeit unbedingt etwas mit MTV machen. Dann gab es dieses Angebot, eventuell bei "MTV Cribs" mitzuwirken, der Sendung, bei der eben die schicken Häuser von Stars gezeigt werden. Chester war aber der Einzige, der zu der Zeit schon ein Haus besaß, der Rest von uns wohnte in kleinen Appartements.

Shinoda: Und das Haus war auch nicht sein Eigentum, ich glaube, es war nur gemietet.

Farrell: Ja, es war die einzige mögliche Option. Sonst hätte man in Zweizimmer-Wohnungen drehen müssen, mit WG-Mitbewohnern.

Mike: Wir wollen Chester ja nicht runtermachen, aber das schicke Auto am Ende des Videobeitrags war auch gar nicht sein Auto! Es war eben zu der Zeit, als unser erstes Album gerade herausgekommen war. Und wir wollten die Band und das Album in der Öffentlichkeit bewerben. Nur ein Jahr später waren wir dann aber glücklicherweise an dem Punkt angelangt, an dem wir so was nicht mehr machen mussten.

Ihr habt einen Wettbewerb veranstaltet, bei dem Fans Eure erste Single "The Catalyst" remixen durften. Hat Euch das neue musikalische Sichtweisen eröffnet?

Shinoda: Zunächst einmal meinten ja manche Leute, dass die Aktion total dumm wäre. Und dass man so was einfach nicht machen sollte, weil die Fans sich dann an ihre eigene Version des Songs gewöhnen und diese am Ende vielleicht sogar besser finden könnten als die Band-Version. Aber wir sagten uns: Scheiß drauf! (lacht). Darüber wurde viel diskutiert. Ich hatte jedoch nie Angst davor, dass jemand möglicherweise seine Version besser finden würde. Ich bin überzeugt von den Dingen, die ich mache, und wenn jemand seine Arbeit besser findet, darf er das ruhig sagen, damit habe ich kein Problem.

Und wie lief der Wettbewerb dann ab?

Shinoda: Naja, wir gaben den Fans diese ganzen Song-Bestandteile, sie machten daraus diese großartigen Remixes. Alles was wir ihnen versprachen war, dass sie in irgendeiner Form auf der Platte drauf sein würden. Am Ende konnten wir aber nur einen einzelnen Gewinner wählen. Sein Künstlername ist NoBrain, er kommt aus Polen, und wir konnten leider nicht rüberfliegen, auch weil wir das Album termingerecht abliefern mussten. Also haben wir einen Part mit ihm zusammen geschrieben, über das Internet, mit Skype und Indaba, einem Programm, mit dem man gemeinsam online an einem virtuellen Mischpult sitzen kann. So ist "When They Come For Me" entstanden, sein Beitrag ist ungefähr in den letzten 45 Sekunden zu hören.

Seit 2005 habt Ihr auch eure eigene Hilfsorganisation "Music For Relief", die unter anderen nach dem Seebeben im Indischen Ozean (2004) und nach dem Hurricane "Katrina" (2005) geholfen hat. Wie kam es dazu?

Farrell: Wir waren im Juli 2004 auf Tour in Thailand, Singapur, Indonesien und auf den Philippinen. Ein paar Wochen nachdem wir wieder zu Hause waren, sahen wir diese Katastrophenbilder in den Nachrichten und hatten das Bedürfnis etwas zu machen. Wir wollten aber mehr machen, als bloß Geld zu spenden, daraus ist schließlich "Music For Relief" entstanden. Es ist eine Möglichkeit, nicht nur die Linkin-Park-Fans wachzurütteln, sondern auch andere Bands und deren Fans mit einzubeziehen und Menschen die Gelegenheit zu geben, sich zu kümmern, bei verschiedenen humanitären Anlässen. Wir kümmern uns mittlerweile auch um Umweltkatastrophen und hoffen, dass die Auswirkungen solcher Katastrophen dadurch ein wenig minimiert werden. Katastrophenhilfe ist eine anspruchsvolle Sache, weil man natürlich nie weiß, wo etwas passieren wird. Und wenn etwas passiert, muss man sich passende Partner vor Ort suchen, mit denen man zusammenarbeiten kann, um die Hilfsmaßnahmen und den Heilungsprozess zu beschleunigen.

Gilt das auch aktuell für die Flutopfer in Pakistan?

Farrell: Ja, in Pakistan werden wir mit der UNHCR und dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen zusammenarbeiten und ihre Hilfsarbeit vor Ort unterstützen. Wir machen Spendenkampagnen und werden auch Online-Auktionen mit Band-Erinnerungsstücken veranstalten und auch da wieder mit anderen Musikern arbeiten.

Linkin Park auf Deutschland-Tournee

20.10., Berlin, O2 World

22.10., Stuttgart, Schleyerhalle

27.10., Köln, Lanxess Arena

29.10., Hamburg, O2 World

02.11., Frankfurt, Festhalle ~ Klaas Tigchelaar (teleschau)


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