Jamie Cullum

"Ich wollte ein Rockstar sein"


Jamie Cullum kommt zwar nirgends an, klingt dabei aber sehr gut

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"Ich wollte ein Rockstar sein"

Jamie Cullum kommt zwar nirgends an, klingt dabei aber sehr gut

17.11.2009 Mit schmerzverzerrtem Gesicht beginnt Jamie Cullum das Interview. Er reibt sich das Schienbein. Gerade hat er sich auf dem Balkon verletzt, ist ausgerutscht auf den nassen Fliesen. "Aua, aua, tut mir mein Bein weh", jammert er. "Und Eis kann ich auch keines drauf tun, weil meine Jeans viel zu eng sind. Hm, bin ja selbst schuld", schließt er die Notfallakte. Mühsam ringt er sich ein Lächeln ab. Im wirklichen Leben stolpert Jamie Cullum selten. Der 30-jährige Jazz-Pianist ist das wohl menschlichste Genie des Musikgeschäfts, immerzu dabei, Gewesenes über den Haufen zu werfen. Mit unbändiger Energie gibt der Entertainer dem Pop neue Spannung. Cullum hämmert auf sein Klavier ein wie Schroeder von den Peanuts. In puncto Hingabe können sich die beiden die Hand reichen, auch sind sie gleich sympathisch. Doch hier und da mag der Engländer, der mit "The Pursuit" sein fünftes Album veröffentlicht, ein klein wenig musikalischer sein als der Comic-Kauz.

Hast Du manchmal Lust, Dein Piano in die Luft zu jagen, so wie auf dem Cover?

Jamie Cullum - J

Jamie Cullum: Ja, es frustriert mich hier und da. Deswegen heißt das Album "The Pursuit", also "Das Streben". Es gibt nämlich nie eine Ziellinie, immer nur eine neue Aufgabe, das reißt nicht ab und wird sogar schwerer und schwieriger. Es ist eine Reise ohne Ankunft, daran sollte man sich gewöhnen.

Und was hält Dich bei der Stange?

Cullum: Ist's der Erfolg? Es ist nicht so, dass ich denke, ich bin der Größte, nur, dass ich was zu sagen habe.

Der fünfte Song, "You And Me Are Gone", charakterisiert Dich ganz gut: zu 50 Prozent der total nette Junge von nebenan und zur anderen Hälfte vollkommen durchgeknallt. Du kannst Dich so in einen Song reinsteigern ...

Jamie Cullum - K

Cullum: Ha, das nehm ich als Kompliment. Es ist ein verrückter Song, bei dem meine "Mad Man"-Seite rauskommt, das Verrückte. Ich muss sagen, Musik ist generell ein sehr hilfreiches Instrument. Als Teenager war ich so unsicher, ein total hässlicher, neurotischer Freak, der von niemandem beachtet wurde. Dann gab mir die Musik eine Identität, Selbstbewusstsein. Jetzt bin ich erwachsen und weiß, wer ich bin. Trotzdem kann ich die dunkle Seite in mir ganz ohne Folgen bei meiner Arbeit unterbringen.

Dieses Zusammenbringen unterschiedlicher Richtungen und Extreme charakterisiert Deine Arbeit ja generell.

Cullum: "If I Ruled the World" ist ein Beispiel dafür, wie ich einen Song, der viel Hoffnung beinhaltet, wie ein Beerdigungslied inszeniere. Ich bin ja großer Fan des Komponisten Kurt Weill, der das, wie ich finde, ganz großartig macht: einen Song über einen Serienkiller total fröhlich zu verpacken. Ich mische gern Hochkultur und Subkultur - zum Beispiel auch, was Kleidung angeht.

Setzt sich das Gegensätzliche in Deiner Persönlichkeit fort?

Cullum: Das mag jetzt nach der Antwort eines Politikers klingen, aber ist das nicht bei jedem Menschen so? Hat nicht jeder diese Extreme, die rauskommen, wenn man wütend oder glücklich ist? Ich genieße den großen Luxus, eine Menge davon in die Musik zu stecken. Kunst gibt dir die Freiheit Tieferliegendes zu erforschen. Um die Frage zu beantworten, ich habe diese Gegensätze in mir wie jeder andere auch.

Gibt es da auch einen konservativen Part?

Jamie Cullum - W

Cullum: Bei mir ist alles, so versuche ich es zumindest, moderat. Was es auch ist, ich bemühe mich um den Grundsatz: alles in Maßen.

Was kannst Du nur in Maßen ertragen?

Cullum: Unhöflichkeit, so ein paar Anstandsregeln sollten im Alltag beachtet werden. Ansonsten bin ich jemand, der sehr leicht vergibt.

Weil es notwendig ist?

Jamie Cullum - J

Cullum: (laut und aus tiefster Seele überzeugt) Oh ja, ansonsten gelangst du nirgendwo hin. In diesem Geschäft brauchst du eine dicke Haut, am besten die eines Rhinozerosses.

Du scheinst ja mal eher dünnhäutig gewesen zu sein. In Deiner Kindheit warst Du wie Du sagst ein kleiner Freak - und auch Kurt-Cobain-Fan.

Cullum: Ja, war ich. In dieser Teenager-Phase wollte ich sogar weniger ein Musiker sein, sondern einfach ein Rockstar. Ich hörte Nirvana, Rage Against The Machine, Metallica und The Smiths, alles, was meine Eltern hassten (lacht).

Erinnerst Du Dich an den Tag, als Kurt Cobain starb?

Cullum: Sehr gut sogar. Wir waren auf Klassenfahrt in Frankreich, und die Mädchen waren alle sehr verzweifelt. Es war ein guter Tag für mich, denn sie wollten natürlich alle seine Songs hören und ich konnte sie auf der Gitarre spielen (grinst verschmitzt).

War Dir selbst nicht zum Heulen?

Cullum: Ich war vielleicht 12, (nein, 14 - Anm. der Red.) ich konnte dieses Leiden, seinen Schmerz nicht verstehen, hatte keine Drogenerfahrung. Ich dachte damals, ich würde bei einer Zigarette schon sterben, so war das bei uns in der Schule. Nein, ich war eher traurig, dass er keine CDs mehr machen würde.

Deine Beziehung zur Musik ist weniger vom Drama geprägt, Dein Bruder Ben hat Dich zur Musik gebracht.

Cullum: Ja, er ist vier Jahre älter als ich, und ich erinnere mich an den Tag, als er diese blaue Gitarre aus dem Kaufhaus bekam. Ben hat gleich das Fingertapping von Eddie Van Halen gelernt. Ich saß mit meiner Mama und meinem Papa vor dem Fernseher, da kam er die Treppe heruntergerannt und sagte, ich soll mitkommen. Als er mir das zeigte, dachte ich: Boah, das will ich auch können. (reißt staunend die Augen auf)

Die Beziehung zu Deinem Bruder war also immer sehr eng?

Cullum: Das ist sie immer noch, er wohnt im Haus neben mir, wir haben die Hälfte der "Pursuit"-Songs zusammen geschrieben. Er geht mit auf Tour, hat aber auch sein eigenes Leben als DJ und Musiker. ~ Claudia Nitsche (teleschau)


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