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Ideenüberfluss auf Ibiza


"Seven Lives, Many Faces" ist für Enigma-Chef Michael Cretu nicht das verflixte siebte Album

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"Seven Lives, Many Faces" ist für Enigma-Chef Michael Cretu nicht das verflixte siebte Album

03.10.2008 Enigma bedeutet zu Deutsch "Rätsel". Und rätselhaft sollte das Projekt von Musiker Michael Cretu stets sein. Seinen ersten großen Hit "Sadeness Part One" veröffentlichte Cretu 1990 noch unter dem Pseudonym Curly MC, und der gebürtige Rumäne absolviert keine Live-Shows. Nicht er, sondern seine Musik soll im Vordergrund stehen. Noch bevor sein neuestes Werk "Seven Lives, Many Faces" erschien, war die Singleauskopplung "Seven Lives" bereits in der ARD zu hören: als musikalische Untermalung der "Bilder des Tages" während der Olympischen Spiele. Gut gelaunt erzählt der Musiker im Interview, wie es dazu kam.

Das erste musikalische Lebenszeichen nach Deinem letzten Album "A Posteriori" war während der Sommerolympiade in Peking: Da lief in der ARD Deine Musik ...

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Michael Cretu: Richtig. Das war meine Idee: Ich ging zum Sender hin und schlug ihnen "Seven Lives" für ihren Trailer vor. Das fanden sie so gut, dass der Song die ganze Zeit gespielt wurde. Da war ich natürlich sehr stolz.

Die Olympischen Spiele waren aber auch wegen der Menschenrechtsverletzungen in China umstritten. War das für Dich problematisch?

Cretu: Ich lebte selber in einer Diktatur. Ich bin in Rumänien unter Ceausescu aufgewachsen und weiß daher sehr genau, was in China vor sich geht. Natürlich finde ich es nicht gut, wenn die Regierung beispielsweise die Tibeter verfolgt. Nur: Man sollte Sport nicht mit der Politik gleichsetzen. Leider wird er oftmals dafür missbraucht. Allerdings können die Athleten selber nichts dafür.

Dein neues Album heißt "Seven Lives, Many Faces". Wieso dieser kryptische Name?

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Cretu: Der Titel setzt sich aus zwei Hälften zusammen. "Seven Lives" ist mir eingefallen, weil es sich um das siebte Enigma-Album handelt. Und die magische Zahl Sieben spielt in vielen Religionen und Kulturen eine Rolle. Die zweite Hälfte, "Many Faces", bedeutet nicht nur, dass das Album viele Gesichter besitzt, sondern auch Enigma insgesamt gesehen vielschichtig ist.

Arbeitest Du gerne mit Zahlenmystik?

Cretu: Es fasziniert mich. Das liegt daran, dass ich vor längerer Zeit ein Buch über Numerologie bekam und mich damit intensiv beschäftigte. Aber ich bin kein Mensch, der erst in irgendwelche Tabellen schaut, bevor er aus dem Haus geht, einen Flug oder ein Hotel bucht. So wahnsinnig bin ich nicht.

Aber wieso "Seven Lives", also "sieben Leben"?

Cretu: Von der Reinkarnationstheorie aus betrachtet, ist es das siebte Leben von Enigma, weil jedes Album wie eine Wiedergeburt für mich ist. Bestimmte Gedanken und Bedürfnisse, die ich habe, kommen wieder hervor und wollen befriedigt werden.

Sieben Platten in 20 Jahren sind relativ wenig ...

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Cretu: Ich lasse mir eben so viel Zeit, wie nötig ist. Ich stehe unter keinem Zeitdruck. Wobei "Seven Lives, Many Faces" die Platte ist, die ich am schnellsten produzierte. Ich hatte tatsächlich eine Idee nach der anderen. Es flutschte richtig.

Die Platte ist ziemlich klassisch ausgefallen ...

Cretu: Das ist kein Wunder: Ich habe diese Musik studiert. Und am meisten mag ich die Streicher im Orchester. Rein vom musikwissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet sind aber meine früheren Alben viel klassischer aufgebaut. Man hört es ihnen nicht an, weil ich die Orchesterparts nicht so sehr in den Vordergrund gerückt habe wie bei "Seven Lives, Many Faces".

Andererseits sind auch HipHop-Beats zu hören. Mixt Du gerne verschiedene Stile zusammen?

Cretu: Ja, denn ein Prinzip von Enigma ist es, musikalische Elemente zu verbinden, die auf den ersten Blick nicht zueinander passen. Das ist der Reiz an der ganzen Sache. Und weil ich ein hartes, forderndes Schlagzeug ebenso mag wie romantische, klassische Flächen, war die Verbindung dieser beiden Stile eigentlich nur logisch.

In "The Same Parents" sind auch Deine beiden 13-jährigen Söhne zu hören ...

Cretu: (lacht) Ja, aber ich glaube, die waren anfangs nicht so begeistert, dass sie den sonnigen Nachmittag im Studio verbringen mussten.

teleschau. Wieso sollten sie "The Same Parents" singen?

Cretu: Ich hatte das Album bereits fertig, aber es gefiel mir noch nicht ganz. Ich habe mich dann an eine Notiz erinnert, die ich vor etwa zwei Jahren aufgeschrieben habe: Einer meiner Söhne kam zu mir ins Studio. Er hatte im Fernsehen einen Selbstmordanschlag gesehen und sagte: "Papa, Du hast mir doch erzählt, dass es vor Millionen von Jahren die ersten Menschenaffen gab, also eine Ur-Mama und einen Ur-Papa. Das heißt doch, dass wir alle sozusagen Brüder und Schwestern sind. Wieso schlagen wir uns dann gegenseitig immer den Schädel ein?" Ich war offenen Mundes, als ich das hörte. Er hatte recht. Ich schrieb die Zeile "The Same Parents" auf. Das war genau der Song, der mir noch für das Album fehlte. Ich baute den Text aus und komponierte eine Melodie. Und weil der Gedanke von einem meiner Kinder kam, sollten sie auch auf dem Song zu hören sein.

Du lebst und arbeitest auf Ibiza. Beeinflussen Land und Leute Deine Musik?

Cretu: Nicht die Leute, sondern eher die Abgeschiedenheit meines Hauses. Ich habe hier meine Ruhe, das ist mir wichtig. Ich glaube, dass mir Enigma nicht in einer hektischen Metropole wie beispielsweise New York eingefallen wäre.

Aber Ibiza ist bekannt für seine Partys ...

Cretu: Ich habe auch einmal eine Techno-Party besucht. Das hat mir dann gereicht. Man hat mich zwar noch oft eingeladen, aber ich lehne immer dankend ab. Mein Haus ist Gott sei Dank am Ende der Welt und weit weg von der Partygesellschaft.

Bist Du menschenscheu?

Cretu: Nein, das bin ich überhaupt nicht. Ich bin sehr extrovertiert, und wenn ich mich wohl fühle, dann plappere ich wie ein Wasserfall. Ich mag es nur nicht, wenn mein Gegenüber vorgibt, mehr zu sein, als er tatsächlich ist. Deswegen gehe ich auch nicht auf diese Schicki-Micki-Partys. Das langweilt mich zu Tode. Da schaue ich mir lieber ein Fußballspiel an, sitze vor dem Computer oder mache irgendetwas Sinnvolles.

Seit 30 Jahren bist Du im Musikgeschäft. Was hat sich Deiner Meinung nach verändert?

Cretu: Die Musik hat heutzutage keinen großartigen Stellenwert mehr. Aber daran ist Plattenindustrie selbst schuld. Die Musik dient nur als Vorwand, damit sich irgendwelche Exhibitionisten auf der Bühne zeigen können.

Frustriert Dich das?

Cretu: Überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil: Ich bin dadurch außer Konkurrenz. Und die Tatsache, dass sich meine Alben gut verkaufen und Enigma seit 20 Jahren existiert, zeigt, dass ich einiges richtig mache. ~ Daniel Dreßler (teleschau)


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