Es ist schon eine ungewöhnliche Geschichte: Als Rapper Dizzee Rascal 2003 sein Debüt "Boy In Da Corner" veröffentlichte, wurde er für seinen unangepassten, kaum massentauglichen Stil von der Kritik gefeiert. Der damals 18-jährige Boy aus Ostlondon präsentierte schmutzigen HipHop ohne Bling-Bling-Klischees, war bereit, die Grenzen zur Elektronik zu überwinden und berichtete in düsteren Bildern von seinem Leben - das Genre "Grime" war geboren. Jetzt, sechs Jahre später, ist er der größte HipHop-Star der Insel, reiht Nummer-eins-Hits aneinander und regiert die Popcharts. Bemerkenswert dabei: Auf "Tongue'n'Cheek" ist der frühere Junge aus der schmutzigen Ecke trotzdem noch wiedererkennbar. ~ Stefan Weber (teleschau) aufklappen »
Man darf sich nicht täuschen lassen: Natürlich ist die Vorabsingle "Bonkers", für die sich Rascal den legendären Armand Van Helden an die Seite holte, ein massenkompatibler Techno-Klopper par excellence. Ein Hit, der sowohl in der Großraumdisko als auch in intimer Clubatmosphäre Raver, Rocker und Indie-Kids auf der Tanzfläche vereint. Und ja, man hört es dem Album natürlich auch sonst an, dass der Jungstar nach eigenen Angaben ein durchgängig partytaugliches Album aufnehmen wollte.
Dennoch: "Tongue'n'Cheek" ist immer noch alles andere als anbiedernd. Dazu ist Rascals Organ, sind seine Rhymes immer noch zu fordernd und ja - teilweise auch grimmig. Außerdem beweist der Rapper ein extrem feines Gespür dafür, wie viel Popappeal seinen Songs zuzumuten ist, ohne dabei aalglatt und vorhersehbar zu wirken. Bestes Beispiel dafür ist die aktuelle Single "Holiday". Hier lässt Rascal ungebremst seiner Liebe zum 90er-Jahre-R'n'B freien Lauf. Bremste aber, wie er in einem Interview zugab, seinen Beat-Lieferanten, Disco-Popper Calvin Harris ein, der den Song für Rascals Geschmack "zu radiofreundlich" produzieren wollte.
Und so vereinen sich auf Rascals viertem Album großflächige Dance- und Techno-Beats, unpeinlicher R'n'B und derber HipHop zu einem guten Popalbum. Das bislang zwar nur in Großbritannien, aber hoffentlich bald auch hierzulande die Grenzen des Mainstreams deutlich erweitert. Denn wie bereits erwähnt: Anpassung war und bleibt für Dizzee Rascal kein Thema.