Curse

Mit Westernhagen in die "Freiheit"


Rapmusiker Curse definiert das Verhältnis von HipHop und Popmusik neu

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Mit Westernhagen in die "Freiheit"

Rapmusiker Curse definiert das Verhältnis von HipHop und Popmusik neu

04.10.2008 "Freiheit" propagiert Curse für sich und seine Mitmenschen. Mit seiner Idee eines Covers des Westernhagen-Hits konnte der Rapmusiker sogar den Schöpfer höchstpersönlich überzeugen. Doch nicht nur mit ihm arbeitete Curse für sein neues Album "Freiheit" zusammen, auch Xavier Naidoo, Patrice, Clueso und Silbermond gingen mit ihm ins Studio. Warum sich der redegewandte Reimschmied aus Minden trotz der zahlreichen Gäste aus der Popmusik selbst immer noch als Rapper versteht, erklärt er im Interview.

Du bist vor Kurzem 30 geworden. Wie fühlt sich das an? Im HipHop gilt man in diesem Alter ja schon fast als alter Mann ...

Curse - R

Curse: (lacht) Ich glaube, dass sich das wandelt. HipHop war zwar eine Jugendkultur, entwickelt sich aber nun zur Erwachsenenkultur. Viele großen Stars sind auch über 30, sogar über 40: Jay-Z, Nas, Kanye West. Dadurch, dass diese Stars schon seit 10 oder 15 Jahren Musik machen, sind die Fans mit ihnen erwachsen geworden, auch mit 30 oder 40 können sie sich mit dieser Kultur identifizieren. Nur eben nicht mehr mit derselben Art von Rap wie früher, mit der jugendlichen "Ich mach alles nieder"-Attitüde eines 17-Jährigen.

Auch Du selbst scheinst Dich mehr und mehr vom HipHop wegzubewegen. Auf deinem Album sind zahlreiche Kollaborationen mit Künstlern aus dem Popbereich ...

Curse: Ich hatte einfach das Gefühl, dass HipHop sich zu sehr abgrenzt. Ich wollte mich öffnen, ich wollte meine Musik öffnen. Aber ich wollte auch Leuten, die sonst keinen HipHop sondern eher eine Xavier Naidoo-CD kaufen würden, neue Perspektiven aufzeigen. Ich wollte, dass die Leute über diese Kollaborationen feststellen, dass Musiker wie Clueso oder auch ich gute Texte schreiben, mit denen man sich identifizieren kann. HipHop hat heutzutage ein sehr schlechtes Image bei den Leuten, was nicht zuletzt an Schlagwörtern wie Hauptschul-HipHop liegt. Zum Teil werden da Boulevard-Zeitungsmeldungen völlig falsch interpretiert. Die Leute haben Scheu bekommen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Du hast Deine Musik geöffnet und klingst dieses Mal sehr analog.

Curse - A

Curse: Das ist sie auch, ich habe diesmal sehr viele, eigentlich fast nur noch analoge Instrumente benutzt. Miki, ein klassischer Orchester-Geiger aus Düsseldorf, ist in seinem Herzen HipHopper, komponiert und arrangiert schon immer ohne elektronische Instrumente. Von ihm stammen die Arrangements bei einigen Songs. Die anderen kommen unter anderem von Lillo Scrimali, dem Musical Director von Joy Denalane und den Fanta Vier. Auch er hat analog arrangiert. Bass, Keyboards, Gitarren, es ist alles "echt". Ich finde, das klingt einfach anders. Die Luft bewegt sich, das Holz atmet, es kommt darauf an, wie warm oder kalt der Raum ist. Das Leben ist einfach auch noch im Klangraum, ebenso wie die Energie der Leute.

Wo würdest Du eigentlich die Grenze ziehen? Bis wohin ist die Musik HipHop und ab wann Popmusik, bei der jemand rappt?

Curse: Das ist ähnlich wie in der Kunstdiskussion. Ich würde einfach sagen: Ich bin ein Rapper, ich identifiziere mich mit dem Begriff HipHop und deshalb ist die Musik auf "Freiheit" auch HipHop. Selbst wenn ich ins Auto steige und irgendwohin fahre, ist das HipHop, denn ich bin HipHop! Wenn die CD von einem Popmusiker stammen würde, der sich einen Rapper ins Studio geholt hätte, dann wäre es Pop. Der Urheber bestimmt das Genre. Das Schöne am HipHop ist doch - ähnlich wie beim Jazz - dass man sich dort wahnsinnig frei bewegen kann, dass man sehr viele Elemente anderer Stile einbinden kann. Wenn nun aber einer sagt, Curse macht nun Popmusik, kann ich damit auch leben. Amy Winehouse macht auch Popmusik, und die finde ich toll!

Wieso geht HipHop dann immer noch mit einem Gangsta- und Deppen-Image einher?

Curse: Es gibt nicht nur diese. Es gibt auch gute Rapper, die sind fantastische Schreiber, haben extrem komplexe Reimstrukturen, wie sie sich in hoch gelobter moderner Lyrik teilweise nicht finden lassen. Vom künstlerischen Anspruch her kann Rapmusik grandios sein. Aber von medialer Seite und aus der Szene raus ist der Fokus fast nur noch auf eine bestimmte Art von Rap gelegt worden, Street Rap eben, den es natürlich auch gibt. Aber das ist nur ein Teil von HipHop, der zu viel Aufmerksamkeit bekommen hat.

Der Gegenentwurf dazu ist dann der Akademiker-HipHop der Fantastischen Vier?

Curse - D

Curse: Das ist richtig, aber wie Du ja selbst bemerkt hast, haben sie sich auch - genau wie Fettes Brot - aus der HipHop-Szene und aus diesen internen HipHop-Gesprächen herausgelöst. Vermutlich bewusst und auch völlig zurecht. Denn das, was die vor vielen Jahren gemacht haben, ging schon damals über den HipHop-Tellerrand weit hinaus. Früher habe ich dieses Abgrenzen nicht verstanden, ich war ja auch mal 16, aber heute, da ich älter und reifer bin, natürlich schon.

Aber Deine Musik galt ja schon immer als Gymnasiasten-Rap. Warst Du überhaupt auf dem Gymnasium?

Curse: Ja, bis zur 10. Klasse. Dann ging ich für zwei Jahre in die USA und studierte dort nach einer Aufnahmeprüfung auf dem College. Ich hab dort den AA gemacht, den Associate of Arts, das ist nur ein kleiner Abschluss, damit kann man nicht viel reißen. Meine Schwerpunkte waren nicht so definiert, aber wenn ich weiter gemacht hätte, wäre ich in Richtung Literatur gegangen, Sprache, Bücher, Stories. Anfangs rappte ich auch englisch, obwohl schon ein paar wenige angefangen hatten, deutsch zu rappen. Aber da gab es keine echte Identifikationsfigur, die für mich auf demselben Level wie die Amis waren. Erst in den USA nahm ich mir vor, der Erste zu sein, der das umsetzt, dieses perfekte MC-ing.

Wie war die Zusammenarbeit mit Westernhagen?

Curse: Toll, er ist ganz anders, als man denkt, er war extrem offen, fand meinen Text unglaublich gut. Aber aus terminlichen Gründen konnten wir nicht zusammen im Studio sein. Er sang aber in Hamburg noch ein paar Sachen ein, und wir arbeiteten über Telefon zusammen.

Für Westernhagen, den die Kiddies gar nicht mehr kennen, bist Du ein Glücksfall, nun kommt er wieder ins Gespräch!

Curse: Umgekehrt. 'Freiheit' ist einer der größten Songs der deutschen Popgeschichte und Du würdest dich wundern, wie viele Kids das heutzutage noch kennen. Aber vielleicht haben wir ja wirklich beide was davon, etwas so Generationen Übergreifendes zu machen.

Wie sehr steckst Du selbst in den Texten?

Curse: 'Ich kann nicht mehr' beispielweise hat einen direkten Bezug zu meinem engsten Freundeskreis. 'Feier dich selbst' hingegen ist der leichtherzigste Song auf dem Album. Es gibt im HipHop so viele Songs, die dir sagen, warum du nicht cool bist. Ich wollte einfach mal sagen, egal, was für eine uncoole Hose du anhast und ob deine Achselhaare bis zu den Kniekehlen hängen: Du bist O.K.! Und abends in der Disco, wenn das Stroboskoplicht an ist, sehen eh alle gleich aus. 'Lila' über die überforderte Mutter, die ihre Kinder aus Verzweiflung umbringt, basiert auf einem Zeitungsartikel. Aber die Grundidee stammte von einer meiner Reisen. Mahouds, also Elefantenwärter aus Sri Lanka, erzählten mir, dass sie kleine Elefanten an sehr starke Ketten an Betonwände legen. Und je größer die Elefanten sind, desto schwächer und dünner werden die Ketten. Bis der Elefant riesig groß und ausgewachsen ist und nur noch mit einem Bindfaden an einem Stöckchen im Fußboden angebunden ist. Er rennt aber nicht weg. Weil er denkt, er wäre festgebunden. Da kann um ihn herum der Wald brennen. Ich finde dieses Bild auch für Menschen so krass, wenn man sich aus Gewohnheit oder Erziehung in Bahnen bewegt, von denen man denkt, man käme nicht raus! Als sich die Ereignisse über ermordete Kinder im Fernsehen häuften, erinnerte ich mich wieder daran und fand einfach eine Parallele. 'Fantastisch' ist dann wieder extrem humorvoll, ebenso wie 'Du sagst'. Das sind aber auch wichtige Songs, denn nach vielen traurigen Liedern muss man auch sagen können: Mann, mir geht's doch trotzdem gut, das Leben kann auch so schön sein!

Zum Schluss noch zu einem absoluten Klischee: Kann man HipHop machen, ohne zu kiffen?

Curse: Schau mich an, ich war früher ein großer Kiffer, aber seit acht oder neun Jahren gar nicht mehr. Es ist wie Rock und Saufen und Jazz und Heroin. Es gibt genug hervorragende Musiker, die das alles nicht brauchen. ~ Kati Hofacker (teleschau)


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