"How are you getting on alone?" fragt Conor Oberst im großartigen "Danny Calahan" seinen traurigen Protagonisten, der mit seinen Pflanzen redet, und ein wenig fragt er das wohl auch sich selbst. Sieht man von seinen ersten musikalischen Gehversuchen als 13-Jähriger ab, ist "Conor Oberst" nach zehn Jahren Bright Eyes das erste Soloalbum des begnadeten Songwriters aus Omaha, Nebraska. Wie bei den Kollegen Mark Kozelek (Red House Painters, Sun Kil Moon) und Bill Callahan (Smog) stellt sich jedoch auch hier die Frage, was genau der Wechsel zur personalen Identität bedeutet. Denn die charismatische Präsenz dieser Persönlichkeiten hat die suggerierten Bandzusammenhänge ohnehin schon immer weithin überstrahlt. ~ Jens Szameit (teleschau) aufklappen »
Auf der anderen Seite: So ganz auf eigene Faust hat sich Conor Oberst dann wiederum auch nicht ins ferne Tepoztlán, Morelos, aufgemacht - einem dem Vernehmen nach von aztekischer Magie beseelten und von extraterrestrischen Erscheinungen heimgesuchten Ort irgendwo in Mexiko. Die intime Eintracht und Harmonie, die während der Aufnahmen mit Freunden in einer Bergvilla namens Valle Místico geherrscht haben soll, hat dabei durchaus hörbare Spuren hinterlassen. Nicht wenig erinnert auf dem Album an die "Basement Tapes" von Bob Dylan & The Band. Denn gerade das einerseits Geschlossene, andererseits Unbehauene, das Lose und Spontane verleihen der konspirativ angehauchten Arbeit Reiz und Flair.
Die Slide-Gitarren, die Bläser und Streicher, die auf Bright-Eyes-Alben für ein teils süffiges Folk- und Country-Ambiente gesorgt haben, sind hier verschwunden. Mit rustikalen, geradlinigen Gitarren- und Orgel-Arrangements wird der Kern der Arbeit Obersts dafür umso deutlicher freigelegt: überdurchschnittliches bis herausragendes Songwriting. "Sausalito" und "Eagle On A Pole" etwa sind klassisch amerikanisches und doch unverkennbares Handwerk des melancholischen Dichters. Im rumpelnden "I Don't Want To Die (In The Hospital)" und und dem elektrifizierten "NYC - Gone, Gone" gibt sich die Mystic Valley Band als hemdsärmlige Holzfällertruppe und haucht dem vermeintlichen Solowerk kollektiven Spaß und Dynamik ein.
Zwingend und definitiv sind die Mystic-Valley-Aufnahmen dadurch gerade nicht geworden, was den Zugang zur Platte und der eigenartigen Selbstwahrnehmung des kindlichen Genies nicht einfacher macht - und dennoch lohnt. Ganz zum Schluss, im berückenden Schwanengesang "Milk Thistle", ist Conor Oberst dann ganz bei sich. Ohne Band, nur zur Gitarrenbegleitung stilisiert sich der traurige Trotzkopf als todesverfallenes Kind mit eskapistischen Sehnsüchten: "This little world's too crowded now / And there's only one way out / An elevator ride / Through the tunnel towards the light." Dass er bloß nicht eines Tages verloren geht.