Calexico

Das Wüste und die ganze Welt


Calexico winden sich aus der Mariachi-Falle

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Das Wüste und die ganze Welt

Calexico winden sich aus der Mariachi-Falle

29.08.2008 Bei Calexico aus Tucson, Arizona weiß man, was man bekommt. Auch auf ihrer neuen Platte "Carried To Dust" verschmilzt die Band um Joey Burns und John Convertino mit zahlreichen Gastmusikern wieder verschiedene Einflüsse aus Weltmusik, Jazz und Folk, kombiniert Surf-Gitarren, Percussion und Soundeffekte, die am Ende den typischen Calexico-Wüstensound ergeben. Dabei ist es Sänger Joey Burns wichtig, nicht nur auf den Einfluss des nahe gelegenen Mexiko reduziert zu werden, wie er im Interview deutlich macht.

Joey Burns: Natürlich nimmt man so nah an der Grenze viele Einflüsse aus der mexikanischen Kultur und deren Medien auf. Aber ich bin nicht mit Mariachi-Musik aufgewachsen, sondern mit dümmlicher 70s-Rockmusik. Es ist wohl unser Bandname, der diese Mexiko-Assoziation immer wieder heraufbeschwört. Damit müssen wir leben. Unsere erste Platte hatte aber beispielsweise überhaupt keine Mariachi-Trompeten oder Mariachi-Gitarren, dafür viele Einflüsse aus der osteuropäischen Musik, wie auch die aktuelle Platte. Auf dem neuen Album gibt es diesen Song, "House of Valparaiso", und einen der heißt "Victor Jara's Hands", da geht es nicht um Mexiko, sondern um Chile. Und obwohl wir viel reisen, sind wir tatsächlich noch nie in Mexiko aufgetreten.

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Was soll der Albumtitel "Carried To Dust" bedeuten? Eine Metapher dafür, dass etwas zu Staub zerfällt, oder zu Grabe getragen wird?

Burns: Im Internet gab es eine Definition, in der es um Elektrizität geht, geladene Partikel werden vom Staub getragen, oder so. Und dann gibt es dieses Buch von John Fante, "Ask The Dust". In beiden Fällen geht es um Übergänge, Dinge, die endlich sind, aber auch um die Reise des Lebens, wie wir von einem Ort zum anderen kommen. Auch in der Musik haben wir viele Übergänge, linke und rechte Haken. Als John mit der Idee für den Titel kam, erinnerte es mich daran, dass diese Reise das Wichtigste ist und die Bestimmung ungewiss.

Also gibt es nichts, was Ihr mit diesem Album sozusagen abgeschlossen habt?

Burns: Nein, es geht mehr um die Poesie der Worte. Es soll nichts aussagen, da ist keine versteckte Botschaft oder so.

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Siehst Du eine kontinuierliche Entwicklung in Eurer Musik, oder startet Ihr jedes Mal wieder bei Null?

Burns: Wir versuchen, Wiederholungen zu vermeiden. Aber wir sind die gleichen sechs Musiker, wir spielen oft die gleichen Instrumente, auch wenn wir natürlich gerne Neues ausprobieren. Auf "Carried To Dust" gibt es zum Beispiel Waldhörner und eine chinesische Zither namens Gu Zheng. Und so viele Gastmusiker wie noch auf keiner anderen Platte. Du kannst sie raushören, denn fast alle sind Sänger. Sam Beam von Iron & Wine ist dabei, Pieta Brown, Amparo Sanchez (Amparanoia), Douglas McCombs (Tortoise, Brokeback) und Jairo Zavala.

Wie sucht Ihr diese Instrumente aus? So wie ein Maler bestimmte Farben?

Burns: Ja, so ungefähr. Das ist eine abstrakte Herangehensweise. Ich denke oft, dass auch Maler erst die Farben im Kopf haben und sich erst später eine Form ergibt. Bei uns funktioniert aber beides. Wir schichten gerne Instrumente übereinander, damit sie wie aus einem Guss klingen. Aber es gibt so viele Details, die schwierig zu erklären sind, weil es fast schon wie Orchestrierung ist. Und wer will schon über Orchestrierung reden? Es ist doch viel einfacher, zu sagen: "Oh, dieser Song handelt von meiner Ex-Freundin und wie sie mein Leben ruiniert hat."

Würdest Du sagen, dass Ihr mit dem neuen Album ruhiger geworden seid?

Burns: Ein Tonstudio ist immer eine sehr ruhige Umgebung, und John und ich haben gelernt, in dieser Umgebung zu spielen. Live lassen wir uns da dann schon eher gehen. Aber ich merke, dass ich mir wieder öfter alte Platten anhöre, aus der Zeit, als ich anfing, Musik zu machen. Das ist vielleicht ein Einfluss. Und John hat früher viel Jazz gehört und so klassische 70er-Jahre-Bands. Das macht er immer noch, er hört, glaube ich, kaum neue Sachen. Ich schon. Auf Festivals und im Internet-Radio lasse ich mich gerne von neuen Bands begeistern.

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Hörst Du dann alte Sachen, die Du neu für Dich entdeckst, oder Sachen, die gerade neu rausgekommen sind?

Burns: Beides. Eine Band wie zum Beispiel Vampire Weekend finde ich sehr spannend. Sie kombinieren so eine afrikanische Gitarrenmelodie mit diesen Indie-Pop-Strukturen - sehr aufregend. Die würde ich auch gerne mal live sehen.

Eure Musik wird ja mit vielen verschiedenen Begriffen zu umschreiben versucht: Americana, Indie-Rock, Alternative Singer / Songwriter. Sind solche Schubladen für Euch von Bedeutung?

Burns: Ich finde es schön, wenn sich jemand die Zeit nimmt, mehr als einen Einfluss herauszuhören. Aber es sagt nichts über die Musik, die Dynamik und den Ausdruck aus. Es ist ja so, wenn du jemand in Österreich nach seiner Meinung zu "Mexiko" fragst, hat er da ganz andere Assoziationen als jemand in Kanada. Und jemand in Portugal versteht vielleicht unsere Texte nicht, aber fühlt die Stimmung unserer Songs. Das ist doch viel wichtiger. Es geht um die emotionale Sprache, denke ich.

Auf Eurem letzten Album "Garden Ruin" sind viele politische und sozialkritische Anspielungen enthalten. Was hat Dich dazu bewogen, derart politisch zu werden?

Burns: Das waren wir eigentlich immer schon, aber auf der letzten Platte kam es eben mehr nach oben. Mal ehrlich, es war die Hölle, die letzten acht Jahre in Amerika. Und nicht viele Musiker haben den Mund aufgemacht, oder irgendwas getan, oder protestiert. Diejenigen, die den Mund aufgemacht haben, wurden aus den Medien verbannt. Linda Ronstadt hat sich dazu geäußert, in einem Casino in Las Vegas, und wurde der Bühne verwiesen. So was passiert dauernd, aber die öffentliche Meinung wird dadurch kaum beeinflusst. Es scheint, als ob alle im Land eine Gehirnwäsche bekommen haben.

War der Aufstand der wenigen demnach nur ein Zeichen für die Leute in Europa und anderswo, um zu zeigen, dass nicht jeder in den USA mit der Politik einverstanden ist? Oder hat es doch auch ein wenig Einfluss auf die Amerikaner genommen?

Burns: Ich denke beides. Amerika ist ein riesiges Land, das sicher nicht nur eine einzige Identität hat. Und dazu ist es sehr isoliert von der restlichen Welt. Es gibt kaum ausländisches Fernsehen, außer an den Grenzen zu Kanada oder Mexiko. Aber jetzt gibt es vielleicht eine Chance für positive Veränderungen, es herrscht Optimismus und Hoffnung.

Die Stimmung rund um die Kandidatur von Barack Obama wird ja öfter mit der verglichen, die vor der Kandidatur Kennedys herrschte.

Burns: Ja, diese Elektrizität, das habe ich auch gehört. Ich kann nur hoffen, egal was während der Wahl passiert, dass dieser Schwung danach nicht versiegt. Es gibt so viel zu tun, für die Umwelt, sozial und politisch. Und es herrscht immer noch Krieg in Afghanistan und Irak.

Auf dem neuen Album geht es unter anderem um den Autorenstreik in Hollywood. Was hat Dich dazu inspiriert?

Burns: Ich habe viel darüber nachgedacht, weil es kein Late-Night-Fernsehen mehr gab, keine komische Entlastung mehr vom sozialen und politischen Tagesgeschäft. Das war ein großes Statement, weil sich die Amerikaner normalerweise nicht für Streiks interessieren. Für die Autoren war es vielleicht auch die Gelegenheit sich zu sammeln, eine Pause zu machen. Darum geht es unter anderem in "Writer's Minor Holiday". Ein Typ, der sich in die einsame Hütte im Wald zurückzieht, um zu sehen, ob er sich in die Muse verliebt. Er versucht, das Gewicht seiner Bürde zu verlagern, versucht, sich klar zu werden, was diese Bürde eigentlich ist. Damit kann ich mich identifizieren, wenn ich ein Album mache. ~ Klaas Tigchelaar (teleschau)


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