Annett Louisan

"Es ist ein großer Luxus, mal nicht an Annett Louisan zu denken"


Mit ihrem vierten Album orientiert sich die Sängerin zurück zu ihren Wurzeln

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"Es ist ein großer Luxus, mal nicht an Annett Louisan zu denken"

Mit ihrem vierten Album orientiert sich die Sängerin zurück zu ihren Wurzeln

20.10.2008 Das vierte Album in vier Jahren - Annett Louisan gönnt sich keine lange Atempause. Auch im Privatleben hat sich für die 31-Jährige viel getan. Im Juni hat sie die Trennung von ihrem Ehemann bekannt gegeben, sie ist von Hamburg nach Berlin-Kreuzberg gezogen, und kürzlich verriet sie, dass sie mit dem Musiker Martin Gallop einen neuen Lebenspartner hat. Nun soll das Album "Teilzeithippie" auch einen neuen musikalischen Neuanfang markieren. Und die Haare? Auch neu. Natürlich.

Dein neues Album "Teilzeithippie" erscheint dieser Tage. Ist die Spannung groß?

Annett Louisan - E

Annett Louisan: Immer wieder, ja! Das hört nicht auf. Es gibt ja in dieser Branche keine Vorschusslorbeeren, man muss immer wieder den Beweis bringen. Das ist sehr, sehr spannend, wie es dem Publikum gefällt.

Es geht aber auch schnell bei Dir. Das vierte Album in vier Jahren ...

Louisan: Ja, das ist schon ungewöhnlich. Aber ich bin ein Freund der ersten Intuition. Ich habe ein tolles Team, und wir sind gerade in einer Phase, wo es einfach weiter fließt. Ich finde, das muss man nutzen. Ich will nichts künstlich herauszögern.

Von Deinem neuen Album "Teilzeithippie" sagtest Du schon vor der Veröffentlichung, dass es eine Art Neuanfang für Dich darstellt. Warum war das so wichtig?

Annett Louisan - \"

Louisan: Weil ich mich so fühle. Ich bin damals am Anfang meiner Karriere ziemlich ins kalte Wasser gesprungen. Das ist ja auch ganz normal. Ich hatte kaum Bühnenerfahrung. Die letzten fünf Jahre kommen mir manchmal vor wie 15 - weil so viel passiert ist. Natürlich habe ich mich sehr verändert. Am Anfang meiner Karriere war ich Studentin, sehr viel zwangloser und freier. Und dann führt man auf einmal dieses neue Leben mit Verantwortung für viele Leute und mit einer Riesentour, das Team wird immer größer. Nach dem Zurückziehen, Verkrampfen, dem Kennenlernen der Medien, ist der Druck jetzt ein bisschen gewichen. Und das, finde ich, hört man dem Album auch an. Das merk' ich mir selbst an. Vom Gefühl her ist das wie ausatmen, wieder ein bisschen freier sein. Das bedeutet ja Freiheit auch eigentlich: Dass man sich nicht ständig Gedanken darüber macht, was andere Leute denken.

Die Musik auf dem neuen Album wirkt weniger aufwendig, sparsamer, weniger Instrumente. Mitunter geht es in Richtung klassischer Singer/Songwriter-Sound.

Louisan: Genau. Ich habe mit "Bohème" ja sehr leichtfüßig angefangen und wollte dann natürlich auch Dinge ausprobieren, gerade bei meinen Konzerten. Ich dachte etwa: Mich reizt das, mal mit einem Orchester zu spielen. Aber irgendwann wurde mir klar: Das Große liegt bei mir eigentlich eher im Kleinen. Je mehr Platz ich zum Erzählen habe, desto größer wird für mich persönlich das Gefühl. Und das war mir bei diesem Album wichtig: die Spielereien wegzulassen. Meine Band für die kommenden Konzerte wird wieder ein bisschen kleiner werden. Ich werde fünf Jungs dabei haben. Alles ein bisschen konzentrierter, aber dadurch auch intensiver.

Du hast Dich auch äußerlich verändert. Neue Haarfarbe, neuer Style. Deine neuen Bilder erinnern ein wenig an Romy Schneider. Ein Vorbild?

Louisan: Romy Schneider ist in jeder Beziehung eine absolut berührende und beeindruckende Frau gewesen. Ihr Schicksal lässt niemanden kalt. Besonders Frauen nicht, weil Romy gerade diesen Zwiespalt verkörperte, den wir heute noch in uns tragen. Auf der einen Seite freiheitlich und selbstbewusst, auf der anderen Seite fast sich selbst aufgebend. Und der Vergleich der Optik ist natürlich ein Riesenkompliment. Das war aber gar nicht bewusst.

Feminismus war ein großes Thema in der Popkultur dieses Jahr. Es gab dieses viel diskutierte Charlotte-Roche-Buch, das Buch "Wir Alphamädchen - Warum Feminismus das Leben schöner macht" von drei jungen Autorinnen. Da bewegt sich wieder was bei jungen Frauen. Kannst Du damit auch etwas anfangen?

Annett Louisan - A

Louisan: Unbedingt. Da wird sich auch immer weiter etwas bewegen. Es ist nicht zu Ende. Man braucht gar nicht das Wort Feminismus dafür. Das ist ein allgegenwärtiges Thema. Es gibt immer wieder Rückschläge und Wellenbewegungen - wie in der Mode und in der Politik. Ich habe das Gefühl, nach all der Freiheit gibt es momentan fast so etwas wie den Umkehrschluss: Eine Rückbesinnung auf alte Traditionen - und dann wird das wieder aufgebrochen. Ich glaube, die Texte auf "Teilzeithippie" haben viel mit diesem Konflikt zu tun. Es ist nach wie vor irrsinnig schwer, das alles, all die Gefühle, die wir in uns tragen, unter einen Hut zu bringen, sich selbst glücklich zu machen und auch noch gesellschaftlich zu funktionieren. Ich habe keine Patentlösung dafür. Ich kann nur darüber singen, weil es mich sehr bewegt.

Trotzdem bleiben Deine Songs im Alltäglichen und Privaten, sind keine dezidiert politischen Lieder. Könnte es einmal einen wirklichen Protestsong von Dir geben?

Louisan: Ich finde es eher gefährlich, sich eine Message zuzulegen und den Zeigefinger rauszuholen. Ich glaube, wenn man die Leute irgendwie berührt durch etwas, das sie aus ihrem eigenen Leben kennen, kann man viel mehr bewegen, als man denkt. Politik ist eine Sache des Kleinen. Das fängt schon zwischen Mann und Frau an. Davon habe ich Ahnung. In allem anderen bin ich vermutlich viel zu inkompetent. Ich singe über das, was ich weiß.

Mit welcher Musik bist Du eigentlich aufgewachsen?

Louisan: Meine Familie war nie sehr musikinteressiert, mit dieser Leidenschaft war ich ziemlich allein. Ich hatte leider keine große Plattensammlung zur Verfügung, sondern bin sehr durchs Radio geprägt worden und durch das, was man so mitbekommen hat: Madonna, Prince. Durch die ostdeutsche Offenheit zur französischen Kultur, dadurch, dass man französische Filme sehen und französische Musik hören konnte, hatte ich auch früh einen Draht zu Aznavour und Chabrol. Hildegard Knef und die Dietrich habe ich durch meine Großeltern mitbekommen. Aber alles andere hat sich in meiner Jugend, nach der Wende entwickelt. Als ich jung war, war gerade deutscher HipHop im Kommen. Das waren die ersten Texte, bei denen ich das Gefühl hatte: Das ist Jetzt, das ist die Gegenwart. Das war eine Alltagssprache, die nicht in den Straßen New Yorks entsteht, sondern hier. Später dann Rio Reiser, Grönemeyer. Und auch Element of Crime, die ich toll finde. Ich bin ein großer Fan ihrer Texte. Das sind große Könner.

Wie sieht denn der typische Tag aus, an dem Du nicht arbeiten musst?

Louisan: Ich frühstücke ausgiebigst. Ich liebe Frühstücken. Dafür nehme ich mir Zeit. Und ich kann auch sonst ganz schön faul sein und auch mal den ganzen Tag im Pyjama rumlaufen und einen Roman wälzen. So kann ich gut abschalten. Für mich ist es ein großer Luxus, auch mal nicht an mich als Annett Louisan zu denken und an all das, womit sie verknüpft ist. Sie ist natürlich immer da. Aber es ist schön, das Ganze auch mal auszuklammern. Und das ist weiß Gott ganz schwierig. Weil sie ein so kräftiger Teil meines Lebens ist. Man muss immer aufpassen, dass sie nicht zu kräftig wird.

Du trennst die Kunstfigur Anett Louisan von Dir als Privatperson?

Louisan: Das Schöne an meinem Beruf ist, dass ich darin all das sein kann, was ich mir wünsche. Was davon tatsächlich Wahrheit ist und was Fantasie, das mag ich nie so richtig aussprechen. Es vermischt sich auch immer. Es gibt Künstlerinnen wie Joni Mitchell, die immer so echt und wahr an ihrem eigenen Leben sind und einen Seelenstriptease hinlegen, dass es mir fast schon Angst macht. Ich könnte das nicht. Bei mir ist das immer eine Mischung aus Inszenierung und Persönlichem, eher wie bei Künstlern wie David Bowie und Tom Waits, die auch dieses Theatralische und Inszenierte haben.

Die Krise der Musikindustrie, der Rückgang der Plattenkäufe ist im Moment ein Riesenthema. Spürst Du mehr Druck als vor ein paar Jahren?

Louisan: Das ist nicht mehr das, was es mal war. Leute, die schon lange im Geschäft sind, erzählen mir immer von den rauschenden, verschwenderischen Partys in den 80er-Jahren und davon, dass man damals Platten wie Heu verkauft hat. Das war eine echte Glamourwelt, und das ist heute natürlich nicht mehr so. Das ist der Gang der Dinge. Viele Menschen meinen heute, dass man für Musik nichts mehr bezahlen muss, aber daran kann man nichts mehr ändern. Weniger Musik wird durch die Downloads und die neuen Technologien ja nicht gehört, sondern eher mehr. Überall läuft heute Musik, zum Teil sogar unter den Radionachrichten. Mir ist das oft zu viel. Man ist überall komplett vollgedröhnt. Selbst ich habe mich lange nicht mehr abends hingesetzt und ein ganzes Album durchgehört. Was die Musikindustrie angeht, glaube ich, dass neue Wege gefunden werden müssen. Vielleicht werden Studioalben irgendwann gratis mit irgendetwas anderem verkauft, oder man bekommt auf einem Konzert einen USB-Stick mit neuen Songs. Es gibt so viele Möglichkeiten. ~ Andrea Schmidt (teleschau)


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