Beim unbeschwerten Punk-Pop ihres 2007er-Debüts "Hats Off To The Buskers" war die musikalische Ahnenreihe von The View mehr als deutlich: The Clash - Oasis - The Libertines - Arctic Monkeys. Kaum verwunderlich, dass das Album in Großbritannien von null auf eins in die Charts schoss. Dieser scheinbar unreflektierte Umgang mit dem einheimischen Gitarrenrock-Erbe war mitreißend, ihr schottischer Akzent extrem charmant. Nicht mehr und nicht weniger. Dass die fröhlichen Jungspunde mit ihrem zweiten Album ein ziemlich ausgebufftes und ausgereiftes Popalbum hinlegen würden, war damals aber nicht abzusehen. ~ Stefan Weber (teleschau) aufklappen »
Wenn man so will, fügen The View ihrer Punk- und Rock-Ahnengalerie so viele (Vor-)Bilder hinzu, dass sie zum ausgewachsenen Pop-Stammbaum wird. Die Stilvielfalt und Offenheit, die "Which Bitch?" auszeichnet, führt sogar soweit, dass die immer noch vorhandenen Smashsongs wie "5 Rebbeccas" oder "Temptation Dice" fast schon anachronistisch wirken. Denn heute sind The View einfach viel weiter als zu Zeiten ihres Debütalbums.
Schon der Opener "Typical Time 2" ist eine verspielte Piano-Miniatur mit Mundharmonika. "One Off Pretender" kommt mit einem lässig aus dem Ärmel geschüttelten Weezer-Refrain daher. "Realisation" vermählt Akustikgitarren mit The-Cure-Bass und Flöten. "Unexpected" macht seinem Namen alle Ehre und zeigt, dass The View auch eine streichermächtige Rockballaden können. Und das üppige "Distant Doubloon" treibt diese (Weiter-)Entwicklung auf die Spitze, ist Tin-Pan-Alley-geschulter Dandy-Orchesterpop.
Wie das Debüt auch, ist "Which Bitch?" mit 14 Songs etwas überdimensioniert. Und wirkt an mancher Stelle in der Bemühung, sich weiterzuentwickeln etwas überambitioniert. Trotzdem: Wie The View ihr Punk-Pop-Blickfeld in alle musikalischen Himmelsrichtungen erweitern, hat schon einige Klasse.