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"Uns ist einfach schier der Kopf geplatzt"


Sportfreund Flo Weber über Freud und Leid einer "MTV Unplugged"-Session

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"Uns ist einfach schier der Kopf geplatzt"

Sportfreund Flo Weber über Freud und Leid einer "MTV Unplugged"-Session

22.05.2009 Eric Clapton, Nirvana, R.E.M., Herbert Grönemeyer, Die Toten Hosen, Xavier Naidoo - dass sich die Sportfreunde Stiller je in diese Reihe einordnen lassen, hätten viele sicherlich nie geglaubt. Am wenigsten aber das Trio selbst. "Sehr erstaunt" sei man gewesen, gibt Sportfreunde-Drummer Florian "Flo" Weber im Interview zu, als MTV anfragte, ob die drei eine der legendären Akustikshows einspielen wollten. Bevor die Session, die nun als "MTV Unplugged In New York" als Album veröffentlicht wird, zu einem Erfolg werden konnte, mussten allerdings zahlreiche Probleme überwunden werden. Nicht nur zwischen den Sportfreunden Peter, Flo und Rüde selbst.

Fangen wir mal von vorne an ... Wie war das denn, als das Angebot von MTV kam?

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Florian "Flo" Weber: Das war in Berlin in einem Hotel. Da beraumte MTV ein Treffen ein, und wir konnten uns überhaupt nicht denken, was die da von uns wollten. Und wenn wir telefoniert hätten, hätten wir sicher erst mal den Telefonhörer wieder aufheben müssen. Aber es hat uns natürlich sehr gefreut. Das ist ein musikalischer Ritterschlag, in dieser Reihe mitmachen zu dürfen.

Und wieso New York?

Weber: Naja, uns ist einfach schier der Kopf geplatzt, bei der Frage, was wir machen sollen. Wir haben unglaublich viele Locations besucht. Wir haben uns halt zunächst voll auf die Musik geschmissen, und haben so ein bisschen vergessen, dass wir ja doch eine Örtlichkeit festlegen müssen. Und irgendwann haben wir uns damit beschäftigt und gemerkt, dass das gar nicht so einfach ist.

Das sollte man gar nicht glauben ...

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Weber: Naja, du musst vieles beachten: Die Größe, die Lage, es muss wetterfest sein. Und dabei sind wir fast verreckt. Wir haben bestimmt 40 Örtlichkeiten besucht, haben im Netz geforscht. Das ging von der Turbinenhalle, Elektrizitätswerk, Kesselwerk, Oktoberfestzelt, Regenauffangbecken, wir waren auf einem Ponyhof, wir haben in einem Swingerclub nachgeschaut, in einem Schwimmbad waren wir drin. Donaudampfer, Luxusliner, Tupolew, Atomkraftwerk, Teppichgeschäft. Es gab tausend Ideen (lacht). Und wir dachten irgendwann, das gibt's doch nicht, dass wir keine verdammte Örtlichkeit finden.

Wer kam schließlich auf die Lösung, das Ganze einfach in einer Filmkulisse in den Bavaria-Filmstudios zu drehen?

Weber: Das war unser Regisseur, der Uwe (Flade, die Red.). Er meinte, dass er uns mal ein paar Bilder zeigen kann, dass uns das vielleicht gefällt. Und dann zauberte er die Stunthalle, diese Kulisse hervor. Ich dachte mir auch gleich, das Ganze könnte doch so eine Art "West Side Story" werden. Peter meinte auch: "Ja, das mach' mer." Den Rüde überzeugten wir dann vor Ort. Dann sprudelten auch sofort die Ideen.

Auf dem Donaudampfer wär's bestimmt auch nett gewesen ...

Weber: Ja, wir waren da drauf und dachten: "Das ist es." Wir fuhren heim, und dann kam der Anruf vom Uwe: "Ah, vielleicht doch zu klein. Und wenn sich der Dampfer bewegt ... Und dann haben wir keinen Strom ..." So ging es uns oft.

Wie erging es Euch mit den Songs? So ein "Unplugged" ist ja auch immer ein Rückblick auf das bisherige Schaffen, eine Art Best Of. Gibt's Songs, die Ihr für Euch wiederentdeckt habt?

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Weber: Das gab's oft. Da wir die Lieder sowieso immer komplett von vorne aufgerollt und betrachtet haben, gab's schon welche, zu denen wir einen Zugang fanden, die uns vorher nicht so viel Spaß gemacht haben.

Wie zum Beispiel?

Weber: "Sieben Tage, sieben Nächte". Das ist ja ein komplett verändertes Lied. Das hat schon Spaß gemacht, wir haben's auch öfter mal gespielt, aber schon hauptsächlich, weil's das Publikum halt immer ganz gut findet. Und da waren wir eine Woche lang auf einer Hütte, widmeten uns der Musik, irgendwo in den Bergen. Und im Schnapsdelirium entstand dann dieses Lied. Das ist schon der Song, der bei den Leuten am meisten hängen bleibt, und auch uns hat das Spaß gemacht, dieser Zigeunerwalzer, der dann so ausartet.

Mal abgesehen von der Locationssuche: Was war die größte Herausforderung für Euch?

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Weber: Dass man uns dazu bringt, zu proben. Wir hatten ja immer das Motto: "Ohne proben nach oben". Und das hat sich jetzt tatsächlich geändert in: "Mit viel üben nach drüben". Wir holten Tobi (Kuhn, die Red.) und Dave (Andersen, die Red.) von Monta ins Boot, so als musikalische Hilfestellung. Und die mussten uns erst mal in den Arsch treten. Dass es eben nicht geht, nur zwei Mal in der Woche zu proben und sich dann da hinzusetzen.

Klingt nach einer wirklichen Anstrengung ...

Weber: Ja, der Rüde holte sich sogar extra einen Lehrer. Er konnte ja vorher keinen Ton Kontrabass spielen, setzte sich sechs Monate intensiv mit dem Kontrabass-Lehrer auseinander. Und lernte das vollkommen neu. Peter hatte auch Gesangsunterricht. Nur ich: Ich kann halt alles (grinst). Ich muss nicht viel üben.

Ach, komm ...

Weber: Na ja, es gab dann doch eine Sache, die mich beim Proben tatsächlich zur Weißglut brachte: Immer wieder die Aufforderung, doch leiser zu spielen. Ich hab irgendwann gesagt: "Ihr blöden Arschlöcher, macht's halt selber." Aber ich war am Anfang immer zu laut, es holperte und polterte.

Hattet Ihr zu irgendeinem Zeitpunkt mal Angst, dass die Sache in die Hose gehen könnte?

Weber: Wir hatten keine Angst, dass das musikalisch nicht hinhaut. Irgendwann war das einfach ein Automatismus. Wir probten das wirklich so oft und hatten so einen tollen Rückhalt durch die anderen Musiker, dass wir wussten: Das Set, das steht einfach, da kann uns nix umbringen. Aber als es dann drei Tage vor dem Auftritt hieß, dass Tobi, der Gitarrist, nicht mitmachen kann, weil er krank war ... da dachten wir, das kann ja wohl nicht sein, dass wir uns sechs Monate den Arsch aufreißen, und dann kippt das Ganze. Und dann kriegten wir Panik.

Was habt Ihr dann gemacht?

Weber: Wir riefen zwei Gitarristen an, einer davon war der Chris von den Emil Bulls, Rüde hat mit ihm gesprochen. Er sagte: "Chrissi, bitte hilf uns, du musst innerhalb von drei Tagen elf Lieder lernen." Er schickte ihm das und telefonierte am nächsten Tag wieder mit ihm: "Chris, wie schaut's aus?" Und er: "Die elf Lieder kann ich." Und Rüde: "Machst du jetzt nochmal 15?" Und er: "Ja, logo." Chris kam zwei Tage später, wir probten gemeinsam, und er sagte dem Peter dann sogar immer, was er falsch macht (lacht): "Ne, Peter, bei den Aufnahmen hast du's anders gespielt ..." Er hat uns das Ding gerettet.

Wie lief das mit den Stargästen? Udo Jürgens einzuladen, ist ja nicht unbedingt naheliegend ...

Weber: Aber genau das ist ja das Spannende. Wir haben mit "Ich war noch niemals in New York" unser erstes Cover schon früh festgelegt. Das spielten wir schon vor einigen Jahren live, das machte sehr viel Spaß, und deswegen sagten wir: Das ist auf alle Fälle im Boot. Noch bevor wir überhaupt diese Location gefunden hatten. Und dem Udo schickten wir dann ein Demo. Er war begeistert von der Idee, diese Crossover-Kombination, und erklärte sich auch ziemlich schnell bereit, das zu machen. Er hatte aber keine Zeit bei unserem Auftritt, und wir lösten das eben dadurch, dass wir ihn aufnahmen - sowohl stimmlich als auch auf Band. Und spielten ihn dann virtuell ein.

Gab's irgendeinen Gast, den Ihr noch gerne gehabt hättet?

Weber: Ja, es gab einen. Und zwar wollten wir - der hatte leider keine Zeit, der wäre gern dabei gewesen - Bela B. haben: Nur dafür, dass er mit dem Rollstuhl einmal durchs Set fährt, ohne dass er irgendwas macht (grinst). Das wäre so geil gewesen.

Gerade Eure Live-Auftritte leben ja von unvorhergesehenen Momenten. Wie war das für Euch in dieser ungewohnten Studiosituation, dass man für die Aufzeichnung womöglich auch mal ein Lied wiederholen muss?

Weber: Die Authentizität fehlte natürlich so ein bisschen. Das war aber klar, dass man sich darauf eben einlassen muss. Wir sind aber auch froh, dass wir wenigstens in Momenten der Panne - einmal ist der Bass kaputt gegangen, einmal die Kamera - unsere Stärken so ein wenig ausleben und das Publikum unterhalten konnten. Und das war für uns ja die große Frage: Kommt die Stimmung rüber? Sitzen wir nicht zu weit weg vom Publikum? Deswegen hatten wir ganz vorne ja auch noch mal Sofas hingestellt, um mehr Nähe zu bekommen. Und was machen wir, wenn die Leute gar nicht mitgehen?

Das hat aber ja sichtlich funktioniert. Wie schätzt Du das Ganze - mit ein wenig Abstand betrachtet - jetzt ein?

Weber: Das war definitiv unser wichtigstes musikalisches Erlebnis. Ich bekam nach dem letzten Schlag bei "Ich, Roque" am zweiten Tag, als klar war, das war's jetzt, jetzt ist dieses ganze Riesenprojekt mit einem Schlag vorbei, eine Gänsehaut aus Freude und hatte Tränen in den Augen aus Wehmut.

Und trotz all dem Spaß wollt Ihr jetzt erst mal eine längere Pause einlegen?

Weber: Ja, sogar eine unbestimmte. Das ist auch wirklich gut, denn seitdem es uns gibt, haben wir unsere Alben immer festgelegt, terminiert. Und es gab kein Album, bei dem wir nicht in die Bredouille geraten sind. Immer: Scheiße, jetzt schnell die Texte rausschütteln. Und dann im Studio: Jetzt los, mach die Melodie noch schnell fertig. Das muss jetzt mal anders sein. Wir dürfen jetzt erst ins Studio gehen, wenn wir alles beisammenhaben. ~ Stefan Weber (teleschau)


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