M.I.A.

Gebt dem Krieg eine Chance!


M.I.A. veröffentlicht ihr Album "MAYA" und setzt weiter auf Radikalität

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Gebt dem Krieg eine Chance!

M.I.A. veröffentlicht ihr Album "MAYA" und setzt weiter auf Radikalität

15.07.2010 Die Trüffelfritten wurden ihr zum Verhängnis: Als sich M.I.A. von der "New York Times"-Journalistin Lynn Hirschberg porträtieren ließ, gingen die beiden gemeinsam essen. Später las die Künstlerin in der Zeitung über sich die süffisanten Zeilen: "'Ich will irgendwie ein Außenseiter sein', sagte sie, während sie eine Fritte mit Trüffelaroma aß." M.I.A. konterte, indem sie per Twitter die Telefonnummer Hirschbergs veröffentlichte und ihre Fans aufforderte, dort anzurufen. Tage später schrieb sie einen ganzen Song über den Vorfall, in dem sie eine namentlich nicht näher genannte Journalistin als "dumm wie Scheiße" und "Rassistin" beschimpfte. Wer ist diese Frau, die über die bloße Erwähnung von Luxusessen in derartige Rage verfallen kann?

Mathangi "Maya" Arulpragasam ist ein echtes Kind der Globalisierung: 1975 in London geboren, verbrachte sie ihre Kindheit in Sri Lanka. Dort erlebte sie noch den Beginn des Bürgerkriegs, bevor sie als Zehnjährige gemeinsam mit ihrer Mutter und den Geschwistern in die englische Hauptstadt zurückkehrte. Der Vater blieb in Sri Lanka, die Mutter musste sich und ihre Kinder als Näherin durchbringen - und schaffte es auch: M.I.A. besuchte sogar das College und machte ihren Abschluss im Fach Kunst, Film und Video. Sie veröffentlichte zwei Alben, die von der Kritik hochgelobt wurden, mit "MAYA" erscheint das dritte in diesen Tagen. Inzwischen lebt sie mit dem Milliardärssohn Ben Bronfman in L.A. und hat einen Sohn mit ihm.

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Was für eine schöne Geschichte. Aus der Armut des Bürgerkriegslandes Sri Lanka bis in die US-amerikanische High Society - eigentlich müsste Amerika, das solche Aufsteigergeschichten liebt, ihr zu Füßen liegen. Stattdessen erscheinen gerade dort mit Spitzen durchsäte Artikel in den Zeitungen, und ihre Authentizität wird heftig in Frage gestellt. Denn ganz so einfach ist die Geschichte eben doch nicht. Ganz so einfach ist M.I.A. nicht.

Anstatt ihre Biografie und ihre dadurch gewachsenen radikalen politischen Ansichten rücksichtsvoll an der Tür zur besseren Gesellschaft abzulegen, schmuggelte M.I.A. ihre hässlichen Wahrheiten, ihre teilweise überzogenen Anklagen und Provokationen durch die Hintertüre mit hinein. Sie verpackte ihre Raps in tanzbare Beats und exotische Melodien, dazu ist ihr Londoner Akzent nicht immer ganz leicht zu verstehen. Dass also etwa der sonnige Singsang in ihrem Hit "Paper Planes" von 2008 (hierzulande bekannt geworden durch den Soundtrack von "Slumdog Millionär") lautete: "Some Some Some I Some I Murder / Some I Some I Let Go", fiel vielen erst auf (wenn überhaupt), als das Lied schon lange zum Ohrwurm geworden war.

Viel deutlicher wird sie in ihrem Song "Born Free" vom aktuellen Album. Der Text ist mit Zeilen wie "I'll throw this shit in your face when I see you / 'cause I got something to say" noch vergleichsweise zahm - doch das Video sorgte für einen kleinen Skandal. Darin wird gezeigt, wie ein brutales Einsatzkommando rothaarige Männer zusammentreibt und auf ein Militärgelände bringt, wo sie erschossen, von Minen zerfetzt oder zu Tode geprügelt werden. Die knapp zehnminütige Gewaltexplosion wurde kurzzeitig sogar von YouTube verbannt, bevor sie in der "ab-18-Sektion" wieder auftauchte.

M.I.A.s Beziehung zu Terror und Gewalt ist kompliziert: Ihre Texte sind randvoll mit Anspielungen, in ihren Videos setzt sie auch immer wieder Symbole ein, die an die militante Rebellenorganisation Sri Lankas, die Tamil Tigers, gemahnen. Ihr Vater gehörte zu den Gründern einer militanten Studentenorganisation in Sri Lanka, die für einen eigenen tamilischen Staat kämpfte und später in den Tamil Tigers aufging. Nach seinem nom de guerre nannte sie ihr erstes Album "Arular".

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Gleichzeitig aber erklärte sie: "Es gibt viele Dinge, die er getan hat, die mir nicht passen", und widersprach immer wieder Vorwürfen, sie glorifiziere den Terror. Trotzdem geistert sie weiter als eine Art Anti-Bono durch die Popszene. "Ich habe genug von Popstars, die sagen 'Give peace a chance', ich würde eher sagen 'Give war a chance'", sagte sie etwa gegenüber Hirschberg.

Ihre Wut auf die Weltgesellschaft findet also immer noch Eingang in ihre Texte, und sie sieht auch keinen Grund, damit aufzuhören: "Ich verstehe nicht, wie man die Klappe halten und einfach den Erfolg genießen kann, während andere Menschen leiden, die nicht den Ruhm oder den Luxus haben, sich Sicherheitsleute leisten zu können. Was zur Hölle tun die? Sie sterben einfach."

Darf man so denken, wenn man inzwischen auf der Seite der Besserverdienenden steht? Ist es schicklich, mit Goldschmuck behangen und Trüffelfritten essend über Armut und Krieg zu sprechen? Wäre es am Ende besser, sie hätte während ihrer Ausführungen Erbsensuppe aus einem Holzschälchen gelöffelt? M.I.A. ist ein dicht gepacktes Bündel an Widersprüchen - um das auszuhalten, muss man schon ein bisschen Kraft aufwenden. Um das zu sein, wahrscheinlich noch viel mehr. ~ Sabine Metzger (teleschau)


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