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Von der Teenage Angst zu echter Größe


Madsen veröffentlichen "Labyrinth"

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Von der Teenage Angst zu echter Größe

Madsen veröffentlichen "Labyrinth"

29.04.2010 Ein Unfall mit Folgen: Nur wenige Tage nach dem Interview stürzte Sänger Sebastian Madsen Anfang März bei einem Videodreh aus vier Metern Höhe auf den Betonfußboden eines Berliner Filmstudios und erlitt einen Trümmerbruch der linken Hand. Während die für Mai angesetzte und ausverkaufte Tournee inzwischen in den Winter verschoben werden musste, erscheint jetzt "Labyrinth", das vierte Album der Band aus dem Wendland, wie ursprünglich geplant. Dass sich die Band, bei der neben Sänger / Texter Sebastian (28) auch seine Brüder Johannes (30, Gitarrist) und Sascha (26, Schlagzeuger) spielen, von diesem Unfall nicht aufhalten lassen, verwundert aber kaum. Denn auch wenn auf "Labyrinth" von Orientierungslosigkeit die Rede ist, musikalisch war sich das Quartett von Anfang sicherer denn je: Eine gewisse "Größe" sollte ihr viertes Album haben.

Euer Berlin-Konzert im Mai ist seit Februar ausverkauft. Ist das nicht langweilig, scheinbar müsst Ihr niemanden mehr überzeugen ...

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Sebastian Madsen: Es ist ja nur der Postbahnhof. Wenn wir jetzt die Wuhlheide ausverkauft hätten, wäre das vielleicht anders. Ich finde es schön, dass uns die Leute so vertrauen, obwohl sie noch keinen Ton von "Labyrinth" gehört haben. Nichts ist schlimmer, als mit so einem Album in einem halb leeren Club zu stehen, auf großes Kino zu machen und damit auf die Nase zu fallen.

Das sagst Du, weil Ihr im Vorfeld in Bezug auf das Album von "Größe" gesprochen habt.

Sascha Madsen: Ja. Eigentlich soll ja das dritte Album das schlimmste sein.

Sebastian: Aber man gewöhnt sich an die Verrücktmacherei. Jede Albumveröffentlichung ist wie Lotto spielen.

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Sascha: Wer uns half, war Olaf Opal. Wir haben unseren Produzenten schon beim letzten Album, bei "Frieden im Krieg", kennengelernt. Daher war er bei den Vorarbeiten schon beim ersten Song, der zweieinhalb Jahre alt ist, eingebunden.

Also wart Ihr gar nicht so orientierungslos wie der Titel "Labyrinth" vermuten lässt.

Sebastian: Wir hatten ziemlich früh eine Vision, was vorher nicht der Fall war. Es kristallisierte sich heraus, dass nun Schluss sein würde mit diesem "Fünf Leute in einem engen Raum machen Musik". Es sollte nicht mehr rough sein, wir wollten Songs in penibler Kleinarbeit aufnehmen, bis sich am Ende ein großes Ganzes ergibt. Mit lauter Details alles ganz anders machen ...

Also alles andere als orientierungslos?

Sebastian: Orientierungslosigkeit ist textlich sicher mein Thema, aber es ist eine andere, eine ältere als noch vor fünf Jahren auf dem Debüt. Ich schreibe nicht ausschließlich über mich, aber es ist schon ganz viel von mir drin in den Liedern. Mit 28 muss man die Jugend hinter sich lassen, dieses Feiern, egal was morgen ist.

Tust Du das mit einem weinenden Auge?

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Sebastian: Gar nicht. Ich finde das sogar ganz schön, denn es war auch anstrengend. Außerdem sehe ich bei meinen Freunden gerade, wie sie anfangen, einen Plan zu haben, mit dem Studium fertig werden. Den Sicherheitsgedanken und das Sichzurückziehen, sich rausnehmen aus seinem bisherigen Leben, lehne ich nach wie vor ab. Ich sehe aber, dass sich eine merkwürdige Ernsthaftigkeit einschleicht.

Und bei Dir, Sascha, was macht Deine Orientierungslosigkeit?

Sascha: Ich bin ja noch ein bisschen jünger (grinst). So plump das klingt, aber ich finde, wir haben Glück, mit dem, was wir lieben, unseren Lebensunterhalt zu verdienen.

Wo lebt ihr denn inzwischen?

Sascha: Ich habe zwei Jahre in Berlin gelebt, jetzt bin ich in Wien. Die anderen beiden wohnen noch im Wendland.

Sebastian: Vor sechs Jahren habe ich angefangen, mit der Stadt zu flirten, seit drei Jahren bin ich jetzt Berliner. Langsam wächst der Freundeskreis. Ich hatte massive Startschwierigkeiten, habe mich aber auf die Stadt eingelassen und genieße es, ja, fühl mich zu Hause. Das hat eine Weile gedauert.

Deshalb hast Du jetzt mit "Berlin" auch ein Lied über die große Stadt geschrieben.

Sebastian: Ich finde, richtig gut hat das bisher nur Peter Fox gemacht ...

Sascha: ... und Hildegard Knef mit "Ich hab noch einen Koffer in Berlin".

Sebastian: Oh, ja. Aber das sind Urberliner. (Eigentlich wurde Hildegard Knef in Ulm geboren - Anm. d. Red.) Was bisher noch fehlte, ist die Hymne für die Zugezogenen, also über diesen Sog, die Versuchungen, die dir die Stadt ständig ins Ohr flüstert. Dabei ist dir eigentlich schon das Autofahren und die volle U-Bahn zu viel.

Hat sich denn Deine Einstellung zum Wendland dadurch verändert?

Sebastian: Heimat ist ein schwieriger Begriff von jeher - das ist für mich dort, wo ich mich wohlfühle. Die Verwurzelung mit dem Wendland kommt durch unsere Eltern und den Proberaum, der da nach wie vor existiert.

Sind Eure Eltern eigentlich die Erklärung für die Anhäufung der Kreativgene unter Euch Brüdern?

Sebastian: Das Musikinteresse haben wir von den Eltern mitbekommen. Ich kann mir vorstellen, dass wir zu viel Beatles gehört haben als Kinder (lacht). Wir wollten das dann auch machen, auf irgendwas rumhauen. Dann bekamen wir eine Trommel, ein Klavier ...

Sascha: ... und schließlich ein Vierspurgerät (strahlt).

Sebastian: Unsere Eltern haben uns da Bescheidenheit gelehrt, uns nicht zugeballert mit Geschenken. Das möchte ich auch mal bei meinen Kindern so handhaben.

Gibt es bei Euch Brüdern noch andere Gemeinsamkeiten neben der Musik?

Sebastian: Wir kochen gerne, dafür verzichte ich auf Sport. Sascha und ich schicken uns Rezepte, teilen dem anderen den aktuellen Stand des Kochvorgangs mit. Ich finde es toll, mal den ganzen Tag in der Küche zu stehen.

Gibt es etwas, wo die Meinungen auseinandergehen?

Sascha und Sebastian: Formel 1.

Sascha: Johannes, unser älterer Bruder, hat eine Carrerabahn, fährt da mit seinen Freunden Auto - das ist zu hoch für uns, verstehen wir nicht.

Euer Keyboarder Folkert Jahnke ist ausgestiegen. Warum?

Sascha: Er hatte keine Lust mehr, und man muss es ihm hoch anrechnen, dass er uns das ins Gesicht gesagt hat, bevor es zu Streitigkeiten kam.

Hatte seine Entscheidung irgendwas mit dem Altersunterschied zu tun? Er ist im März 40 geworden, Ihr seid gut zehn Jahre jünger.

Sebastian: Er war unser Ruhepol, bei ihm konnten wir alle unser Herz ausschütten. Folkert ist kein wahnsinnig guter Musiker, das weiß er auch, aber er war ein angenehmer Geselle und hat die Schweineorgel perfekt bedient. Jetzt haben wir eine Keyboarderin, Lisa Who, und ich bin gespannt, wie das wird mit einer Frau auf Tour zu sein.

Eine letzte Frage. Dir ist es wichtig, Kitsch in den Texten zu vermeiden. Wie versuchst Du das?

Sebastian: Mir hilft die eigene Sprache, die ich ausgearbeitet habe im Laufe der Zeit. Berlin ist ein guter Ort, um Menschen zu beobachten, und Dreck ist sicher ein gutes Stichwort in Hinblick darauf, sich mit der Wahrheit zu konfrontieren. Wenn man viel alleine ist, träumt man sich in andere Welten, was bei mir auch jahrelang funktioniert hat, aber das reicht nicht auf Dauer. Die ernüchternde Wahrheit ist hilfreich beim Texten. ~ Claudia Nitsche (teleschau)


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