Wie mit so vielen erstrebenswerten Dingen des Lebens verhält es sich auch mit der Musik: Große Platten sind zumeist ein Ziel, das man trifft, indem man nicht darauf zielt. So gesehen ist der nicht mehr ganz neue Trend zum Nebenprojekt vielleicht eines der größten Glücksversprechen des zeitgenössischen Pop. Denn während etwa eine Band vom Schlag der Strokes den lässigen Charme ihres gefeierten Debüts mit zunehmender Konzentration und Innovation geradewegs verfehlt, herrscht in alternativen Spontankonstellationen zumindest wieder beflügelnde Zwanglosigkeit. ~ Jens Szameit (teleschau) aufklappen »
Strokes-Drummer Fab Moretti, zuletzt eh eher als Salonlöwe denn als Musiker auffällig, mag sich an dem geglückten Arctic-Monkeys-Ableger Last Shadow Puppets oder dem nonchalanten Solowurf von Maximo-Park-Gitarrist Duncan Lloyd ein Beispiel genommen haben. Mit den Multiinstrumentalisten Rodrigo Amarante - sonst bei den Los Hermanos - und Binki Shapiro fand er jedenfalls zwei Spielgefährten, die ihm einen beseelten Zeitvertreib wert waren. Little Joy heißen Band und Album, womit der Wesenszug des Projekts auch treffend umrissen ist. Kleine Freuden statt großer Würfe, Müßiggang statt Fleißarbeit, Sonne statt Smog, Los Angeles statt New York.
Natürlich kann man sich ganz ohne Ambition und Eifer auch ziemlich leicht verzetteln, und so ganz räumt "Little Joy" diesen Verdacht auch nicht aus. Dennoch verströmt die Platte eine Wonne und Wärme, der man sich so schwer entziehen kann wie ein Surfer den Wellen: Es perlt, schrammelt und pluckert im sacht wogenden Opener "The Next Time Around" oder im beschwingten Bläser-Pop "Brand New Start". Ganz wunderbar gelingen auch die beiden von Binki Shapiro gesungenen Stücke, durchaus vergleichbar mit den von Maureen Tucker gehauchten zerbrechlichen Kleinoden der Velvet Underground.
Ganz seine Herkunft verdecken kann Moretti bei all dem nicht. So sind mit "Keep Me In Mind" und "How To Hang A Warhol" auch zwei Songs im coolen "Is This It"-Stil vertreten, die Morettis Hauptband aufgrund des ungeschriebenen Weiterentwicklungsdiktats eben nicht mehr spielen mag. Bei Little Joy dagegen darf er alles, und so gibt es ganz zum Schluss mit "Evaporar" sogar noch einen tagträumerischen Bossa Nova in genuscheltem Portugiesisch. Das hat dann endgültig das beneidenswerte Temperament unrasierter Spät-Hippies, die sich weniger für Blümchen und mehr für Dosenbier interessieren.