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Das ist die Berliner Luft


K.I.Z. veröffentlichen "Sexismus gegen Rechts"

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Das ist die Berliner Luft

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10.07.2009 Der Landwehrkanal stinkt, schon seit einer ganzen Weile. Der eher trübe und arg gemächliche Wasserweg, der von der Spree über zwölf Kilometer Richtung Charlottenburg fließt, scheint ein Problem zu haben. K.I.Z. sitzen dort, wo der Kanal die natürliche Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln darstellt, in einem Café. Selbst hier riecht man ihn noch, den Kanal, was aber ganz gut passt - immerhin haben die Berliner Rapper, denen man so gerne Bindestrichworte wie Schock- oder Skandal- voranstellt, auch auf ihrem neuen Album "Sexismus gegen Rechts" einige Stücke im Angebot, die durchaus fäkal sind. "Ringelpiez mit Anscheissen" etwa, oder "Klopapier".

Vor allem aber stellt der Kanal für K.I.Z. einen geografischen Bezugspunkt dar. Kreuzberg und der nördliche, gerne Kreuzkölln genannte Teil Neuköllns ist die Gegend, in der Tarek, Maxim, Nico und DJ Craft leben. In der Nähe des Schlesischen Tors befindet sich ihr Aufnahmestudio, an der gleichnamigen Hochbahnstation fand vor gut eineinhalb Jahren ein immer noch auf Youtube zu sehendes illegales Konzert statt, das eigentlich in einem U-Bahnzug stattfinden sollte, dann aber in einem Großeinsatz der Berliner Polizei mündete.

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Vor allem aber: Einen Steinentwurf vom Interviewort entfernt drehten K.I.Z. kürzlich das Video zur Singleauskopplung "Eintritt": Da sieht man die Band als Sondereinsatztruppe der Polizei dabei, wie sie in dem Stadtteil ordentlich herumrandaliert.

Eigentlich randaliert bei K.I.Z. natürlich keiner. Und im Gegensatz zu so manchen Kollegen aus dem Ersguterjunge- oder Aggro-Berlin-Camp merkt man auch ziemlich schnell, dass Gewalt und Pöbelei bei dem Vierer zwar von ganzem Herzen kommt, aber eben immer auf einer Art inneren Leinwand stattfindet. Tracks wie "Selbstjustiz" sind also keine direkten Standortbestimmungen des eigenen Egos, sondern kleine, fein zusammenfantasierte Tagträume, die meistens deshalb funktionieren, weil die Erzählperspektive eine andere als die eigentlich erwartete ist.

"Wenn wir die Wirtschaftskrise nehmen und aus der Perspektive eines Bankers schildern, ist das einfach lustiger, als wenn wir etwas ernsthaft kritisieren. Man kann viel ausgeflipptere Texte machen", erzählt Tarek und fügt an, dass man diesmal aber durchaus darauf geachtet habe, etwas mehr Schwere und Ernsthaftigkeit in die Songs zu bringen. Bestes Beispiel: "Straight Outta Kärnten", in dem der Tod Jörg Haiders thematisiert wird, und zwar auf sehr direkte Art und Weise. Das führte während der Österreich-Tournee im Frühsommer durchaus zu kritischen Reaktionen: "Es gab Fans, die nach dem Konzert kamen und sich beschwerten. Die sagten dann, Haider wäre kein Nazi gewesen, der hätte ja nur gesagt, was alle dachten und so. Das ist natürlich totaler Unsinn, es lässt sich ja mit Zitaten ganz einfach belegen, dass der rechtsradikal war", erklärt Nico. Und fügt an, dass es überhaupt kein Problem sei, wenn solche Leute K.I.Z. nicht mehr hören würden. Die wolle man ohnehin nicht als Fans haben. Und auf Nachfrage, wie das denn sei mit den Toten, über die man nichts Schlechtes sagt, sagt er nur kurz: "Der Tod ist kein Verdienst."

"Straight Outta Kärnten" dürfte für K.I.Z. einer der bisher wichtigsten Songs ihrer Laufbahn sein. Die Band, die sich absurderweise selbst schon Rassismus-Vorwürfen ausgesetzt sah, zeigt damit tatsächlich die Vielschichtigkeit, die eine Laufbahn jenseits der üblichen Coolheits-Zeitzyklen benötigen dürfte. Dass die Kernkompetenz nach wie vor im gekonnten Tabubruch liegt, sollte man aber schon auch sagen dürfen. So schildert "Ohrfeige" - da haben wir wieder den Perspektivenwechsel - den Geschlechterkampf aus der Perspektive eines Supermachos, der in seiner Beziehung nicht so ganz weiterkommt. "Für mich ist meine Freundin die Trägerin meiner Ehre, ich sperr' sie in einen Bunker, zehn Meter unter der Erde. Meine Frau darf nicht rausgehen wie Hanns Martin Schleyer, meine Frau darf nicht ausgehen, wie das Olympische Feuer" heißt es hier. "Dafür haben wir am längsten gebraucht, das war sicher der schwierigste Track", erklärt Tarek.

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Was auffällt: Die Platte punktet trotz der Themenvielfalt durch eine klangliche Geschlossenheit, die die des Vorgängers noch einmal in den Schatten stellt - und das, obwohl diverse Produzenten und einige Feature-Gäste am Start sind. Höhepunkt ist sicher Berlins wohl bekanntester Rapper Sido, der in "Die kleinen Dinge" über sein Geschlechtsteil spricht, der Rest stammt aus dem näheren Umfeld.

Auf die ja auch in Deutschland immer häufiger vorkommenden Feature-Rundumschläge aus Gewinnmaximierungsgründen haben die Berliner ohnehin keine Lust. "Es ist nicht so, dass man alles gemeinsam einspielen und aufnehmen muss", sagt Tarek. "Aber man sollte sich schon kennen und mögen." Und wer weiß, vielleicht ist das mit dem sich Mögen in Berlin ja sogar etwas einfacher geworden. Denn wo Kollegen das HipHop-Label-Sterben in der Hauptstadt auch als Zeichen einer kreativen Götterdämmerung im Genre begreifen, sind K.I.Z. guter Dinge. Immer noch, so sagen sie, komme einiges an Nachwuchs, außerdem könnte es nach dem Ableben von Royal Bunker, Optik und Aggro Berlin sogar passieren, dass alte Feindschaften quasi verpuffen und Raum für neue Zusammenarbeiten entstehen lassen würden. Morgenluft also, die da gewittert wird. Wenn jetzt die Stadtverwaltung noch die Sache mit dem müffelnden Landwehrkanal in den Griff bekommt, ist alles gut. ~ Jochen Overbeck (teleschau)


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