In seiner Heimat Großbritannien funktionierte alles ganz gut: Seit 2003 ist Jay Sean dort zwar nicht ganz oben, aber immer wieder in den Hitparaden vertreten. Die größte Anhängerschaft sitzt indes in Asien, wo Sean - glaubt man der Plattenfirma - tatsächlich einer der ganz Großen ist. Jetzt versucht der 28-Jährige, den Rest der Welt zu erobern. "All Or Nothing" erscheint beim renommierten HipHop- und R'n'B-Label "Cash Money Records", wo unter anderem Lil' Wayne unter Vertrag ist, der folgerichtig gleich mal für ein Feature gebucht wurde. "Down" wurde als erste Single ausgekoppelt und schoss wie erwartet sofort an die Spitzenposition der amerikanischen Single-Charts. ~ Jochen Overbeck (teleschau) aufklappen »
Das klingt ein bisschen nach Reißbrettarbeit. Und vermutlich ist's genau die, denn wie sehr das Album auf den amerikanischen Markt zugeschnitten wurde, zeigen genau die Stücke, die man vorsichtshalber mal nicht auf die Platte packte: Weder der Song mit Craig David noch der mit Keisha Buchanan von den Sugababes landete letztendlich auf der CD - stattdessen setzte man auf übliche Verdächtige wie eben Lil' Wayne oder Dancehall-Star Sean Paul. So verständlich das aus marktpolitischen Gründen sein mag, kreativ ist es ein ungeheures Defizit: Nicht, dass David oder Buchanan aus "All Or Nothing" eine Bombe gemacht hätten - aber der eine oder andere Blick über den Tellerrand amerikanischen Produzenten-Souls hätte sicher nicht geschadet.
Denn "All Or Nothing" bleibt über weite Strecken blass, was auch an der Produktion liegt. Während die Alltagssünde Autotune und sonstige Vokalpolituren über einige Songs gelegt wurden wie durchsichtiger Plastikschonbezüge über eine Sofagarnitur, unternahm man sonst herzlich wenig: Dicke Beats? Nicht wirklich. Spannende Instrumentalpassagen? Fehlanzeige. Das für die Produktionsarbeit verantwortliche und durchaus etablierte Duo The Orange Factory setzte stattdessen auf radiotaugliche Beats, latente Eurodance-Einflüsse und viele, viele Synthies. Zu wenig Substanz, um aus dem Durchschnitt herauszustechen.