Jane Birkin

Nackt auf der Bühne


Jane Birkin geht mit ihrem Album "Enfants d'hiver" auf Deutschland-Tour

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Nackt auf der Bühne

Jane Birkin geht mit ihrem Album "Enfants d'hiver" auf Deutschland-Tour

25.04.2009 Die wilden Jahre sind für Jane Birkin (62) vorbei. Die seit 40 Jahren in Frankreich lebende Engländerin war nicht nur dank der leidenschaftlichen Ehe mit Serge Gainsbourg und ihrem gemeinsamen, damals Aufsehen erregenden Duett "Je t'aime ... moi non plus" eines der bekanntesten Kinder der 60er-Jahre. Sie probierte sich aus, sie brach Konventionen. Das macht sie zwar immer noch und ist deshalb ein sehr lebendiger Teil der Nouvelle-Chanson-Szene. Aber die Birkin ist ruhiger geworden, ehrlicher zu sich selbst, wie sie im Interview bemerkt. Eine Aussage, die ihr letztes Album "Enfants d'hiver" bestätigt. Ihr ruhiges und sehr intimes Album, das sie Ende letzten Jahres veröffentlichte, stellt Jane Birkin nun auf Deutschland-Tournee live vor und wagt den öffentlichen Seelenstrip.

Es ist sehr mutig, sich so offen und verletzlich zu präsentieren, wie Sie es auf "Enfants d'hiver" tun. Warum hatten Sie gerade jetzt den Mut, Ihre persönlichen Geheimnisse zu offenbaren?

Jane Birkin - D

Jane Birkin: Das ist weniger mutig, als offen. Ehrlichkeit und Wahrheit bieten große Chancen, Menschen zu berühren. Ich weiß, dass ich alt werde, obwohl ich gestern noch ein Kind war. Es sind einfache Dinge über die ich singe, aber wichtige. Ich glaube, dass es viele Menschen, gibt, die sich nach einer letzten Liebe sehnen, nach jemandem, der die faltige Hand hält. Es kommt nicht mehr darauf an, so auszusehen, als wäre man ein wandelndes Hochglanzmagazin-Cover. Der Körper altert, Hände, Arme, Beine, Bauch - das ist alles nicht mehr perfekt.

Sie haben also keine Angst vorm Altern?

Birkin: Überhaupt nicht. Außerdem mag ich ältere Männer. Das Alter ist jedenfalls kein Kriterium. Für mich zählen Neugier, Intelligenz und Humor. Perfektion hat mich nie interessiert, obwohl ich mir gerne, schöne, junge Menschen ansehe. Wie meine Töchter, die unglaublich schöne Frauen sind. Das Einzige, was ich wollte, war, dass mein Album die Menschen bewegt. Deswegen spreche ich über meine alltäglichen Sorgen und Ängste. Es gibt zwei Songs auf "Enfants d'hiver" über die Angst, das eigene Kind zu verlieren - das ist mir fast passiert. Als sie fast ertrunken ist, wurde mir ganz plötzlich bewusst, wie schön meine Tochter eigentlich ist. Und der anderen Tochter habe ich erst gesagt, dass ich sie liebe, als ich sie fast durch ein Blutgerinnsel im Gehirn verlor. Ich frage mich natürlich, ob es an der englischen Angst vor Gefühlen liegt, dass es immer erst solche Momente braucht, um ehrlich zu sein. Auch deswegen habe ich das Album gemacht.

Fühlen Sie sich überhaupt noch als Engländerin nach all den Jahren in Frankreich?

Jane Birkin - \"

Birkin: Natürlich bin ich mittlerweile mehr Französin, aber die Kindheit prägt natürlich, lässt sich nie ändern. Ich kann meinen Vater immer noch sarkastisch lachen hören, wenn jemand anderes sagte: "Ich liebe Dich." Das war die eine Seite. Andererseits sagte er mir selber oft genug, wie sehr er mich liebt, und dass ich für ihn das schönste Mädchen der Welt war. Glücklicherweise habe ich alle seine Briefe aufgehoben, die er mir schrieb. Und ich mache es genauso: Ich schreibe meinen Kindern und Enkeln Briefe, um eine Spur zu hinterlassen. Das Papier bleibt. Es ist eine ewige Berührung, zu der ich früher nicht fähig war.

Sie haben sich also im Laufe der Jahre sehr verändert?

Birkin: Ich bin jetzt fähig die Dinge einfach zu tun oder zu sagen, bevor ich bedauere, sie eben nicht getan oder gesagt zu haben. Ich hatte immer eine so schrecklich Angst, unpopulär zu sein.

Jetzt singen Sie in "Prends cette mains" sogar von Ihrer Nacktheit, was Ihnen im Aufnahmestudio vor den anwesenden Männern schwer gefallen ist. Sie haben sogar den Raum verlassen ...

Birkin: Ach, eigentlich war das zunächst eine ganz bequeme Situation: Es waren nur Frauen anwesend. Aber dann kam doch ein Mann rein, und ich habe mich auf die Damentoilette verdrückt, weil ich es nicht wagte, die Liedzeile "Ich möchte nackt vor Dir stehen" zu singen. Nach einer Weile fragte ich ihn, ob ich den Text ändern solle. Da gab es ein kollektives "Nein", weil der Song dann nicht mehr das ausdrücken würde, was ich sagen will. Und mal ganz ehrlich: Wer die Geschichte nicht kennt, wird sich bei dem Song gar nichts denken.

Aus dem ansonsten sehr intimen, ruhigen Album sticht "Aung San Suu Kyii" wie ein Dorn heraus: ein wütender politischer Song, der sich mit der Lage in Burma beschäftigt, als einziger auf Englisch ...

Jane Birkin - A

Birkin: Das war eine bewusste Entscheidung. Ich wollte ein internationales Publikum erreichen und auf die Situation von Aung San Suu Kyii und ihre demokratische Bewegung in Burma aufmerksam machen. Es musste zu diesem Zeitpunkt geschehen, denn wenn sie sterben sollte, hätten wir überhaupt kein Interesse mehr an den politischen Entwicklungen im Land. Die Menschen dort wurden nach dem kurzen Aufstand im Herbst 2007 und der dazugehörigen medialen Aufmerksamkeit gleich wieder vergessen. Wir haben sie beim Protestieren gefilmt, und das war's. Es gab keine Interventionen, keine Untersuchungen, es hat sich nicht einmal irgendjemand wirklich aufgeregt. Was wir tun können, was wir tun müssen, ist: Schreien. Ich könnte sofort ein Dutzend Songs schreiben über all das, was in der Welt schief läuft.

Aber Sie wollten kein politisches Album machen?

Birkin: Der Song über Aung San Suu Kyii war einfach der dringendste, weil sie in der Entstehungszeit des Albums fast umkam. Mittlerweile darf ich in Burma nicht mehr einreisen, in Russland übrigens auch nicht. Weil ich in Moskau gegen Putins Tschtschenien-Politik angesungen habe. Ehrlich gesagt würde ich mittlerweile gern, dass eine engagierte junge Generation übernimmt. Ich fühle mich etwas ausgelaugt.

Sie sind ein Kind der 60er-Jahre, einer Zeit, in der sich viel bewegt hat, in der vor allem junge Leute etwas verändern wollten. Vermissen Sie das?

Jane Birkin - J

Birkin: Das Komische ist: Ich war damals gar nicht so involviert, das wurde ich erst später, als ich begann, mich in Frankreich und Großbritannien für die Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich mich engagierte. Deswegen kann ich niemanden anklagen. Ich war mit meinem Privatleben beschäftigt, erst recht, als meine Tochter Charlotte auf die Welt gekommen war. Es scheint mir ganz natürlich zu sein, dass sich Leute in meinem Alter engagieren: Sie müssen sich um nichts mehr kümmern und haben nichts zu verlieren.

Ist es nicht ein Vorwand, das Privatleben vorzuschieben?

Birkin: In gewisser Weise schon. Aber es tut sich ja was, auch dank Barack Obama, der junge Menschen mobilisieren konnte, indem er ihnen den Glauben gab, etwas verändern zu können. Das ist ein guter erster Schritt. ~ Andreas Fischer (teleschau)


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