Jan Delay

"Ein Anzug macht nicht unlinks"


Jan Delay veröffentlicht mit Disko No. 1 "Wir Kinder vom Bahnhof Soul - Live"

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"Ein Anzug macht nicht unlinks"

Jan Delay veröffentlicht mit Disko No. 1 "Wir Kinder vom Bahnhof Soul - Live"

31.05.2010 Jan Delay ist schwer im Stress. Sein drittes Soloalbum "Wir Kinder vom Bahnhof Soul" stieg im letzten Jahr direkt auf Platz eins der deutschen Charts ein. Die kurze Herbsttour, die darauf folgte, war nicht genug: Seit März ist der Hamburger fast ständig irgendwo in Deutschland auf Tour; in Kürze erscheint das zugehörige Live-Album (VÖ: 4. Juni). Im Interview gibt sich der 33-Jährige trotzdem weitgehend entspannt.

Sie sind mit Ihrer Tour derzeit schwer beschäftigt, aber auch ein ziemlicher Fußballfan. Hatten Sie denn Zeit, das Champions-League-Finale anzusehen?

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Jan Delay: Wir waren auf einem Festival und haben nur mit einem Auge draufgeschaut, weil wir uns umziehen mussten. Wir mussten noch vor dem Abpfiff auf die Bühne, aber ich konnte die Demontage live miterleben.

Hat das gut getan, nachdem die Bayern Ihre Bremer im Pokalfinale geschlagen haben?

Delay: Nö. Bei so einem internationalen Endspiel bin ich eher für Bayern als sonst. Außerdem werden wir bei der WM dieses Jahr sowieso wenig zu lachen haben und international nichts reißen. Das wäre also die einzige Möglichkeit gewesen, mal ein bisschen über den Tellerrand zu gucken und dabei noch Erfolg zu haben.

Haben Sie einen Tipp, wer Weltmeister wird?

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Delay: Argentinien. Oder Spanien. Einer von den beiden jedenfalls.

Sie sind derzeit mit dem "Bahnhof Soul" auf Tour und werden noch bis Herbst unterwegs sein. Trotzdem kommt die Live-CD schon am 4. Juni heraus. Ist das beste Konzert etwa schon gelaufen?

Delay: Ja. Naja, ich weiß es natürlich nicht, aber unser letztes Konzert, von dem auch das meiste Material auf der Live-CD stammt, war unser großes Homecoming in der Hamburger Color Line Arena. Das war das geilste Konzert, das wir in dieser Formation je gespielt haben. Es war unglaublich schön, ich war glücklich und richtig euphorisch. Das liegt auch daran, dass Hamburg einfach Heimat ist und die ganze Stadt ein Dreivierteljahr auf diesen Moment gewartet hatte. Wir haben noch nie so viele Leute angezogen. Und die haben von Anfang an gestanden und getanzt. Unglaublich schön.

Sind Sie ein Erfolgsjunkie?

Delay: Nein. Natürlich ist so etwas eine schöne Bestätigung, aber nicht entscheidend.

Woran messen Sie für sich Erfolg?

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Delay: In erster Linie an mir selbst und an meinen Freunden. Ob ich das, was ich mir für meine Musik vorgenommen habe, auch verwirklichen kann. Wenn ich dazu tanze und mit jedem Moment glücklich bin, dann ist das für mich ein sehr großer Erfolg. Das Wichtigste ist, dass man sich selbst glücklich macht - und das passiert schon in einem Moment, in dem noch kein anderer Mensch die Musik überhaupt gehört hat.

Der kommerzielle Erfolg ist trotzdem da.

Delay: Ich habe einfach das Glück, dass ich so ein Popschwein bin, was meine eigenen Vorlieben angeht. Da gibt es also eine relativ große Schnittmenge mit vielen Menschen in diesem Land. Deswegen muss ich mich nicht verbiegen, um diese Musik zu machen, das ist tatsächlich die Musik, die ich machen will.

Im Lied "Abschussball", das auch auf der Live-CD ist, preisen Sie etwas scherzhaft die Vorzüge von Betäubungsmitteln. Hilft Kiffen oder Saufen Ihnen dabei, Ihre Musik zu machen?

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Delay: Ich glaube schon. Es geht aber nicht darum, dass man erst dadurch eine geile Idee hat. Es führt einfach dazu, dass gewisse Barrieren im Kopf wegfallen, man sich sehr, sehr locker machen kann und alles viel freier ist. Und wenn da keine Mauern mehr sind, können lustige Ideen viel leichter reinhüpfen. Das ist etwas, das Gras bei mir freisetzt und fördert.

"Focus Online" bezeichnete Sie kürzlich als einen der "stilsichersten Männer" ...

Delay: ... die Frage ist nur, ob das vom "Focus" ein Ritterschlag oder eher ein beschämendes Attribut ist ...

... aber die Wandlung vom linken HipHopper zum schnieken Anzugträger hat ja tatsächlich stattgefunden. Haben Sie den Imagewandel gewollt, der mit dem Stilwandel mitkam?

Delay: Ein bisschen schon, aber das hängt eher mit dem Musikgenre zusammen. Ich habe einfach einen anderen Weg eingeschlagen und eine andere Musik gemacht. Da gehört es meiner Meinung nach dazu, dass man das auch optisch irgendwie unterstreicht. Deshalb bin ich logisch und konsequent auch zum Anzug übergegangen, weil die Bands, denen wir nachgeeifert haben, eben auch alle geile Anzüge trugen.

Wie links kann denn ein Anzugträger eigentlich noch sein?

Delay: Sehr. Siehe Heaven 17. Das war eine Synthiepop-Band aus England, die extrem links und kommunistisch eingestellt war, die hatten Hits wie ... na toll, jetzt fällt mir keiner ein ... (ruft nach hinten) Axel, sag mal eben nen Hit von Heaven 17! Kommste auch nicht drauf, ne? ... Naja, jedenfalls haben die gesagt: "Wir gehen jetzt den trojanischen Weg, ziehen uns diese Anzüge an und gehen als hart kommunistische Band in dieses Popland", und die haben das sehr schön unterwandert. Deshalb finde ich auf keinen Fall, dass das irgendetwas unlinks macht.

Sie selbst sind allerdings in letzter Zeit nicht mehr so politisch, wie sie es mal waren ...

Delay: Das stimmt so nicht. Ich werde in Interviews einfach nicht mehr so viel danach gefragt. In der Musik habe ich aber schon bewusst das Explizite weggelassen, weil es bei einer Tanz- und Funkplatte einfach sehr schwierig ist. Ich will nicht, dass so eine leichtfüßige Musik von der Schwere eines Textes erdrückt wird. Wenn es dazu kommt, dass man noch ein paar subtile Aussagen in ein gutes Wortspiel oder einen guten Reim verpacken kann, dann ist das umso besser, aber es darf niemals explizit und plump die ganze Zeit um eine Ungerechtigkeit gehen, die man anprangern will. Bei dieser Art von Musik läuft man dann einfach Gefahr, das schöne Instrumental zu zerstören.

Können Sie da ein Beispiel nennen?

Delay: Der politischste Text des Albums, "Kommando Bauchladen", basiert auf dem rockigsten Instrumental, weil die Musik da einfach besser passt. Die Energie der Rockmusik unterstützt das vielmehr, Funk ist da eher gegenläufig. Für Funk muss man den Kopf aus- und den Arsch einschalten.

Und wie verträgt sich Ihre Liebe zu Sneakers mit den linken Idealen? Gerade Nike wird der Kinderarbeit bezichtigt ...

Delay: Das haftet mir schon seit Längerem an, und ich sag da immer ... ach, scheißegal. Wenn man alles, was einem gefällt, bis aufs Kleinste hinterfragt, auf Fairness, auf Gesundheit, auf umweltpolitische Aspekte, dann braucht man gar nicht mehr vor die Tür gehen, sondern sollte nackt in einer Höhle wohnen. Außerdem sind das Turnschuhe, keine Blutdiamanten. Man muss das Recht auf kleine Sünden haben. Solange man weiß, dass es Sünden sind, ist das schon okay, denn das bedeutet, man hat noch ein Gewissen. Darum geht's ja auch in "Johnny".

Apropos "Johnny". Zu den kleinen Sünden, die in dem Lied aufgezählt werden, zählt auch die Sendung von Reinhold Beckmann. Schauen Sie sich solche Promi-Talkrunden an?

Delay: Nein, das halte ich nicht aus. Aber manchmal pinkle ich im Stehen. ~ Sabine Metzger (teleschau)


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