Ein Wiedererwachen des wütenden Hardcore-Pioniers sollte man von Bob Mould wohl besser nicht mehr erwarten. Seit über 20 Jahren sind Hüsker Dü Geschichte, und auch der kurzlebige, aber gloriose Powerpop der Nachfolgeband Sugar liegt bei den Akten. Auf seine Vergangenheit kann der heute 48-jährige Gitarrist mit einigem Stolz zurückblicken, was er auch tut: "Life And Times" hat er seine neue Platte genannt, was unweigerlich so etwas wie eine Rückschau nahelegt. Tatsächlich lautet so zugleich der Titel seiner 2010 erscheinenden Memoiren. Auf seinem nunmehr neuntem Soloalbum, versichert der Songwriter allerdings in der Begleitinfo, entbehren die kleinen Alltagsdramen einer autobiografischen Grundlage. ~ Jens Szameit (teleschau) aufklappen »
Musikalisch ist Moulds Erbe hingegen in jedem Moment auszumachen. Sein Cinemascope-breites Gitarrenspiel ist so einfach wie unkopierbar, eine Signatur. Mould dosiert den Krach heute vorsichtiger. Einen mal besser mal schlechter versteckten Popappeal hatten seine Songs dagegen immer. So auch hier. Zugegeben, eine etwas eintönige Alternative-Nummer wie "The Breach" klingt schon arg nach den 90-ern. Wirklich vom Fleck kommt Mould mit "Life And Times" nicht, doch ist das auch nicht unbedingt nötig. Zumal er sich hier noch einmal zu einigen Energieleistungen aufrafft.
"Argos" ist so ein stürmischer, zweiminütiger Brecher, der auch auf den melodischeren Alben von Hüsker Dü Platz gefunden hätte. "Spiraling Down" reißt einen unweigerlich in ein flirrendes Gitarrengewitter, derweil sich das akustische "Im Sorry Baby, But You Can't Stand In My Light Any More" für den gewieftesten Songtitel 2009 bewirbt. Auch wenn Bob Mould zwischendurch mal ein klein wenig Esprit vermissen lässt, wird unterm Strich doch eines klar: Die meisten Emo-Jünger hängt der alte Mann des US-Alternative noch locker ab. Aus dem Alter für College Rock wächst man offenbar so schnell nicht raus.