Woman a Man Walked By

Es ist müßig zu diskutieren, ob einen nun die verhuschte Polly Jean oder die schrille Furie Harvey mehr für sich einnimmt. Zugänglicher sind freilich die gemäßigten Songs. "Black Hearted Love" etwa klingt so, wie man es sich von Frank Black heute wünschen würde. Rustikal, rootslastig und doch feinnervig. Zwischen pfundiger Americana und der Low-Fi-Pionierin Liz Phair schwankt die Nummer, und John Parish spielt Gitarre, als hätte er das Instrument bei Sonic Youth erlernt. Den ätherischen Folk "Leaving California" durchmisst die Dichterin mit kapriziösem Quietschen, das unwirkliche "The Soldier" erhebt sich auf Parishs pluckernder Ukulele. Und das watende "April" mit stimmungsvoller Orgel hat gar etwas von den erdigeren Stücken der jenseitigen Portishead.

Anders funktioniert "Pig Will Not", ein scheppernder, exaltierter Tourette-Ausfall, in dem sich die wilde Polly zu einer Art kokettem Bellen hinreißen lässt. "Passionless, Pointless" ist eine Andacht, "Cracks In The Canvas" zuletzt reiner Expressionismus. So ist "A Woman A Man Walked By" am Ende eines jener selten gewordenen Alben, bei denen sich Pop von Penetranz und Kunst von Konsequenz herleiten. Nicht nur äußerlich wird Polly Jean Harvey der scheinbar konkurrenzlosen Dichterfürstin Patti Smith immer ähnlicher.