Acid Tongue

Dabei verneigt sich Lewis auch auf ihrem zweiten Soloalbum tief vor traditionellem Nashville-Country und klassischem Folk-Songwriting. Den kohärenten, seelenreichen Sound ihres Debüts, der zum Großteil auch dem großartigen Gospel-Backgroundgesang von The Watson Twins geschuldet war, vermisst man allerdings ein wenig. In nur drei Wochen aufgenommen, setzt Lewis auf "Acid Tongue" nun auf eine Art "Open Mic"-Formel. Will heißen: Zahlreiche Gaststars, unter denen sicherlich Black-Crowes-Sänger Chris Robinson und Songwriter-Altmeister Elvis Costello herausragen, reichen munter von Song zu Song das Mikrophon weiter. Mit unterschiedlichen Ergebnissen.

Letzterer bildet im herrlich Tom Petty-esken "Carpetbaggers" mit seiner leicht nöligen Stimme einen herrlichen Kontrast zu Lewis' glockenklarem Organ. Bei "The Next Messiah" hingegen, das nach Creedence Clearwater Revival klingt, die "Daytripper" von den Beatles in eine neunminütige Endlosmangel nehmen, ist Robinsons Stimme nur einer von mehreren Nervfaktoren. Nicht nur ihren Gästen lässt Lewis zu viele Freiheiten. Sie verzärtelt sich selbst in kargen Folk-Skizzen ("Pretty Bird"), verheddert sich in Country-Floskeln ("Bad Man's World"), schöpft nicht immer die volle Bandbreite ihrer tiefbeseelten Stimme aus.

Der Titeltrack aber beispielweise beweist, dass ihr die Rolle einer Country-Pop-Queen für das 21. Jahrhundert stimmlich genau auf den Leib geschneidert ist. Schließlich nähern sich Loretta Lynn und Dolly Parton langsam dem (musikalischen) Rentenalter.