Wenn man so will, ist Matthew Herbert seit jeher ein großer Innovator populärer Tanzmusik, er gilt seit den 90er-Jahren als Vorreiter in Sachen Electronica, Techno und House. Dass er sich 2003 auf "Goodbye Swingtime" erstmals in Big-Band-Besetzung auch an Jazz und Swing zu schaffen machte, war sicherlich ungewöhnlich, aber doch irgendwie konsequent. Und es gelang ihm damit eine meisterliche Fusion von Tanzmusiken der Vergangenheit und der Moderne, ein Schritt zurück in die Zukunft. Auf "There's Me And There's You" hingegen ist das Hier und Jetzt allgegenwärtig. ~ Stefan Weber (teleschau) aufklappen »
Denn das zweite Album von The Matthew Herbert Big Band ist subversiv vertonter Widerstand, setzt sich auf allen musikalischen Ebenen mit dem Thema Macht und ihrem Missbrauch auseinander. Schon auf dem letzten Herbert-Album "Scale" benutzte der Geräuschfetischist unter anderem Aufnahmen von Särgen, Benzinpumpen und einem Tornado-Bomber der Royal Airforce. Für "There's Me And There's You" geht Herbert sogar noch einen Schritt weiter und sampelt thematisch passend. So beginnt "The Story" mit den Geräuschen, die ein Stapel von 70 Ausgaben der britischen Boulevardzeitung "The Sun" erzeugt und beklagt dann textlich die Vernachlässigung von weltpolitisch brisanten Themen in weiten Teilen der Medien.
So sehr Texte und Musik mit Konzept und Bedeutsamkeit auch aufgeladen sein mögen, Herbert schafft es erneut, im besten Sinne den auf kohärenten Sound achtenden Bandleader zu geben und alle Fäden zusammenzuhalten. Und so macht das Album nicht nur als politisches Statement, sondern auch als Weiterführung seines musikalischen Ansatzes Sinn. Avantgarde-Jazz, Big-Band-Swing-Sound, Soul-Gesang und Sample-Wahnsinn werden bis zur Herausforderung fusioniert, wobei mit "Yessness" sogar ein Fast-Hit abfällt.
Aber Popularität sucht Herbert mit seinen meist abstrakten Big-Band-Visionen sowieso sicher nicht. Und rhythmisch bewegen können sich zu den Songs von "There's Me And There's You" auch wohl nur sehr exaltierte Ausdruckstänzer. Dafür schafft das Album höchste Aufmerksamkeit für Herberts in jeglicher Hinsicht unbequeme Wahrheiten. File under uneasy listening.