Tango 3.0

Und das tut die Platte sehr bewusst, im Grunde genommen ja schon mit dem Titel. Wo der Vorgänger "Lúnatico" nach dem Rennpferd der Tango-Legende Carlos Gardel benannt wurde, ist jetzt also ein Begriff aus der Internet-Technik der Stichwortgeber. 3.0, das bedeutet im Internet laut Wikipedia "die Zusammenführung der Technologie des Semantischen Webs mit sozialen Ansätzen des Web 2.0". Versteht natürlich kein Mensch. Beim Gotan Project lässt sich's besser erklären: mehr Breite. Mehr wagen, mehr Blicke über den Tellerrand. Electrotango, aber mit Ecken und Kanten.

Der Vorgänger agierte ein bisschen ratlos, nahm manches von dem zurück, was das Debüt "La Revancha Del Tango" 2001 so einschlagen ließ. Das ist vergessen. Heute rollt schon im Opener "Tango Square" der Beat heftig über Ecken und Kanten, wird die E-Gitarre zwar formal, aber dennoch beherzt angeschlagen, um einen Untergrund für das klassische Tango-Instrumentarium, für Bandoneon und Akustik-Gitarre zu schaffen. Da werden Vocal-Schnipsel und perkussive Elemente eingestreut, es entsteht eine Film-Noir-Stimmung, die Traditionalisten des Tango nicht schmecken mag, aber eine nicht zu unterschätzende Allgemeingültigkeit besitzt.

Im folgenden "Rayuela" schiebt sich der Beat Richtung Dub, zählt ein Kinderchor, andere Stücke wie "Panamericana" oder "De Hombre A Hombre" bedienen sich aus dem Fundus italienischer Western-Soundtracks. Höhepunkt: "La Gloria", das an die damals doch recht bemerkenswerten Tracks des Debütalbums anschließt und auf einem hübschen Elektrobeat rollt. Ob das noch Tango ist? Völlig egal, auf jeden Fall ist es im höchsten Maße angenehm zu hören.