Vielleicht hat Camus recht, und das ganze Bestreben in der Kunst ist auf die Wiederentdeckung unserer frühesten Eindrücke von schlichter, ergreifender Schönheit gerichtet. Das Bemerkenswerte am Genre Americana ist gerade jene suggerierte Tradition und Tiefe, die in den immer neuen Anwandlungen dieser ebenso einfachen wie ewig jungen Musik mitschwingt. Die Fleet Foxes, ein Quartett bärtiger, junger Romantiker aus Seattle, spielen solche traditionelle amerikanische Musik und sind doch alles andere als altbacken. Sie machen nichts Neues und klingen doch unerhört. Ihr selbstbetitelter Erstling, der dank euphorischer Besprechungen in den USA und Großbritannien bereits den merkwürdigen Makel der Konsensplatte mit sich schleppt, ist in Wahrheit das schönste und ergreifendste amerikanische Debüt des Jahres - womöglich gar die aufregendste Neuentdeckung seit Midlakes "The Trials of Van Occupanther" von 2006. ~ Jens Szameit (teleschau) aufklappen »
Was die Fleet Foxes so eklatant von der Masse der amerikanischen Traditionalisten abhebt, ist ihr wahrhaft verschwenderischer Melodienreichtum, den die jungen Schwärmer derart bewegend mehrstimmig in Szene setzen, dass sich mit den Beach Boys gleich die denkbar gewichtigste Vergleichsgröße aufdrängt. Auch an das wundersame "Person Pitch" des Animal-Collective-Ablegers Panda Bear aus dem vergangenen Jahr fühlt man sich gelegentlich erinnert - abzüglich des experimentellen Sampling-Ansatzes.
Gerade der Umstand, dass die Fleet Foxes aus den einfachsten musikalischen Mitteln ihre erschütternde Schönheit gewinnen, ist frappierend. Durch die elf Songs des Albums schallen die Echos alter Pastorale, die sich in Verklärungen der amerikanischen Wildnis im Geiste der Dichter Whitman und Thoreau ergehen. "Ragged Wood", "Tiger Mountain Peasant Song" und "Blue Ridge Mountains" feiern die Erhabenheit der Natur. "Meadowlarks" huldigt der pittoresken Fauna, "Quiet Houses" der stillen Einkehr ins traute Heim nach langer Reise.
Wie selbstverständlich schreibt "Fleet Foxes" den großen amerikanischen Kanon fort, schließt die Lücke zu den großen, offenbarungsreichen Momenten eines Gene Clark, Neil Young oder Gram Parsons. Die sich fast schon klassisch vermittelnden "White Winter Hymnal", "Your Protector" sowie das schier unfassbare "He Doesn't Know Why" sind schlicht die erwärmendsten, verschwenderischsten und jenseitigsten Songs, die sich im Jahr 2008 denken lassen.