"Musik war immer eine Möglichkeit für mich, meine Gefühle auszudrücken." Das ist zugegebenermaßen ein Standardsatz. Bei Etta Scollo besteht aber kein Zweifel, dass sie es ernst meint, wenn sie dies sagt. Ihre ganze Liebe gilt der traditionellen italienischen Musik. Dass diese sich nicht auf "Amore" und folkloristische Akkordeon- und Streicherarrangements beschränkt, zeigt Scollos neuestes Werk "Il Fiore Splendente", zu Deutsch: die leuchtende Blume, die sich mit den Einfluss arabischer Dichter in Sizilien auseinandersetzt. ~ Daniel Dreßler (teleschau) aufklappen » 
  Die italienische Ausnahmekünstlerin hatte schon immer ein Faible für die fast Vergessenen. Scollo arbeitet dabei wie eine Archäologin: Sie gräbt Schätze früherer Kulturen aus und setzt ihnen mit ihrer musikalischen Interpretation ein Denkmal. So geschehen beim Vorgängeralbum "Canta Ro'", einer Hommage an die sizilianische Volkssängerin Rossa Balistreri (1927-1990), wofür sie den Weltmusikpreis "RUTH" erhielt. Für ihre aktuelle CD "Il Fiore Splendente" zog es Etta Scollo wieder auf die geschichtsträchtige Insel. Dieses Mal tauchte sie ins Jahr 827 nach Christus ein. Damals gelangten unter anderem Araber, Berber und Spanier nach Sizilien und mit ihnen eine neue Kultur und Religion. Auch Dichter und Musiker zog es dorthin, vornehmlich nach Palermo, zu dieser Zeit "Multi-Kulti-Stadt", hätte es diesen Ausdruck damals schon gegeben.
 Für das Album recherchierte Scollo mehr als ein Jahr. Bücher wie die "Antologia dei poeti arabi di Sicilia" ("Anthologie arabischer Dichter Siziliens") und die Erforschung der arabischen Kultur auf der Insel waren das Fundament für ihr neues Werk. Vor allem die Gedichte des Schriftstellers Ibn Hamdis (1052-1132) standen im Fokus der musikalischen Ausarbeitung Scollos. Ibn Hamdis hat das damalige Sizilien und sein Leben bilderreich beschrieben und somit der Nachwelt ein wichtiges Dokument hinterlassen. Etta Scollo interpretiert vor allem jenes Oeuvre, das sich den sinnlichen Freuden widmet. Gleich, ob es sich dabei um einen unschuldigen Kuß in "Un Solo Bacio" handelt, oder das gustiöse Feuerwerk eines Liköres in "Aiuta Il Liquore E Ti Da Gioia" beschrieben wird. Selbst Zeilen über die homosexuelle Liebe zu einem schlanken Jungen in "È Così Snello" finden sich in Hamdis' Schriften.
 Die Interpretationen dieser Gedichte sind behutsam, voller Respekt und Ehrfurcht für die alte Kultur. Die arabisch angehauchten Klangstrukturen vermischen sich mit klassischen Orchesterpartituren. Darüber thront die voluminöse Stimme Scollos. Der vollzogene Brückenschlag von mittelalterlicher Kultur zur Postmoderne ist mehr als geglückt. "Il Fiore Splendente" dokumentiert eindrucksvoll, dass Multikultur keine neumodische Erfindung ist.