Auf dem Papier verspricht "Brian Wilson Reimagines Gershwin" ein spannendes Aufeinandertreffen von (Pop-)Legenden auf Augenhöhe zu sein: Denn wer, wenn nicht der Beach-Boys-Kopf, universelles Melodiegenie mit größtmöglichem Verständnis für Arrangement und Komposition, sollte dazu befähigt sein, das Werk eines der bedeutendsten Musical-Songwriters des 20. Jahrhunderts neu zu "imaginieren"? In der Umsetzung bleiben größere Überraschungen allerdings aus - weil sich zeigt, dass Wilson und Gershwin fast schon musikalische Brüder im Geiste sind. ~ Stefan Weber (teleschau) aufklappen »
Am deutlichsten zeigt sich dies in den beiden bislang unveröffentlichten Gershwin-Kompositionen, von denen nur Klavier-Demos existierten und die der Beach-Boys-Vordenker vollendete: In den wohltemperierten Reigen opulenter, aber punktgenau arrangierter Melodien, die Wilson hier präsentiert, reihen sich "The Like In I Love You" und "Nothing But Love" absolut nahtlos ein.
Denn Wilson nähert sich dem Werk des großen Musical-Komponisten mit durchaus gebührendem Respekt. Während diese abgeklärte Altersmilde aber bei der Fertigstellung des "verschollenen" Beach-Boys-Meisterwerks "Smile" 2004 noch irritierend wirkte, kommt ihm diese Fähigkeit bei Klassikern wie "Summertime", "I Got Plenty O'Nuttin" oder "'Rhapsody In Blue" zugute. Denn seine würdevolle "Wiedervorstellung" tastet die Substanz dieser zeitlosen, in Jazz und Blues wurzelnden Melodien niemals an, lässt nur vorsichtig Wilsons Fähigkeit zur unbeschwerten Popmelodie durchschimmern. "I Got Rhythm" geht diesbezüglich am weitesten: Der Song aus dem Gershwin-Musical "Girl Crazy" wirkt wie eine verschollene Rockabilly-Surf-Nummer der frühen Beach Boys - Wilsons immer noch jungenhafte Stimme und "Uhuhuh"-Backgroundchöre inklusive.
Bis auf diesen "Ausrutscher" ist "Brian Wilson Reimagines Gershwin" aber eine durchgehend geschmackvolles, ja fast makelloses Album. Das aber - je nach Geschmack und Erwartungshaltung - auch ein wenig langweilig wirken kann.