Der Veröffentlichungszeitpunkt von "Live At Madison Square Garden" wurde durchaus geschickt gewählt: Nach dem Mauerfall-Jubiläumsauftritt sind Bon Jovi in aller Munde. Ihr Studioalbum "The Circle" ist noch heiß. Der limitierten Auflage dieser CD lag die Dokumentation "When We Were Beautiful" bei, welche ebenfalls Appetit auf einen Livemitschnitt machte. Dazu ist die alljährliche Geschenksuchpanik bereits ausgebrochen. In Sachen Verkaufszahlen müssen sich Bon Jovi keine Sorgen um ihre neue DVD machen. ~ Alexander Diehl (teleschau) aufklappen »
Um andere Sachen hingegen schon: Denn so geschickt die Veröffentlichung, so ungeschickt sind einige ihrer Details dieser Live-DVD. Zunächst einmal: Der Madison Square Garden ist laut Eigenwerbung die weltberühmteste Arena. Das mag ja sein, aber Stadionrocker gehören an die frische Luft. Der romantisch veranlagte Rocker will wehende Fahnen im Wind sehen. Einen Sonnenuntergang als Balladenkulisse. Gedränge vor der Bühne. Hier in New York steht diese mitten im Publikum. Die Menschen rundherum haben es bequem. Gänge werden freigehalten. Zwischendurch kann es passieren, dass im Hintergrund ein Wegweiser zur Toilette oder gelangweilte Digitalkamerafetischisten ins Bild geraten und somit ihren Teil dazu beitragen, die aufkommende Partylaune im Keim zu ersticken.
Fitness statt Fete: Die Gassenhauer mutieren zu Streckübungen für die gesamte Familie. "Raise Your Hands", bis ganz nach hinten. "Come on, touch the sky", feuert der Meister die Zuschauer zum Schluss dieses Songs an. Geht nicht, ist ja ein Dach über dem Madison Square Garden. Also doch Stimmbandübungen. Alle mitsingen. Beim "Nanana" von "Born To Be My Baby" ist das Echo bescheiden, bei "Livin' On A Prayer" zeigen die Daumen nach oben. Ist ja auch wahnsinnig hoch, der Refrain am Ende. Zwischendrin kämpft sich Jon Bon Jovi durch die Menge. Er schüttelt Hände und lächelt tapfer. Was ist das hier? Ein Präsidentschaftswahlkampf?
Es sind die leiseren Momente, die für Gänsehaut sorgen: "I'll Be There For You", welches von einem wieder hergestellten und doch vom Leben gezeichneten Richie Sambora gesungen wird. Das selten erwähnte "Dry County". Und "Hallelujah", von der offizielle Stellen behaupten, es sei die Lieblingsversion seines Schöpfers Leonard Cohen. Hier beweist Jon Bon Jovi Mut und zeigt trotz aller Rockstarmanie, dass für ihn immer noch die Leidenschaft zur Musik im Mittelpunkt steht. Alleine deshalb gehört dieser Interpretation Respekt gezollt.