Der Pressetext klingt nach Grabrede: Das vierte, selbst betitelte Album stelle eine Zäsur in der Interpol-Bandgeschichte dar, weil man künftig ohne den Bassisten und Keyboarder Carlos Dengler auskommen müsse. "Der Verlust wiegt schwer", heißt es, die neue Platte stelle nun "so etwas wie das musikalische Vermächtnis von Carlos D." dar. Nein, Dengler hat nicht das Zeitliche gesegnet, er kehrte seiner Band lediglich nach Abschluss der Aufnahmen den Rücken. Angeblich, weil er das Bassspielen noch nie mochte. Was natürlich tragisch ist, da Interpol sich gerade durch herausstechende Basslinien von anderen Indie-Rock-Bands abhob - und immer noch abhebt. ~ Annekatrin Liebisch (teleschau) aufklappen »
Vor allem bei "Summer Well" wird bewusst, welche Lücke der Abgang Denglers in Zukunft hinterlassen könnte: Der tänzelnde Bass und das echoende Klavier sind der Motor des Stücks, der die dichten Gitarrensounds und Paul Banks Gesang stetig vorantreibt. Ja, das könnte ein Problem werden, sobald die Produktion des Nachfolgers ansteht. Könnte - muss aber nicht. Denn das verbleibende Trio, das seine Auftritte nun vorerst mit Gastbassisten bestreiten will, legt nahe, dass es die Songmaschine zur Not auch mit alternativen Energiequellen in Fahrt bringen könnte.
Mit Sam Fogarinos Drums zum Beispiel, die "Barricade" einen warmen Einstieg geben und in "Always Malaise (The Man I Am)" auf halber Strecke überraschend das Kommando übernehmen. Gitarrenklänge, unruhig und mächtig wie ein Hornissenschwarm, schwirren hingegen durch "Memory Serves" und bilden einen erstaunlichen Kontrast zu Banks gewohnt melancholischem Gesang. Doch früher oder später überlagern sich die einzelnen Elemente, Schicht für Schicht, Lage auf Lage, bis der Sound fast vollständig verschwimmt. In diesem Nebel schleichen sie sich ein, die kraftvollen Steigerungen, die wütenden Anklagen und die abrupten Stopps, die einen auch auf dem vierten Album noch kalt erwischen. Noch immer beschleicht einen beim Hören das Gefühl, dass die Wände langsam aber sicher näher kommen. Das, genau das, ist die Spezialität der New Yorker. Und das bleibt sie auch auf diesem Album. Über die Zukunft darf sich zu späterem Zeitpunkt gesorgt werden.
Interpol auf Deutschland-Tournee
20.11., Berlin, Tempodrom
22.11., Dortmund, Westfalenhalle